„Παρὰ τούτοις εἶναι μᾶλλον πρῶτος ἢ παρὰ Ῥωμαίοις δεύτερος.“ („Lieber der Erste hier als der Zweite in Rom.“ – Caesar als er seinen Statthalterposten in Spanien antrat)
(Patrizia von Berlin) In den Medien geht es dieser Tage nur um eines: Seehofer vs. Kanzlerin. Dabei wird übersehen, dass es einen zweiten Konflikt gibt: Söder vs. Seehofer. Wird der eine mitten im medialen Rampenlicht ausgetragen, so findet der andere offiziell gar nicht statt.
Wenn es emotional wird, zumal in der Politik, sollte man vorsichtig sein. Seehofer reitet volle Attacke auf die Kanzlerin. Medien und Bürger sind unausweichlich involviert. Selbst ein AfD Parteitag tritt in den Hintergrund. Robin Alexander (Welt) sieht in einem Rücktritt von Seehofer schon den Untergang: „Dann wackelt die Republik“, so bei Anne Will.
Die Härte des Konflikts kommt nicht vom Inhaltlichen. Da hat Seehofer, da hat die CSU schon ganz andere Dinge brav abgenickt.
In 62 1/2 von 63 Punkten herrsche Einigkeit zwischen ihm und der Kanzlerin, erzählte Seehofer jedem, der nicht schnell genug davonlaufen konnte, erst vor einer Woche.
Jetzt ist die Kanzlerin auf einmal ganz weit weg von Seehofer, so Seehofer. Was nur zwei Rückschlüsse zulassen würde. Entweder die Kanzlerin hat sich bewegt oder Seehofer hatte eine Einigkeit dargestellt, die so nicht gegeben war. Oder wir denken das Undenkbare, nämlich dass Seehofer jetzt ein anderes Ziel verfolgt, als vor einer Woche und die Dinge schlicht anders bewertet. Drehhofer reloaded?
Söder vs. Seehofer – sehen wir das Endspiel?
Während der Fokus praktisch ausschließlich auf Seehofer und der Kanzlerin liegt, wird ein weiterer Konflikt weitgehend ausgeblendet: Der Kampf um die Macht in der CSU. Nach vielen Jahren Anlauf gelang Markus Söder im Frühjahr der Erfolg. Er wurde bayrischer Ministerpräsident und somit, in CSU Diktion, Inhaber des schönsten Amtes der Welt. Die Geschichte hat nur ein paar Haken.
Söder erreichte nur einen Teil der Macht. Seehofer war und ist nach wie vor Parteivorsitzender. Ilse Aigner, Vorsitzende des stärksten CSU Bezirks und nebenbei erwähnt auch noch stellvertretende Ministerpräsidentin, ist auch noch da. Ebenso wie Alexander Dobrindt.
Der Zeitpunkt der Übergabe des Ministerpräsidentenamts an Söder hatte etwas von einem vergifteten Geschenk. Söders Position war und ist extrem schwierig. Neben der nicht abgesicherten innerparteilichen Macht, ist es vor allem der Wahlkampf, dessen Auswirkungen als Damoklesschwert über ihm schwebt. Man liest in diesen Tagen viel, dass die CSU doch auch mit 40% Ergebnisse einfahren würde, mit denen sich die meisten CDU Landesverbände glücklich schätzen würden. Dieses mangelnde Verständnis für die Befindlichkeit der CSU führt aber in die Irre.
Für die CSU zählt nur Eines: die Regierung von Bayern. Wenn man, wie nach der vorletzten Wahl, dabei auf einen Koalitionsparter (damals FDP) angewiesen ist, dann ist das nicht suboptimal, wie man meinen könnte. Es ist eine Katastrophe in den Augen der CSU. Die CSU regiert Bayern, wird quasi als Synonym für Bayern angesehen oder sie wird nicht mehr sein. Verlöre sie diese Einzigartigkeit, würde sie zu einer Partei unter Vielen in Bayern, dann wäre das der erste Schritt in die Bedeutungslosigkeit. Das Menetekel der Bayernpartei warnt auch heute noch. Und somit ist dieses Bewusstsein in der Partei tief verankert. Es ist auch der Grund, warum die Vetternwirtschaft in Bayern immer weit unterhalb des Rahmens blieb, den man bei einer Partei nach Jahrzehnten der Alleinherrschaft erwarten würde. Eine selbstbewusste Demut der Partei vor dem Wahlerwillen gehört zur Genetik der CSU. Und dürfte wohl der Hauptgrund sein, warum die SPD einen Landesvorsitzenden nach dem Anderen in vergeblichen Versuchen diese Alleinherrschaft zu brechen, verschließen hat.
Jetzt bekam Söder mit dem Amt aber ein schwieriges Erbe. Ein Parteivorsitzender, der ihm das Amt nicht geben wollte. Und eine bürgerliche Oppositionspartei, die mit CSU-kompatiblen Inhalten die SPD als stärkste Opposition zu verdrängen droht. Geht die Wahl in Bayern verloren und dies wäre aus CSU Sicht schon gegeben, wenn Söder deutlich verlieren würde oder einen Koalitionspartner brauchen würde oder – grande catastrophe – zwei Koalitionspartner, dann wäre es das Ende der kurzen Ära Söder. Für ihn geht es also um Alles oder Nichts. Für Seehofer geht es aber auch um das Ende seiner Führungsrolle. Ein strahlender Wahlsieger Söder bräuchte den Parteivorsitz nicht einmal mehr zu fordern, er würde ihm einfach zufallen.
Für Aigner, Dobrindt und die anderen Kronprinzen und Kronprinzesschen ist Seehofer der Garant dafür, dass sie noch Optionen haben. Wäre er weg, dann war’s das mit den Chancen auf höchste Weihen.
Söder – und das kann man nicht oft genug betonen – wurde von der Landtagsfraktion, nicht von der Partei insgesamt, auf den Schild gehoben. Geführt von Thomas Kreuzer, dem – so ein Gerücht – vor Jahren vom damaligen Minister Seehofer bedeutet wurde, dass er unter ihm nicht mit einem Ministeramt rechnen solle.
Der CSU-interne Konflikt würde also mehr Beachtung verdienen, gerade wenn die sachlichen Differenzen so überschaubar sind.
Die Zwickmühle von Söder haben wir beschrieben. Ist es ihm jetzt gelungen, den Spieß Richtung Seehofer umzudrehen? So dass nicht mehr Söder zwischen der AfD und der Kanzlerin bzw. ihrem Innenminister zerrieben wird, sondern Seehofer zwischen der CSU und ihren Notwendigkeiten im Wahlkampf und seinem Amt in der Regierung Merkel?
Es scheint fast so. Und abseits von den persönlichen Zielen kann man auch parteitaktische Gründe sehen.
Ein Ministerpräsident Söder, der auch noch Parteivorsitzender wäre, könnte im Wahlkampf noch erheblich pointierter handeln. Ob er so weit gehen würde, eine temporäre Aufhebung der Fraktionsgemeinschaft oder der Koalition in Kauf zu nehmen? Ich weiß es nicht. Ich würde aus rationalen Gründen eher dagegen wetten, denn die CSU hätte mehr zu verlieren als die CDU und Strauß hat oft genug gezeigt, dass man auch ohne diesen formalen Schritt eine große gefühlte Distanz zur Bundesregierung hinbekommen kann. Und Söder sieht sich schließlich als der eigentliche Erbe von FJS.
Das Wackeln der Republik, das Robin Alexander sieht, sehe ich nicht. Seehofer ist ersetzbar, Söder auch. Selbst das Erdbeben eines Umbruchs in der Parteienlandschaft, Kreuth 2, würde unsere Republik nicht ins Wackeln bringen.
Da sind wir Deutsche nur zu verwöhnt durch die immense Stabilität im internationalen Vergleich. Die aber auch, Stichwort Nibelungentreue, schlimmste Auswirkungen für Deutschland gebracht hat. Und diese Nibelungentreue der CSU, entgegen dem wofür die CSU über Jahrzehnte stand, hat die Fundamente der Republik mehr erschüttert. Denn das Fundament der Republik ist vor allem das Vertrauen der Bürger in diese Republik.
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