Freitag, 22. November 2024

Seehofer gegen Merkel: Showdown oder Show?

Schlagzeilenmacher sehen die CDU/CSU-Gemeinschaft brechen, hoffnungsvolle APO2018-Mitstreiter fragen sich: Ist Merkel jetzt bald weg? Nein, natürlich nicht. Es ist Wahlkampf und zwar in Bayern.

Eigentlich ist es völlig absurd, worüber der Streit so öffentlichkeitswirksam ausgetragen wird. Heimatminister Seehofer will Migranten zurückweisen, die in einem anderen europäischen Land Asyl wollten.

Merkel strebe, so das CSU Organ „Bayernkurier“ eine „nicht näher definierte europäische Lösung an.“ Europäische Lösungen, liebt die Kanzlerin, das haben wir in den letzten Jahren gelernt. Es gibt nichts Besseres, wenn man ein Thema wegschieben will, wenn man Verantwortung vertuschen will: ab nach Brüssel damit.

Oder noch besser: man verlagert es in viele Einzelgespräche mit unseren Nachbarn, gibt orientalisch-blumige Erklärungen ab, die selbst einen Hadschi Halef vor Neid erblassen lassen würden und die am Ende sowieso in Vergessenheit geraten.

Dass die Kanzlerin darin eine Meisterin ist, selbst das schafft sie in Vergessenheit geraten zu lassen. Denken wir nur an die groß angekündigte „nationalen Kraftanstrengung bei Abschiebungen“ – Was ist daraus geworden?

Seehofer ist also der Retter des Abendlandes, weil er tapfer der Kanzlerin widerspricht? Söder, dem die Angst vor einem Fiasko bei der kommenden Wahl in den Knochen steckt, springt Seehofer sofort bei, was eher ungewöhnlich ist. Es gab auch schon Zoff zwischen Seehofer und Merkel und Söder postete Wohlfühlbilder von Bierzelten und Weinköniginnen und Trachtenumzügen und hielt sich in Sachen hoher Politik auffallend unauffällig im Hintergrund.

Aber jetzt geht es ja auch nicht um Seehofer, sondern um Söder und der ist für Söder schließlich am Allerwichtigsten.

Eine „absolute Grundsatzfrage“ sei es, um die es hier gehe, sagt Söder und er habe das Ziel „Seehofer Rückendeckung zu geben“. Was im Klartext heißt: Söder gibt sich damit selbst Rückendeckung.

Erleben wir hier große Politik, den Showdown oder große Show? Große Worte stehen im Raum: Merkeldämmerung, Schicksalsfrage (Stoiber), Regierungskrise (Spiegel). Bricht die Koalition? Tritt Merkel zurück?

Ich meine nein. Denn eigentlich reden wir bei Seehofers Vorstoß über eine Selbstverständlichkeit. Schon gleich zweimal für die Union.

Art. 16a GG wurde nach der letzten großen Asylkrise von einer breiten Mehrheit eingeführt. Seehofer will also nur geltendes Recht durchsetzen. Und dafür hat sich die CSU drei Jahre Zeit gelassen. Aber jetzt ist ja schließlich Wahlkampf in Bayern und die CSU entdeckt, was sie eigentlich immer schon wollte.

Oder um es mit Karl Valentin zu sagen:

Mögen täten wir schon wollen,
aber dürfen haben wir uns nicht getraut.

In der Sache reduziert sich dieser Riesenklamauk auf die Frage, ob an der Grenze nicht reingelassen wird (Seehofer) oder ob die Zurückweisung in einer deutschen Auffangstelle passiert (Merkel). Dass die Zurückweisung für Migranten in Deutschland jedoch kein Verlassen des Landes bedeutet, wissen wir mittlerweile.

Und dass die Kanzlerin in dieser Frage auf der Linie von Rot-Grün liegt, haben wir in den vergangenen Jahren erlebt. „Nun sind sie halt da“, sagte Merkel und genau so verhält sie sich und scheint zufrieden damit.

Seehofers Vorschlag bedeutet auch keine echte Besserung

Ob sich in der Praxis durch Seehofers Vorschlag, der ja nur in einem Punkt eine Rückkehr zu geltendem Recht bedeutet, etwas ändern würde? Man darf es bezweifeln nach den Erfahrungen der vergangenen drei Jahre. Die Ströme der illegalen Migration würden sich verlagern und andere Wege finden, solange es sich wirtschaftlich lohnt nach Deutschland zu kommen.

Nur hier könnte man mit Hoffnung auf Erfolg ansetzen. Und das weiß die CSU.
Auch Anfang der 90er waren Abschiebungen de facto auch nicht möglich. Was den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzende von NRW, Friedhelm Farthmann zu folgendem Lösungsvorschlag brachte:

„An Kopf und Kragen packen und raus damit“

Die Lösung war dann doch eine rechtsstaatliche, demokratische Lösung.
Anfang der 90er war die CSU die treibende Kraft, welche die erste Asylkrise beendete. Änderung des Grundgesetzes, Ersatz der Geld- durch Sachleistungen sorgten am Ende für ein Abschwellen der illegalen Migration.

Dass die CSU mit selbstverständlicher und traditioneller Unionspolitik im Jahr 2018 einen solchen Wirbel verursachen kann, zeigt unser wirkliches Problem in Deutschland.

Ist das also die Merkeldämmerung?
Ich lege mich fest: Nein. Wir haben Wahlkampf im Bayern.

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Patrizia von Berlin
Patrizia von Berlinhttps://philosophia-perennis.com/
Für die Freiheit nicht lügen zu müssen. Eine Lebensweisheit, die ich vor vielen Jahrzehnten von Reiner Kunze (Die wunderbaren Jahre) erhielt. Ich lernte, was das Wichtigste für ihn war, als er in den freien Westen ausgesiedelt wurde. Nicht Reisen, nicht die Genüsse der Welt. "Dass ich nicht mehr lügen muss", war seine Antwort.

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