Vor einem Jahr, im Mai 2017, fand die Landtagswahl im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland, in Nordrhein-Westfalen statt. Die Veränderungen innerhalb der Wählergunst, die wir hier innerhalb von nur zwölf Monaten sehen, sind nicht nur groß, sie sind gewaltig, wie die Umfrage von Infratest dimap für den WDR zeigt. Ein Gastbeitrag von Jürgen Fritz
Letztes Jahr im Mai erlitt die SPD einen regelrechten Schock. NRW, das war traditionell SPD-Land. Von 1962 bis 2000 haben die Sozis jedes Mal deutlich über 40, 1985 und 1990 sogar über 50 Prozent der Stimmen geholt. 2017 erfolgte dann bei der Landtagswahl der Absturz auf den niedrigsten Wert seit Bestehen der Bundesrepublik.
Fast 8 Punkte verlor die SPD unter der amtierenden Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die wenige Jahre zuvor von einigen sehr SPD-affinen Medienvertretern bereits als kommende Bundeskanzlerin orakelt wurde.
Doch dann fuhr Frau Kraft mit 31,2 Prozent das schlechteste SPD-Ergebnis ever ein und zog sich anschließend vollkommen aus der Politik zurück. Die Zeit von Rot-Grün war in NRW vorbei. Seither sehen wir dort eine schwarz-gelbe Landesregierung.
Wer aber nun dachte, bei 31,2 Prozent sei der Boden erreicht für die „Sozialdemokraten“ in ihrer Hochburg, der sieht sich nun endgültig getäuscht. Denn es kann in der Tat noch weiter in den Keller gehen, nicht nur von 52,1 Prozent (1985) auf 31,2 (2017), sondern jetzt sogar unter 30 Prozent – und zwar weit unter 30.
Laut aktueller Umfrage von Infratest dimap für den WDR (durchgeführt am 7. und 8. Mai, über 1.000 Befragte, veröffentlicht am 13. Mai), liegt die SPD in NRW gerade noch bei 22 Prozent. Sie hat also innerhalb einer Generation über 30 Punkte eingebüßt und innerhalb der letzten 12 Monate über 9 Punkte.
Seit der letzten Landtagswahl, die bereits einen absoluten Tiefpunkt markierte, verlor die SPD nochmals fast jeden dritten Wähler. Unglaublich! Nur noch gut jeder Fünfte will ihr in ihrer Stammhochburg seine Stimme geben. Da kann man sich ausrechnen, wie es bundesweit aussieht für die Partei von Nahles und Scholz, wo sie schon länger deutlich unter 20 Prozent gefallen ist.
FDP verliert ebenfalls massiv, CDU kann leicht zulegen
Wohin aber wandern die Wähler ab, die sich von der SPD abkehren? Nicht zur FDP. Denn auch diese verliert massiv. Im Mai letzten Jahres kam die „Freien Demokraten“ auf für sie sehr gute 12,6 Prozent. Dieses Ergebnis können sie aber, seit sie mit an der Regierung sind, nicht annähernd halten. Die FDP verliert jeden dritten bis vierten Wähler und liegt in NRW derzeit nur noch bei ca. 9 Prozent. Dies deckt sich in etwa mit dem bundesweiten Wahltrend der letzten Monate. Seit der Bundestagswahl im September hat die Lindnerpartei etwa jeden vierten bis fünften Wähler verloren.
Ein sehr kleiner Teil der ehemaligen der SPD Zugeneigten dürfte zur CDU abwandern, aber wirklich nicht sehr viele. Diese steigt nämlich nur ganz leicht von 33 auf 35 Prozent, wobei in diesem kleinen Plus sicher auch abgewanderte FDP-Wähler dabei sein werden. Ein anderer Teil wandert sicherlich von der SPD zur Linkspartei (SED, PDS, Linkspartei, Die Linke) ab, die von 4,9 auf 7 Prozent angestiegen ist.
Die zwei großen Gewinner: Grüne und AfD
Ganz viele Sozi-Wähler würden derzeit aber zu einer anderen Partei abwandern: zu den Grünen. Diese können sich enorm verbessern von 6,4 auf 12 Prozent, ein Plus von 5,6 Punkten. Einen ähnlichen Trend, wenngleich nicht so extrem, sehen wir bundesweit. Hier könnten sich Bündnis 90/Die Grünen um etwa 3 Punkte verbessern, von 8,9 auf ebenfalls ca. 12 Prozent. In NRW sind die Grünen damit der ganz große Gewinner der letzten 12 Monate.
Aber es gibt noch einen weiteren großen Gewinner: die AfD. Nordrhein-Westfalen ist eigentlich ein eher schwieriges Terrain für die Alternative für Deutschland. Gleichwohl liegt sie hier inzwischen bereits auf Platz 3, gleichauf mit den Grünen. Seit letztem Jahr stieg die AfD um 4,6 Punkte von 7,4 auf 12 Prozent. Bezogen auf die Anzahl der Stimmen entspricht dies einem Plus von über 60 Prozent.
Die Ergebnisse im Überblick
- CDU: 35 %
- SPD: 22 %
- AfD: 12 %
- GRÜNE: 12 %
- FDP: 9 %
- LINKE: 7 %
- Sonstige: 3 %
Gewinne und Verluste gegenüber der Landtagswahl im Mai 2017
- GRÜNE: + 5,6 %
- AfD: + 4,6 %
- LINKE: + 2,1 %
- CDU: + 2 %
- Sonstige: – 0,7 %
- FDP: – 3,6 %
- SPD: – 9,2 %
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Zum Autor: Jürgen Fritz studierte in Heidelberg Philosophie, Erziehungswissenschaft, Mathematik, Physik und Geschichte für das Lehramt. Nach dem zweiten Staatsexamen absolvierte er eine zusätzliche Ausbildung zum Financial Consultant unter anderem an der heutigen MLP Corporate University. Er arbeitete etliche Jahre als unabhängiger Finanzspezialist. Außerdem ist er seit Jahren als freier Autor tätig. 2007 erschien seine preisgekrönte philosophische Abhandlung „Das Kartenhaus der Erkenntnis – Warum wir Gründe brauchen und weshalb wir glauben müssen“ als Buch, 2012 in zweiter Auflage. Seit 2017 betreibt er schwerpunktmäßig seinen Blog JÜRGEN FRITZ.
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