Oder : Let’s be friends . Freundlicher Journalismus und Politik. Ein Gastbeitrag von Josef Hueber
Nein, um falsche oder weggelassene Zeichensetzung geht es in der Überschrift nicht. Gemeint ist der Verzicht auf investigative Stiche des gegenwärtigen Mainstream-Journalismus, dessen Ziel es ist, eine harmonische Atmosphäre während der Befragung von Politikern zu erzeugen, so dass man sich von den Befragten mit dem freundlichen und beidseitigen „Dankeschön“ verabschieden kann. Dann nämlich ist das politisch und sozial korrekte Interview im deutschen Wohnzimmer als gut verdauliche Kost angekommen.
Nun gibt es sicher Interviewpartner, die es verdienen, dass man ihnen empathisch-wohlwollend begegnet. Wer würde schon im Gespräch einem KZ-Überlebenden in Angriffshaltung gegenübertreten? Doch Ausnahmen beharren auf der Regel.
Politiker verdienen grundsätzlich Skepsis und müssen grundsätzlich hochnotpeinlich befragt werden. Denn Sie sind in erster Linie keine Opfer, sondern Menschen wie Du und Ich, die ständig der Versuchung ausgesetzt sind, ein klein wenig weniger als zu 100% von Altruismus geleitet zu sein. Sprich: vorrangig Interesse am Machterhalt und deswegen dem Verschweigen eigener und ihrer Parteipolitik Schwächen zu haben. Und hier zeigt die Beobachtung journalistischer Tätigkeit in den öffentlich-rechtlichen Medien den Verrat des journalistischen Ethos’: Dienst an der Wahrheitsfindung im Interesse des Ganzen.
Die Gang-und-gäbe-Fragen an die freundlich befragten Politiker (Ausnahme AfD!) stellen meist keine wirkliche Behinderung bei deren berufsbedingt zu unterstellender Glättungsabsicht oder gar Verbiegung von Sachlagen dar.
Die heute unter „Dsch“ournalisten üblichen Fragestellungen dienen eher dem Ziel, eine zunehmend durch radikal veränderte Lebensrealitäten verstörte deutsche Öffentlichkeit mit sedierenden Antworten zu bedienen.
Dies geschieht entweder mittels der plumpen Technik von Suggestivfragen, aber auch durch die Ausblendung von Fragen bzw. nahe liegenden Anschlussfragen. Die eigentlich aufklärerische Aufgabe der Journalisten wird so verkehrt in eine therapeutische, ähnlich der Harmonie ermöglichenden Wirkung von Beruhigungsmitteln. Dies ist offensichtlich das neue Selbstverständnis der regierungsergebenen Medien.
Eine Lehrveranstaltung dazu, für den zukünftigen „kritischen“ Journalisten, kann das bekannte Interview von Anne Will mit der Kanzlerin aller in Deutschland neu Willkommenen und auch schon länger hier Lebenden, bedingt Willkommenen, sein.
Das Thema des Abends setzt die erweiterte Frage der Sendung: „Deutschland gespalten, in Europa isoliert. Wann steuern Sie um, Frau Merkel?“ Klingt zunächst kritisch-provokativ. Denn im Grunde sind diese Sätze keine bloßen spielerischen Thesen, sondern die Konstatierung einer nicht zu leugnenden Realität und einer unverzichtbaren Forderung an Merkel.
Die Frohe Botschaft am Ende des Interviews wird jedoch leider vorab geahnt und schließlich bestätigt. Die Kanzlerin geht gestärkt hervor. Sie steht in ihrer (wohl durch ihre DDR-Erfahrungen und DDR-Tätigkeiten in der FDJ propagandistisch geschulten Manövrierfähigkeit) für eine gesicherte Zukunft aller in Deutschland lebenden Menschen. Die Probleme (in die sie Deutschland gestürzt hat) können gelöst werden. Wir brauchen Geduld, eine radikale Umkehr ist nicht nötig, lediglich eine Art neue Kalibrierung.
Die nach dem von Anne Will initiierten, weil nicht spontan einsetzenden Begrüßungs-Applaus geschmeichelte Kanzlerin hätte man im Laufe des Interviews aus ihrer Komfortzone durch eine einzige unbequeme Frage herausholen können:
„Warum, Frau Bundeskanzlerin, haben Sie die Grenzen Deutschlands ohne Notwendigkeit geöffnet und mit dieser Fehlentscheidung unserem Land größte soziale und finanzielle Probleme zum Schaden der Bevölkerung und deren Nachkommen gebracht?“
Dies mag sich mancher Zuschauer gefragt haben. Gestellt wurde die Frage nicht.
Eine in der Manipulation der öffentlichen Meinungslenkung bekannte und erfahrene historische Figur formulierte es so:
„Der deutsche Journalist schöpfte schon aus seinem eigenen Instinkt die Aufgaben, die in den kritischen Situationen für ihn nun erwuchsen und entstanden.“
Die Erfahrung mit großen Teilen des die „ Demokratie sichernden“ deutschen Journalismus heute lässt leider befürchten, dass diese Diagnose an Aktualität nichts eingebüßt hat.
Der Verfasser der Aussage war Joseph G.