Sonntag, 17. November 2024

Der demographische Suizid ist das Ergebnis der Zerstörung der Familie

Ein Gastbeitrag von Adrian F. Lauber

 

Dass Europas Selbstzerstörung heute eine realistische Option ist, liegt in erster Linie an den Europäern selbst. Es ist immer leichter, auf andere – z. B. auf muslimische Migranten – zu zeigen.

Gewiss, diese zügellöse Einwanderung stellt eine Bedrohung für das zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa dar. Dafür bedanken können wir uns bei unserer politischen Führung, die offenbar nicht daran interessiert ist, dieses Land (bzw. diesen Kontinent), seine Identität und seine Werte zu verteidigen.

Aber diese Einwanderung müsste uns vielleicht nur halb so viel Sorgen machen, wenn die Europäer nicht gerade dabei wären, eine Art demographischen Selbstmord zu begehen.

Über lange Zeit verharrte die Geburtenrate in Deutschland bei durchschnittlich 1,3 Kindern pro Frau. (2,1 wären nötig, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten) Bei unseren Nachbarn sieht es größtenteils ähnlich aus.

Inzwischen dauert dieser Zustand schon so lange an, dass sich eine Alterung und Schrumpfung der einheimischen Populationen nicht mehr abwenden lassen. Ein Kind kann zahlenmäßig eben nur einen seiner Eltern ersetzen und nicht beide.

Das allein wäre nicht automatisch existenziell bedrohlich, wenn nicht gleichzeitig eine Masseneinwanderung aus islamischen Ländern stattfinden würde, deren Bevölkerungszahlen explodieren.

Aber selbst wenn es gelingt, die Masseneinwanderung und den schleichenden Bevölkerungsaustausch zu stoppen – was durchaus möglich ist –, wäre damit die existenzielle Krise der Europäer nicht gelöst.

Das demographische Problem bliebe ja trotzdem bestehen – worauf soll das eigentlich hinauslaufen? Auf eine Population, die irgendwann einmal zu 40, 50, 60, 70 Prozent aus Rentnern besteht und die so langsam ihrem endgültigen Ende entgegen vegetiert – versorgt hauptsächlich von Robotern, weil die relativ wenigen jungen Leute genug anderes um die Ohren haben und nicht mit den Belangen der vielen Senioren behelligt werden wollen?

Ein Science-Fiction-Szenario, könnte man meinen. Aber mir scheint, völlig abseitig ist es nicht. In mancher deutschen Gemeinde kommt man sich ja heute schon vor wie im – pardon – Freiluft-Seniorencenter – besonders, wenn man sie mit dem Straßenbild in so manchem asiatischen Land vergleicht, das von jungen Leuten dominiert ist.

Alternde Gesellschaft verlieren ihre Vitalität und ihren Willen zur Selbstbehauptung. Ich will den Alten damit nicht zu nahe treten, von denen sehr viele äußerst vital und aktiv sind, aber tendenziell ist es nun einmal so, dass die Älteren doch nach einem arbeitsreichen Leben eher ihre Ruhe haben und nichts großes Neues mehr auf die Beine stellen wollen – zumal man mit 70, 80 einfach nicht mehr in derselben körperlichen Verfassung ist wie mit 30. Man will lieber noch etwas entspannen und genießen, ein bisschen die Früchte der eigenen Arbeit ernten. Das ist verständlich und völlig legitim.

Die Überalterung einer Gesellschaft macht sich ab einem gewissen Punkt bemerkbar. Irgendwann gehen der Gesellschaft Wagemut und Lebenskraft verloren – zumal irgendwann selbst für elementare Aufgaben nicht mehr genug Nachgeborene zur Verfügung stehen.

Ich stelle mir zum Beispiel vor, wer in einer Seniorengesellschaft eigentlich noch die Polizei und die Armee und den Grenzschutz stellen soll. Wer macht das? Die paar jungen Hanseln, die in Europa dann noch übrig sind (von denen ja wiederum nur ein Teil bereit wäre, sich für solche Aufgaben zur Verfügung zu stellen), sehen ziemlich alt aus gegen die Massen von Jungmännern, die in der islamischen Welt nachwachsen und von denen sich viele gerne hier niederlassen wollen. (Und durchaus bereit sind, sich ggf. mit Gewalt Zutritt zu verschaffen, wie man bereits mehrfach mitverfolgen durfte …)

Selbst wenn es vorerst gelingt, die Masseneinwanderung zu stoppen: sofern nicht auch das demographische Problem gelöst wird, wird der Selbstmord Europas damit nur verzögert und nicht verhindert. Der Grenzschutz löst nur ein Problem, aber keineswegs schon die zivilisatorische Krise dieses Kontinents.

Die demographische Krise ist das Ergebnis der Zerstörung der Familie. Man schimpft gern auf Moslems, weil die ja so viele Kinder in die Welt setzen, aber was können sie eigentlich dafür, dass den indigenen Europäern Familienwerte inzwischen, auf Gutdeutsch gesagt, am Arsch vorbeigehen?

Über die Gründe dafür kann ich nur mutmaßen. Ich schreibe einige Gedanken dazu nieder und vielleicht erfasse ich ja auch etwas richtig.

Ich vermute, folgende Faktoren spielen eine Rolle:

1.) Das Absterben der Religion: Das Christentum bedeutet in weiten Teilen Europas nur noch Folklore. Dass die Kirchen sich zu Vollstreckern der links-grünen Open-Border-Ideologien und zu Fürsprechern des Islam (Papst Franziskus!) gemacht haben, macht die Sache auch nicht besser. Es bestätigt vielmehr, dass die Überlebenschancen für das Christentum in unseren Breiten gering sind. (In Amerika sieht das noch etwas anders aus.) Ich selbst bin als nicht-religiöser Mensch ein Paradebeispiel für diese Entwicklung. Warum auch immer, aber es ist nachweisbar, dass religiöse Menschen wahrscheinlicher eine kinderreiche Familie gründen werden als nicht-religiöse. Vielleicht hat es damit zu tun, dass religiöse Menschen noch eher das angeblich göttliche Gebot „Seid fruchtbar und mehret Euch“ beherzigen, was weiß ich?

2.) Ein kühler Blick auf die Welt: Wenn man die Welt absolut kalt und trocken betrachtet, kann man sich sagen: Ich bin dann und dann geboren, dann und dann werde ich sterben. Was kümmert es mich, was vor mir war und was nach mir kommt? Lass ich’s mir doch einfach gutgehen, solange ich lebe, und verzichte ich auf so eine große Verantwortungslast, wie sie die Familie eben auch ist. Im Grunde ist der Glaube, eine Ahnenreihe gebührend fortsetzen zu müssen, ja durchaus irrational, das gestehe ich zu. Kein Hahn kräht danach, wenn eine Familie oder sogar ein ganzes Volk ausstirbt. Dieser Planet dreht sich trotzdem weiter. Gegen diese Logik fallen mir gar keine rationalen Argumente ein, nur emotionale: viele Familienfeinde könnten eines Tages – wenn es zu spät ist – ihre Lebensentscheidung bereuen, wenn ihnen ganz plötzlich auffällt, wie einsam es um sie geworden ist; wenn ihnen bewusst wird, dass sie sterben werden, ohne in Gestalt von Kindern dieser Welt ein Erbe zu hinterlassen.

3.) Infantilisierung: Ich habe mich manches Mal gefragt, ob ich mir das nur einbilde, aber da ich inzwischen mehrere Texte von Leuten gelesen habe, denen das auch aufgefallen ist, meine ich, dass ich mit meiner Wahrnehmung nicht völlig daneben liege. Ich habe den Eindruck, dass diese Gesellschaft furchtbar infantil geworden ist. Menschen, die um die 30 sind, benehmen sich vielfach noch immer wie Teenager. Sie kleiden sich kindlich, sie pflegen kindliche Hobbys, manchmal sogar eine kindliche Sprache. Woran das liegt, kann ich nur vermuten. Vielleicht sind diese Menschen durch den großen Wohlstand dieser Gesellschaft einfach so massiv verwöhnt worden, dass ihnen ein Leben als reifer, verantwortlicher Erwachsener gar nicht mehr zumutbar erscheint. Also versuchen sie, die eigene Kindheit künstlich zu verlängern. Dass man dann auf die Gründung einer Familie verzichtet oder sie solange vor sich her schiebt, bis die biologische Uhr der Frau ausgetickt hat, ist konsequent. Wer selber zumindest im Geiste ein Kind, frei von überschüssigen Verantwortungslasten, sein will, der wird sich doch nicht eine enorme Verantwortung wie die Fürsorge für Nachwuchs aufbürden!

4.) Die Illusion, alles haben zu können: viele Menschen reden sich ein, sie könnten ohne Abstriche alles aus dem Leben rausholen: eine glänzende Karriere ohne jeden Knick, dazu noch ein erfülltes Familienleben und als Sahnehäubchen oben drauf auch noch ein ordentliches Pensum Zeit für sich allein. Tatsache ist aber, dass einen so perfekten Lebenslauf kaum irgendjemand auf die Reihe bekommt. Der Glaube, alles haben zu können, ist eine Illusion. Gerade die Gründung einer Familie erfordert natürlich in Sachen Geld, in Sachen Freizeit und unter Umständen auch in Sachen Karriere deutliche Abstriche. Man muss bereit sein, Opfer zu bringen und Verantwortung zu übernehmen. Aber wie soll man das dem armen Hascherl zumuten, das bisher so verwöhnt worden ist?! (Siehe Infantilisierung) Schon die Aussicht, ein Zimmer mit irgendwem teilen zu müssen, kann ihm als unerträgliche Schikane erscheinen.

Ne, ne, ne! Ehe man zugibt, dass einem das wahre Leben Abstriche abverlangt, scheut man lieber jede Festlegung und schiebt alles vor sich her, weil man sich so viele Optionen wie nur möglich offen halten will. Nur irgendwann sind Chancen, die einmal da waren, vertan.

5.) Unrealistische Wunschvorstellungen: Liegt es darin, dass man heutzutage wie am Fließband Liebesschnulzen in Buch- oder Film-Format serviert bekommt? Ich weiß es nicht, aber mein Eindruck ist, dass viele Menschen heute völlig unrealistische, viel zu hoch gesteckte Erwartungen an Ehe und Familie haben. Sie scheinen zu glauben, sie hätten so etwas wie ein Menschenrecht auf immerzu harmonische, wundervolle Zustände in ihrem Leben. Kaum gibt es Probleme, wird die Ehe oder Beziehung flugs beendet und der Partner wie ein Kleidungsstück ausgetauscht – nur um dann festzustellen, dass der nächste genauso wenig perfekt ist und dass es mit dem früher oder später auch Konflikte geben wird.

Früher war nicht alles besser. Früher kannten die Leute dieselben Probleme wie heute auch und noch schlimmere obendrein. Aber heute, so scheint es mir, lassen sich viele Leute von den Problemen, die es im Zusammenleben unweigerlich gibt, ganz schnell ins Bockshorn jagen und schmeißen alles hin. So werden Familien auseinander gerissen – die Leidtragenden sind die Kinder – oder gar nicht erst gegründet.

Das alles hängt wohl wiederum damit zusammen, dass viele Menschen heute infantil und verwöhnt sind. (Siehe oben) Sie lernen es gar nicht erst, mit Problemen umzugehen, und kneifen, sobald sich welche auftun. Sie lernen außerdem nicht, dass ihnen manches im Leben von einem Partner gar nicht gegeben werden kann, dass sie zu ihrem Glück also selbst auch etwas tun müssen.

6.) Lernen durch „Vorbild“: Ist ein Mensch erst einmal bindungsunfähig oder unfähig, Verantwortung für eine Familie zu übernehmen, kann das Problem auch an die kommenden Generationen weitergegeben werden. Menschen, die aus zerrütteten Familien stammen, werden nicht zwangsläufig, aber regelmäßig selbst zu miesen Eltern, die die nächste Generation mit versauen und so weiter und so fort.

7.) Der Krieg gegen die Tradition: Eine Rolle spielt wohl auch der propagandistische Feldzug links-grüner Ideologen, etwa der Third-Wave-Feministen, gegen die traditionelle Familie. Nicht zuletzt gegen die Männer. In meiner Kindheit war es glücklicher Weise noch nicht so, aber wenn ich mir heute anschaue, was Kindern in der Schule oder in Filmen vielfach vermittelt wird, dann schätze ich mich glücklich, noch früh genug geboren zu sein, um die schlimmsten Auswüchse der Politischen Korrektheit nicht mehr am eigenen Leib erfahren zu müssen. Unterschwellige oder manchmal ganz offene Familienfeindlichkeit ist nichts Besonderes mehr. Es fängt ja schon mit der wirren Gender-Mainstreaming-Ideologie an, die uns weis machen will, es gäbe 32 oder 50 oder wie viele Geschlechter auch immer. Nun ist es völlig unstrittig, dass es Minderheiten in dieser Gesellschaft gibt, Homosexuelle, Transsexuelle etc., und selbstverständlich sollen sie nach ihrer Facon leben. Mein Problem ist, dass zahlreiche Gender-Ideologen es nicht dabei belassen, sondern die Identitäten der Mehrheit negieren. Sie wollen die Familie und die Identitäten von heterosexuellen Männern und Frauen kaputt machen. Judith Butler zum Beispiel behauptet sinngemäß, von Natur aus seien eigentlich alle schwul oder lesbisch, das heterosexuelle Paar mit Kindern würde demnach zu einem künstlichen Konstrukt.

Männer sind heutzutage das Lieblingsfeindbild der Gender-Gesellschaftsingenieure. Auch das hat zur Zerstörung der Familie beigetragen. Nein: ich wünsche mir nicht das Patriarchat zurück, aber ich frage, warum man eigentlich von einem Extrem ins nächste verfallen muss und heutzutage viele Männer zu verweichlichten, feminisierten Hipster-Nancyboys verzieht, damit sie nur ja nicht mehr dem entsprechen, was früher als archetypisch männlich galt.

Sind die Frauen damit glücklicher? Glaube ich nicht so recht, denn sonst würde man nicht immer wieder Wehklagen hören, wo denn die „richtigen Männer“ geblieben seien.

Die „Schmerzensmänner“ (Die Zeit) von heute können das andere Geschlecht nicht so recht für sich begeistern. Eher landen sie in der Nur-ein-guter-Freund-Schublade und kommen da nie wieder raus. So ziemlich die schlimmste Demütigung, die man(n) erfahren kann.

Solche gebrochenen Typen sollen einmal selbstbewusste Familienväter werden?

Etwas ganz anderes nur um Rande: was haben diese Zartbesaiteten eigentlich Männern entgegen zu setzen, die aus einem Kulturkreis hierher kommen, in dem sie völlig anders sozialisiert worden sind, bei denen es noch ganz normal ist, sich mit den Fäusten auseinander zu setzen, um einen Konflikt zu lösen? Ich bezweifle, dass der hiesige „moderne Mann“ mit Dutt, gepuderter Nase und gezupften Augenbrauen in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen oder die Frauen dieses Landes vor Übergriffen zu schützen, wie sie etwa zu Silvester 2015 und bei zahlreichen weiteren Gelegenheiten stattgefunden haben …

Aber nicht nur Männer sind ein Feindbild heutiger Gender-Ideologen. Frauen sind es auch – nämlich dann, wenn sie doch tatsächlich die Stirn haben, ihrer Familie die höchste Priorität in ihrem Leben einzuräumen.

Eine Frau, die das tut, kann sich fest darauf verlassen, in vielen Medien ausgegrenzt, verhöhnt, als „Heimchen am Herd“ beschimpft und verachtet zu werden. Als ob die Mutterschaft etwas wäre, für das man sich gefälligst zu schämen hat.

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Grenzschutz lässt sich, wenn man denn nur will, relativ schnell organisieren. Aber die Probleme dieser Gesellschaft, die zur Zerrüttung von Familienwerten und zur demographischen Selbstzerstörung geführt haben, sind nicht über Nacht zu lösen. Dahinter steht ein jahrzehntelanger Entwicklungsprozess und wer weiß, wie lange es dauern würde, den angerichteten Schaden zumindest einigermaßen in den Griff zu bekommen?!

Umso dringender muss was passieren, ehe es zu spät ist. Es geht ja nicht einfach nur um den Fortbestand dieser Zivilisation, sondern auch um die Frage, ob es in der Gesellschaft der Zukunft überhaupt noch Familienwerte, Wärme und Zusammenhalt geben wird oder ob ihre bestimmenden Merkmale Egoismus, Gleichgültigkeit und Vereinsamung sein werden.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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