Sonntag, 24. November 2024

Der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern ist nicht die Ursache für die Probleme des Orients

Ein Gastbeitrag von Adrian F. Lauber

Im Rahmen einer neuen außenpolitischen Agenda, die in Kürze vorgestellt werden soll und das schon im Wahlkampf verkündete Motto „America First“ zum Leitsatz erhebt, wird die Trump-Administration laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Associated Press und anderer Medien u. a. offiziell bekräftigen, dass der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern nicht die Ursache für die Probleme des Orients ist. (1)

Ähnlich wie zu Trumps Jerusalem-Entscheidung kann ich dazu nur sagen: Das war überfällig. Hinzu fügen möchte ich ein „Endlich sagt’s mal einer!“

Über Jahre hat man der Öffentlichkeit eingeredet, dass dieser Konflikt das zentrale Problem des Nahen und Mittleren Ostens sei.

Wenn nur endlich die Sache mit den Palästinensern in Ordnung gebracht würde, würde schlagartig die Wirtschaft in Ägypten boomen, die Saudis würden aufhören, Homosexuelle hinzurichten, in Afghanistan würde man endlich mal einsehen, dass es vielleicht gut und gerecht wäre, Mädchen zur Schule gehen zu lassen, und im Iran würde ein großes Friedensfest unter dem Motto „All you need is love“ gefeiert.

Das ist natürlich persifliert. Man nehme nicht die Schale, aber dafür den Kern wörtlich. Viele Medien und Politiker wollten uns weis machen, dieser eine Konflikt sei die Ursache für die Unruhen und das Chaos in der islamischen Welt – und vielfach wurde einfach nur unkritisch die Propaganda muslimischer Führer übernommen, die ihre ganz eigenen Motive haben, sich derart obsessiv mit Israel zu beschäftigen.

Ich schrieb es schon mehrmals und wiederhole es:

Israel ist ein sehr kleiner Staat, kleiner als der viertkleinste US-Bundesstaat New Jersey und nicht viel größer als das deutsche Bundesland Hessen. Israel ist ein Winzling im Vergleich zum Ausmaß der islamischen Welt.

Der Journalist Fred Maroun schreibt:

„Israel (einschließlich der annektierten Golanhöhen und Ostjerusalem) entspricht nur 19% des britischen Mandatsgebiets Palästina (das Jordanien mit einbezog), auf dem Grossbritannien im Jahr 1924 versprach, eine ‘jüdische Heimstatt‘ aufzubauen. Israel ist so klein, dass es 595-mal vervielfältigt werden müsste, um die gesamte arabische Welt auszufüllen.“ (2)

Die umstrittenen Gebiete sind 6.831 Quadratkilometer groß. Daran hängt der Frieden im Orient oder gar der Weltfrieden? Setzt das mal ins Verhältnis zu den zahlreichen Kriegen, Bürgerkriegen, Besatzungen und ethnischen Säuberungen, die rund um die Welt stattfinden!

Das Magazin Foreign Policy veröffentlichte im Januar die Top Ten der aktuellen bewaffneten Auseinandersetzungen, die aufgrund ihrer Opferzahlen, ihrer Reichweite und weiterer Kriterien unsere Aufmerksamkeit am dringendsten verdienen. So viel nehme ich vorweg: Der Israel-Palästina-Konflikt taucht in dieser Rangliste gar nicht erst auf. An der Spitze steht stattdessen der Krisenherd in Syrien und dem Irak, wo seit Beginn des Syrien-Krieges (2011) schätzungsweise 500.000 Menschen getötet worden sind. (3)

Ich vermeide es übrigens ganz bewusst, den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern noch als „Nahostkonflikt“ zu bezeichnen, weil allein dieses Wort Ausdruck der völlig irrigen Vorstellung ist, dieser Konflikt sei das zentrale Problem der gesamten Region. Ich spreche lieber von „Israel-Palästina-Konflikt“ oder behelfe mir mit anderen Ausdrücken.

Die obsessive Fokussierung muslimischer Führer auf Israel hat aus meiner Sicht vor allem zwei Gründe:

1.) Den in der islamischen Welt grassierenden Judenhass – und daraus resultierend der Unwille, die Existenz des jüdischen Staates zu akzeptieren. So erkläre ich mir auch, warum arabische Länder bis heute, siebzig Jahre nach dem israelisch-arabischen Krieg von 1948/49, damals geflohene Palästinenser, deren Kinder, Enkel und Urenkel im Status von Flüchtlingen halten und sich weigern, sie bei sich zu Hause zu integrieren, obwohl man meinen könnte, dass arabischen Ländern durchaus zuzumuten wäre, ihre arabischen Brüder und Schwestern bei sich aufzunehmen. Ich schrieb bereits darüber, dass nur für palästinensische Flüchtlinge besondere Maßstäbe gelten, dass sogar die Nachfahren – die gar nicht geflohen sind – als Flüchtlinge zählen, so dass die Gesamtzahl immer größer wird, obwohl der Krieg immer länger zurückliegt. Mittlerweile gibt es über 5,2 Millionen Personen, die beim zuständigen UN-Hilfswerk (UNRWA) als palästinensische Flüchtlinge registriert sind, aber die Mehrheit dieser Menschen sind in Wirklichkeit Kinder, Enkel und Urenkel von Flüchtlingen. Indem man auf dem so genannten Rückkehrrecht all dieser Menschen beharrt, sagt man eigentlich nur verklausuliert, dass man den Staat Israel demographisch unterwandern und zerstören will. Würden all diese Menschen nach Israel / Palästina geschickt, würden die Juden nicht sofort, aber bald zur Minderheit im eigenen Land. (4)

2.) Den Umstand, dass sie ungeheuer praktisch ist. Man kann so ziemlich für alle Übeln der Region Israel verantwortlich erklären und die muslimischen Führer können jederzeit von ihrem eigenen Versagen ablenken. Es könnte uns allen ja so gut gehen, wenn das verfluchte Palästina-Problem nicht wäre!

Natürlich ist die Palästina-Frage ein ernstes Problem. Aber erstens sollte man die Verhältnismäßigkeit wahren, wenn man darüber spricht und schreibt. Zweitens sollte man nicht verschweigen, dass Israel ernsthafte Anstrengungen zur Lösung des Konflikts unternommen hat, während die angeblich moderate palästinensische Führung um Mahmud Abbas sich einer Lösung verweigert, nicht mit Israel verhandelt und nicht einmal die moderatesten Friedensbedingungen des israelischen Premierministers Netanjahu – wie die Anerkennung Israels als Nationalstaat des jüdischen Volkes – erfüllen will.

So langsam dämmert es angesichts von Bürgerkriegen und dschihadistischem Terror endlich dem einen oder anderen, dass die althergebrachte Perspektive auf die Probleme der Region möglicher Weise fehlerhaft war. Auch der eine oder andere arabische politische Führer fängt ganz langsam an, umzudenken, und merkt, dass der dschihadistische Terror und das Großmachtstreben des Iran für ihn echte Gefahren darstellen, im Gegensatz zu Israel.

Ich glaube zwar nicht recht daran, dass der starke Judenhass in der islamischen Welt in absehbarer Zeit spürbar zurückgehen wird, aber es ist immerhin besser als gar nichts, dass politisch einflussreiche Araber endlich von dem Ziel, Israel zu zerstören, abrücken und anfangen, den jüdischen Staat mit anderen Augen zu sehen – etwa als möglichen strategischen Partner zur Eindämmung des iranischen Expansionismus. (5)

Quellen:

1. The Times of Israel, 18.12.2017: „Trump’s new doctrine to say Israel not the cause of Mideast problems“ by AP and Times of Israel Staff https://www.timesofisrael.com/trumps-new-doctrine-to-say-israel-not-the-cause-of-mideast-problems/

2. Gatestone Institute, 30.8.2016: Fred Maroun: „Araber müssen ein neues Kapitel mit Israel anfangen“ https://de.gatestoneinstitute.org/8823/araber-verhaeltnis-israel

3. Foreign Policy, 5.1.2017: „Ten Conflicts to Watch in 2017“ https://foreignpolicy.com/2017/01/05/10-conflicts-to-watch-in-2017/

4. Siehe meinen Artikel „Don’t back down, Mr President“ und die beigefügten Quellen

5. Siehe meine Artikel „Baschar al-Assad – ich muss meine Meinung ändern“, „Saudis gegen Ayatollahs“, „Arabiens ehrgeiziger Prinz“, die Nahost-Updates und die beigefügten Quellen

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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