Ein Gastbeitrag von Daniel Schweizer
Die Jamaika-Sondierungen sind gescheitert. Nun stellt sich die Frage nochmals neu, von wem wir die nächsten vier Jahre regiert werden. Noch sind vorerst viele formelle Fragen zu klären, bevor Inhalte wieder in den Vordergrund rücken. Nichts desto trotz stellt sich die wichtigste Frage verantwortungsvoller Politik an Inhalten.
Zweifellos wird die Einwanderungspolitik derzeit am meisten über die Existenz Deutschlands entscheiden. Und dennoch dürfen andere existenzielle Themen auch nicht untergehen, darunter die Familienpolitik.
Wird das elterliche Erziehungsrecht nach Artikel 6 des Grundgesetzes bald nur noch auf dem Papier stehen? Weil die finanziellen und schulpolitischen Rahmenbedingungen Eltern dazu zwingen, ihr Kind in Kita und Ganztagsschule der staatlichen – womöglich indoktrinierenden – Erziehung zu überlassen? Oder werden wichtige Entscheidungen noch die Wahlfreiheit der Eltern bleiben: „In welchem Rahmen möchten wir uns dem Beruf, in welchem Rahmen den Kindern widmen?“; „Wollen wir überhaupt für unser Kind einen Kita-Platz in Anspruch nehmen?“; Soll unser Kind ganztags oder nur vormittags die Schule besuchen?“
Demletzt war mein Gastbeitrag über meinen CDU-Austritt zu lesen. Aber egal wie man zu den künftigen Regierungsparteien steht, gilt es, sie in die Pflicht zu nehmen. Auch für eine Familienpolitik gegen die Benachteiligung von Vollzeitmüttern. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, so müssen parlamentarische und außerparlamentarische Opposition umso lauter werden. Mit der AfD gibt es jetzt glücklicherweise im Bundestag eine echte parlamentarische Opposition, die gerade hier zugunsten der Eltern eintritt.
Nicht ohne Grund kritisierte ich letztes Jahr in drei Gastbeiträgen den Feldzug linker Parteien gegen traditionelle Familien: „Schluss mit den linken Feldzügen gegen traditionelle Familien!“ , „Elternkompetenz, keine staatliche Lufthoheit über die Kinderbetten!“ und „Der linke Feldzug mit Geld und Ganztagesschulen gegen die traditionelle Familie“. Auch der prominente Jugendforscher Martin Voigt zeigte mit seinem Beitrag „Wie die Genderideologie Ehe und Familie zerstört“ die Problematik linker „Familienpolitik“ auf – mit dem besonderem Augenmerk auf das Kindeswohl und die Cortisolwerte im Speichel von Kindern als Indiz für erhöhten Stress.
Die Leserreaktionen auf diese Beiträge zeigten: Es ist vielen Menschen ein Anliegen, dass der Staat mehr Erziehung den Eltern selbst überlassen und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen muss. Aber wirklich Entscheidendes bewegt hat die Politik seither nicht. Umso wichtiger ist es, als Bürger vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen und durch Meinungsäußerung den Staat an seine Pflicht zu erinnern. Gerade jetzt, wenn eine neue Regierung gebildet werden muss.
Sich gegen die Benachteiligung von Vollzeitmüttern auszusprechen zeichnete einst die Unionsparteien aus. Vor allem auf den Wunsch der CSU wurde 2012 das Betreuungsgeld beschlossen. Jeder von Ihnen erinnert sich sicher daran, welche in Teilen diffamierenden Feldzügen damals linke Gegner führten – etwa mit Begriffen wie „Herdprämie“. Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Leistung zur Gesetzgebungskompetenz der Länder erklärte, reagierte lediglich eines davon angemessen: nämlich Bayern. Es führt das Betreuungsgeld auf Landesebene fort. In den anderen Bundesländer wird das Betreuungsgeld leider nicht fortgeführt, auch nicht in denen, in denen die – bekanntlich entkernte – CDU regiert.
Unter anderem wegen dieser Unterschiede konnte einst noch die CSU durchaus als Hoffnungsträger wahrgenommen werden. Und es ist umso bedauerlicher, dass sich der brüllende Löwe aus dem Freistaat Bayern vor allem in der Asylpolitik als zahnloser Tiger gegenüber Mutti Angie erweist.
In der letzten Großen Koalition konnte die CSU immerhin noch die Verbesserung der Mütterrente durchsetzen. Insbesondere zugunsten der im Rentensystem benachteiligten Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Auch dieses Mal hat die CSU wieder eine Verbesserung der Mütterrente versprochen. Wird sie dies auch in einer neuen Regierung durchsetzen wie 2013? Oder wird sich der bayerische Löwe hier wieder als der zahnlose Tiger erweisen, der Mutti aus der Hand frisst?
Herr Seehofer, falls letzteres eintreffen würde: So unkommentiert bleibt Ihr Einknicken nicht, weil Ihnen im höchsten deutschen Parlament mit der AfD glücklicherweise eine echte Opposition auf die Finger schauen wird.
Zurecht verwies Birgit Kelle darauf, dass die Anrechnung von Erziehungszeiten bei der Rente kein Gnadenakt, sondern viel mehr die Pflicht des Staates ist:
„Gut ist es erst dann, wenn Mütter eine anständige Rente bekommen dafür, dass sie die Rentenzahler von morgen großziehen.“
Und weiter:
„Wir müssten dafür sorgen, dass Eltern, die Zeit, die sie in die Kinder investieren, nicht als Minus, sondern als Plus in der Rente zurück bekommen. Weil die ganze Gesellschaft davon profitiert, wenn wir als Eltern in unsere Kinder investieren. Und deswegen ist es nahezu eine Unverschämtheit, wie man Mütter, aber auch Väter, behandelt, die doch erst die Erfüllung des Generationenvertrages garantieren, indem sie in das sogenannte „Humankapital“ der Gesellschaft investieren.“
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. In der Tat trifft Birgit Kelle damit den Nagel auf den Kopf: Die Eltern übernehmen große Verantwortung für Menschen, die später in die Rentenkasse einbezahlen. In eine Rentenkasse, aus der auch meine kinderlose Wenigkeit später Rente beziehen wird. Was jetzt nicht abwertend gegen Kinderlose gerichtet sein soll, sonst müsste ich mich selbst abwerten. Aber gerade aus diesem Solidaritätsprinzip ist es umso trauriger, dass Rentenpunkte für Erziehungszeiten in der politischen Debatte so viel Rechtfertigung bedürfen. Und dass sie mit so wenig Selbstverständlichkeit von den politischen Akteuren unterstützt werden. Obwohl Eltern durch Kindererziehung einen gesamtgesellschaftlich so unersetzlichen Beitrag leisten.
Und bevor der Einwand kommt, womit man höhere Mütterrenten finanziert? Ganz einfach, es ist eine Frage der Priorität: Man hat ausgerechnet Geld für eine Vielzahl an schwachsinnigen Genderprojekten und Merkels fragwürdige Asylpolitik übrig. Dann muss es erst recht das Geld wert sein, elterliche Erziehungsleistung bei der Rente angemessen zu honorieren.
Ein ebenfalls sehr wichtiger Punkt ist die Frage der Kleinkindbetreuung. Betreuungsgeld ist ohnehin zur Ländersache erklärt und damit für die neue Bundesregierung vom Tisch. Aber auch das Ehegattensplitting ist Roten und Grünen bekanntlich ein Dorn im Auge. Gerade weil davon im Steuerrecht Familien mit traditioneller Rollenverteilung besonders profitieren. Ohne diese steuerliche Begünstigung könnten sich viele Familien die Entscheidung finanziell nicht mehr leisten, als Eltern zugunsten der Kindererziehung beruflich kürzer zu treten. Linke, Grüne und SPD und leider auch nicht wenige Teile der CDU wollen aber mehr und mehr Gelder in staatliche Kinderbetreuung stecken. Natürlich ist es richtig, die Eltern auch mit Betreuungsmöglichkeiten zu unterstützen, um ihnen berufliche Möglichkeiten leichter zu machen.
Aber es wird unmöglich allen Eltern und Kindern gerecht, einseitig das Modell staatlicher Kinderbetreuung – bereits unter drei Jahren – zu fördern. Damit werden nämlich die vielen Familien benachteiligt, die in dieser frühen Phase ihre Kinder selbst betreuen wollen.
Auch bezüglich der Ganztagsschulen ließen die geplatzten Jamaika-Sondierungen aufhorchen. Offensichtlich hätte man den Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung bei Grundschulkindern durchgesetzt. Klingt zunächst günstig für die Eltern, weil es ihnen einen Rechtsanspruch gewährt. Doch Vorsicht! Haben Eltern dann auch den Rechtsanspruch auf die Wahlfreiheit, den Ganztagesbetrieb NICHT in Anspruch zu nehmen? Der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung könnte so manche kommunalen Schulträger auch dazu veranlassen, einfach die Schule zum verbindlichen Ganztagesbetrieb für alle Schüler auszubauen. In Baden-Württemberg ist zwar immerhin das Recht der Eltern geschützt, ihr Kind in einem anderen Schulbezirk beschulen zu lassen, wenn sie ihr Kind nicht auf der Ganztagesschule haben wollen, die Schule in ihrem Bezirk aber einen verbindlichen Ganztagesbetrieb hat. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall. Was ist aber mit den Eltern, die es sich nicht leisten können, ihr Kind in einem anderen Bezirk einzuschulen? Und dann gegen ihre Überzeugung sich mit der Ganztagesschule zufrieden geben müssen?
Natürlich ist es zu respektieren, wenn Eltern für ihr Kind unter drei Jahren einen Kita-Platz oder für ihr Schulkind einen Ganztagesbetrieb in Anspruch nehmen wollen.
Sei es, weil es ihre berufliche Situation erfordert. Sei es, weil sie überzeugt sind, dass dort ein gutes Angebot für ihr Kind vorzufinden ist. Aber es muss auch mehr das Interesse der Eltern im Auge behalten werden, die weder einen Kita-Platz noch eine Ganztagsschule für ihr Kind wollen. Diese Eltern sind NICHT rückständig oder altmodisch. Nein, sie machen nur konsequent von ihrem in Artikel 6 des Grundgesetzes garantierten elterlichen Erziehungsrecht Gebrauch. Ist es denn altmodisch oder rückständig, von seinen Grundrechten Gebrauch zu machen? Nein! Umso verständlicher ist es, dass viele Eltern freiwillig um ihrer Kinder willen beruflich kürzer treten WOLLEN.
Es ist gut so, dass heute auch Frauen das volle Recht haben, sich beruflich zu verwirklichen. Ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Genauso gut ist allerdings, dass zum Beispiel Birgit Kelle all denjenigen Frauen eine Stimme gibt, die aus persönlicher Freiheit heraus ihr Leben anders verwirklichen wollen, als es ihnen linke Feministinnen aufschwätzen. Die gerne als Mutter für ihre Kinder beruflich kürzer treten, vielleicht sogar Vollzeitmutter sein wollen. Und die weder auf eine rot-grüne Familienministerin noch auf eine rot-grün denkende Familienministerin mit Parteibuch von CDU oder FDP gewartet haben. Die nicht auf eine Familienministerin gewartet haben, die sie aus der Familienarbeit „befreien“ möchte. Auch nicht auf die derzeit noch amtierende SPD-Familienministerin Barley. Die auf das Problem der Armut bei Familien in die Richtung antwortete, man müsse eben beide Eltern arbeiten lassen. Sondern es gibt schlicht und ergreifend Eltern, die gar nicht zu zweit in Vollzeit erwerbstätig sein wollen. Weil sie genügend Zeit für ihre Kinder haben wollen. Und die deshalb für ihr Kind weder einen Kita-Platz noch eine Ganztagesschule möchten.
Nicht zu vergessen: Neben freiwilligen Vollzeitmüttern gibt es auch Väter, die gerne zugunsten von Zeit mit ihren Kindern die Erwerbstätigkeit reduzieren.
Auch deren Anliegen muss ernst genommen werden.
Gerade den Interessen dieser Familien hat eine künftige Regierung endlich mehr gerecht zu werden. Anstatt weiter einseitig die staatliche Kinderbetreuung zu fördern. Aus dem elterlichen Erziehungsrecht nach Artikel 6 im Grundgesetz ergibt sich nämlich auch eine Pflicht des Staates – und somit eine Bringschuld einer künftigen Bundesregierung: Nämlich finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen sich Eltern die freiwillige Entscheidung leisten können, zeitweise nur ein Erwerbseinkommen zu erwirtschaften – um ihrer Kinder willen. Denn nur wenn Eltern diesen finanziellen Freiraum haben, können sie auch selbst entscheiden, in welchem Maße sie sich der Erwerbstätigkeit und in welchem Maße der Kindererziehung widmen. Nur wenn Eltern diese Entscheidung frei treffen können, können sie auch von ihrem Erziehungsrecht in einem Mindestmaß Gebrauch machen.
Sind Eltern aus finanziellen Engpass-Gründen gezwungen, zu zweit in Vollzeit zu arbeiten und ihre Kinder unter drei Jahren in staatliche Betreuung – oder ihre älteren Kinder in die Ganztagsschulen – zu geben, dann existiert das elterliche Grundrecht auf Erziehung nur noch auf dem Papier.
Und deshalb an die künftige Bundesregierung, wer sie auch bilden wird: Kommen Sie dieser Pflicht gegenüber den Familien endlich nach! Steuerlich sind Alleinverdiener-Familien derzeit wenigstens noch halbwegs durch das Ehegatten-Splitting begünstigt. Somit muss dieses unbedingt beibehalten werden. Dessen Ausweitung zum Familien-Splitting – wie schon häufig in öffentlichen Debatten angeregt – wäre überfällig. Bei der Verbesserung der Mütterrente darf die CSU auf keinen Fall einknicken. Noch mehr Investition von Steuergeldern in Kitas wäre in jedem Fall eine einseitige Förderung staatlicher Kindererziehung. Und ist jetzt schon eine Benachteiligung der Eltern, die ihre Kinder unter drei Jahren selbst betreuen wollen. Zum Ausgleich dieser Benachteiligung müssen endlich nach dem Vorbild Bayerns auch die anderen 15 Länder Betreuungsgeld einführen. Und die neue Bundesregierung muss auch auf anderem Wege ihrer Pflicht nachkommen:
Nicht noch mehr Subvention in Kitas! Sondern ALLEN ELTERN so viel Netto vom Brutto zu lassen, dass sie den finanziellen Spielraum für echte Wahlfreiheit haben:
Entweder um von diesem höheren Netto dann auch höhere Kita-Gebühren bezahlen zu können. Oder dieses höhere Netto zu nutzen, um beruflich so kurz treten zu können, dass man gar keinen Kita-Platz braucht. Weil man selbst – zum Beispiel durch einen Alleinverdiener-Haushalt oder andere mögliche Varianten – genügend Zeit für seine Kinder aufbringen kann.
Aber mit der einseitigen Subvention staatlicher Kindererziehung muss endlich Schluss sein.