Montag, 18. März 2024

„Nazi“ – entwertender Missbrauch eines Begriffs

Es gibt Tage, da kann ich drüber lachen, so dumm ist es, von so wenig Geschichtskenntnissen zeugt es. Aber, speziell wenn es keine Mindergebildeten sind, die den Begriff „Nazi“ missbrauchen, dann überwiegt da der Gedanke an die Folgen.
Natürlich, zu allererst ist es verlogen und dumm diesen Begriff sachlich falsch zu nutzen und fällt auf denjenigen zurück, der das tut. Die bloße Instrumentalisierung ist häufig sehr offensichtlich. Wenn der Nutzer etwa bei Antisemitismus, der nicht aus der rechten deutschen Ecke kommt, ganz entspannt bleibt oder ihn vielleicht sogar unterstützt.

Wenn Andere sich bis auf die Knochen blamieren, könnte uns das eigentlich egal sein. Die Folgen sind jedoch schlimm: es erzeugt natürlich eine furchtbare Gewöhnung, eine Banalisierung dieses Begriffs „Nazi“.

Bei Jugendlichen kann man das z.T. schon in der Umgangssprache feststellen, „voll Nazi“ und gemeint ist die Mutter, die auf Hemd in der Hose besteht.

Am Ende dieses inflationären Missbrauchs von „Nazi“ wird das Wort, das früher eine sehr, sehr besondere Bedeutung hatte, völlig sinnentleert, sinnentstellt sein und kein damit Belegter wird es noch Ernst nehmen.

Es wird im Negativen das passieren, was Wowereit mit seinem Bekenntnis „ich bin schwul und das ist gut so“ im Guten bewirkt hat.

Für mich hat der Begriff „Nazi“ mein ganzes Leben lang Bilder von Grauen assoziiert. Die ausgemergelten Gestalten in den Konzentrationslagern, die Bilder zerstörter Städte, die hassverzogene Fratze eines Goebbels im Sportpalast und die entrückten, völlig von jedem eigenen Willen befreiten, Blicke seiner fanatischen, unbelehrbaren Anhänger, bereit ihm noch weiter in den Abgrund zu Folgen. Führer, befiehl, wir ermorden jeden den Du uns zeigst. Und diese Bilder riefen einen Satz hervor: Nie wieder!

Die Anerkenntnis der Deutschen, dass ihre Geschichte durch ein furchtbares Schreckensregime besudelt wurde, die Übernahme der historischen Verantwortung für diese Bestialität und die Versuche einer jahrzehntelangen, engagierten Aufarbeitung, bis hin zur bereitwilligen Übernahme einer Erinnerungskultur in unsere deutsche Kultur, sind eine historische Leistung, auf die wir stolz sein dürfen, nein müssen.

Auch darauf spucken diejenigen, die den Nazibegriff für ihre kleine Propaganda instrumentalisieren. Würde eine Nation wegen dem, was als von diesen Instrumentalisierern als „Nazi“ bezeichnet wird, etwas aufzuarbeiten haben? Der Gedanke ist so absurd, wie er sich logisch aufdrängt.

Nazi – das war früher das Inbild des Bösen, eines Regimes, das nur mit den allerschlimmsten menschlich-unmenschlichen Auswüchsen verbunden wurde.
Jetzt erfährt der Begriff eine Umdeutung.

Er steht schlicht für: Du bist nicht links genug. Leisten wir Widerstand. Lassen wir das nicht zu.

Patrizia von Berlin
Patrizia von Berlinhttps://philosophia-perennis.com/
Für die Freiheit nicht lügen zu müssen. Eine Lebensweisheit, die ich vor vielen Jahrzehnten von Reiner Kunze (Die wunderbaren Jahre) erhielt. Ich lernte, was das Wichtigste für ihn war, als er in den freien Westen ausgesiedelt wurde. Nicht Reisen, nicht die Genüsse der Welt. "Dass ich nicht mehr lügen muss", war seine Antwort.

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