Samstag, 20. Dezember 2025

Brandmauer-Konfession: Bischof Bätzing erweist Kirche und Demokratie einen Bärendienst

(David Berger) Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, fordert unbeirrt, die politische „Brandmauer“ gegenüber der AfD müsse „so lange wie möglich“ aufrechterhalten werden. Was als moralische Klarheit verkauft wird, entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als politisch kurzsichtiges Denkverbot, das demokratische Prozesse eher schwächt als stärkt.

Die Brandmauer ist längst kein Schutzinstrument mehr, sondern ein Ersatz für inhaltliche Auseinandersetzung. Wer sie beschwört, erklärt Millionen Wähler faktisch für politisch problematisch und entzieht ihnen gleichzeitig die Verantwortung des mündigen Bürgers. Bätzing liefert genau dieses Muster: linksideologische Verurteilung statt politischer Analyse und Handeln auf der Basis des christkatholischen Glaubens.

Totalitäre Stigmatisierungspraktiken statt Debatte

Besonders problematisch ist dabei der absolut gesetzte Ausschlussgedanke. Demokratie lebt vom Wettbewerb der Argumente, nicht von politischer Quarantäne. Ein Inquisition oder ein Wahrheitsministerium haben dort nichts zu suchen. Eine pauschale Ausgrenzung einer demokratisch gewählten Partei – unabhängig davon, wie man sie bewertet – widerspricht dem Geist einer offenen Gesellschaft. Wer Gespräche und parlamentarische Normalität verweigert, ersetzt Debatte durch Stigmatisierung. Geht es undemokratischer und zugleich unchristlicher?

Weiterhin scheint Bätzing mit seiner Devise „Wir müssen die Brandmauer halten, solange es geht“, auch die babylonische Gefangenschaft, in die sich Merz durch die Brandmauer manövriert hat, möglichst ausdehnen will. Was de facto bedeutet, dass eine der antichristlichsten Parteien in Deutschland, die SPD, mit der Brandmauererpressung eigentlich dieses Land regiert. Am Fall Brosius-Gersdorf und der von Merz skandalös beantworteten Abtreibungsfrage hat man gesehen, wohin das führt. Und es macht deutlich, wo Bätzing wirklich steht. Und das ist nicht auf der Seite der Kultur des Lebens. Sondern dort, wo man diese hasst.

Der „heilige Schein“

Um dem ganzen noch eines aufzusetzen gibt sich Bätzing auf typisch bigotte Weise den Anschein, besonders moralisch zu argumentieren, greift aber tief in den politischen Raum ein. Damit verlässt er die Rolle des seelsorgerischen Mahners, des Priesters, der zwischen Gott und den Menschen durch die Spendung der Sakramente Brückenbauer sein soll und wird zum politischen Akteur mit Absolutheitsanspruch.

Gerade eine Kirche, die durch ihre Gleichschaltung mit politischem Unrecht und totalitärem Gehabe- zuletzt in der Coronapandemie – Glaubwürdigkeit verloren hat und selbst um gesellschaftliche Relevanz ringt, sollte vorsichtig sein, sich als oberste Instanz politischer Legitimität aufzuspielen. Aber nichts dergleichen, Bätzing macht sich zu einem Jens Spahn 2.0, wenn er zur Merz-Regierung, deren versagen inzwischen auch ein Großteil der Katholiken eingestehen, propagandistisch wissen lässt:

Ist Bätzing Pressesprecher von Merz geworden?

„Ich sehe schon, dass doch erhebliche Dinge auf den Weg gebracht worden sind … Also wenn man nur die internationalen Dinge anschaut, da ist es doch beachtlich, wie die Bundesregierung hier in der letzten Woche dazu beigetragen hat, überhaupt nochmal das Thema Europa, Amerika, Ukraine im Zusammenspiel – miteinander bemüht um den Frieden – auf den Plan zu rufen.“ Geht es – angesichts der Tatsache, dass Merz weltweit zu einem der übelsten Kriegstreiber im Ukraine-Konflikt geworden ist – noch grotesker? Hat Seine Exzellenz die letzten 12 Monate der Merz-Katastrophe komplett verschlafen?

Hinzu kommt eine gefährliche Entpolitisierung realer Probleme. Migration, innere Sicherheit, soziale Abstiegsängste oder Vertrauensverlust in staatliche Institutionen verschwinden nicht, nur weil man eine Partei ächtet, die sie thematisiert. Die Brandmauer verhindert nicht Radikalisierung – sie verhindert Lösungsfindung.

Die ständige hypokrite, pseudomoralische Eskalation – Begriffe wie „menschenverachtend“ oder „völkisch“ als pauschale Etiketten – ersetzt Differenzierung und Beurteilung der AfD aus der Perspektive der katholischen Sitten- und Glaubenslehre. Damit nähert sich seine Brandmauer-Rhetorik selbst einer Logik an, die sie vorgibt zu bekämpfen: der Reduktion politischer Gegner auf moralische Feindbilder. Hass und Hetze gegen die, die einem am nähesten stehen müssten.

Das Mittelalter war demokratischer als Bätzing

Von den Quaestiones disputatae des heiligen Thomas von Aquin bis zur wehrhaften Demokratie unseres Grundgesetzes lebt christliches Miteinander nicht dadurch, dass politisch Mächtige Diskussionen abwürgen, sondern dadurch, dass es ihnen standhält, sich dem vermeintlich gefährlichsten Gegner stellt (so die Praxis des Aquinaten). Und so in der Debatte mit allen nach Wahrheit strebt.

Oder um es im Geiste von Habermas, der Bätzing politisch vermutlich näher liegt, als das Evangelium und der Katechismus, zu sagen: Wer ernsthaft an demokratische Reife glaubt, muss auch unbequeme politische Kräfte inhaltlich stellen, nicht administrativ isolieren. Sonst entsteht unweigerlich der Eindruck, dass er ihnen nicht gewachsen ist. Bandmauer-Zensur erweckt immer den Eindruck, dass dort gefährliche Wahrheiten unterdrückt werden sollen. Das Christentum selbst ist solch eine gefährliche Wahrheit. In welcher Rolle wäre Bätzing bei der Kreuzigung Jesu dabei gewesen?

Bischof Bätzing mag subjektiv überzeugt sein, moralisch richtig zu handeln. Objektiv jedoch trägt seine Brandmauer-Rhetorik zur Verhärtung der Fronten, zur Erosion parlamentarischer Normalität und zur Entwertung politischer Debatte bei. Eine Kirche, die Nächstenliebe und Dialog predigt, sollte beide nicht dort bekämpfen, wo wir sie am dringendsten brauchen.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Bestseller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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