Mit fast emotionsloser Brillanz nimmt Rolf M. Ruthardt die Gedanken und die zugrundeliegende Ideologie des Gender Mainstreaming auseinander. Wer dieses Kapitel liest, wer also versteht, der würde sich fortan als Idiot fühlen, wenn er auch nur noch ein einziges Gendersternchen in einem beliebigen Wort platzierte: als Räuber der geistigen Freiheit und damit der Zukunft kommender Generation.
„Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern.“ Gustave Le Bon hat das gesagt. Le Bon könnte seine Worte bestätigt sehen im heutigen Gender Mainstreaming, egal, wie sehr diese Denkart in den öffentlich-rechtlichen Medien, den Universitäten und in immer mehr Behörden propagiert, ja verlangt wird.
Die „gerechte Sprache“ – hat sie mit Gerechtigkeit auch nur das Mindeste zu tun? Die Aufforderung bestimmter politischer Kreise an Kinder, eine „freie Wahl des Geschlechts“ – sogar schon der Pubertät! – vorzunehmen, ist es ein Vergehen an Kindern, die dem Schutz durch Erwachsene anbefohlen sind? Ralf M. Ruthardt verarbeitet diese – und weitere – Diktate jetzt in seinem Roman „Das laute Schweigen des Max Grund“ erstmals literarisch.
Was ist die Handlung? Max, ein alleinerziehender Vater, ist von zu vielen politischen Entscheidungen irritiert. Er denkt nach. Max träumt sich in seiner Verzweiflung in eine Talkshow, wobei Ruthardt ganz raffiniert offen lässt, ob das real ist oder eine Fiktion, in die sich der Protagonist hineindenkt. Wie dem auch sei – gegenüber seinem vermeintlichen oder realen sozialen Umfeld positioniert sich Max mit hinterfragenden Gedanken. Bringt Argumente, verwirft Gegenargumente. Und dann: Ein falscher Satz, gemeint als faire, keinesfalls extreme Gesellschaftskritik – aber ein Prozess setzt sich in Gang, den Max nicht überblickt. Und den er nicht stoppen wird, der Leser ahnt es bald.
Wie funktioniert das Buch? In einzelnen Kapitel, Schritt für Schritt, fast anekdotisch, aber immer logisch aufbauend. Auf den Seiten 123 bis 130 beispielsweise wird die gesamte Systematik des automobilen Wandels hin zum E-Antrieb für Automobile hinterfragt – spielerisch, in fiktive Überlegungen des Protagonisten verpackt. Viele Fragen legt der Autor dem Protagonisten in den Mund, die Antworten findet der Leser oft bei sich selbst: Es sind die Zweifel an der Alternativlosigkeit des Vorgehens. Es sind die logischen Überlegungen, die noch bis vor wenigen Jahren als gesellschaftlich bindend galten und die von ihm so auch anerkannt wurden, die jetzt plötzlich unmöglich sein sollen – aber nicht aus Gründen der Vernunft, sondern der angeblichen Moral.
Und funktioniert das auch? Durchaus. Innerlich stimmt der Leser lebhaft zu, wenn der Protagonist nicht einsehen kann, warum im Namen des Umweltschutzes Millionen von Bäumen im Regenwald des Kongo gerodet werden, weil das darunter im Boden ruhende Kobalt für Batterien benötigt wird. Denn wofür? Na, zu Rettung der Umwelt durch Umstellung auf automobile E-Antriebe, womit auf spielerische, fast schelmische Weise der Autor seinerseits eine Argumentationskette vorlegt. Zwar eine, die auf Beweise verzichtet, die dafür aber durch umso schärfere Logik besticht. Sollte es ihm darauf angekommen sein, die Leitargumente der „grünen“ Partei und ebenso den „Green Deal“ der EU spielerisch zu entkräften, bravourös wäre es gelungen. Am Ende des Kapitels, auf Seite 131, lässt Ruthardt seinen Protagonisten zu Bett gehen – und seinen Leser aufwachen.
Und das war’s dann? Nein, Ruthardt hat eine äußerst gut durchdachtes Buch abgeliefert. Wenn der Leser, auf einige harte Brocken vorbereitet, zum Kapitel 13 gelangt, ist er doch erstaunt, mit welcher Rasanz er mitgenommen wird auf eine nur fünf Seiten lange und dennoch gnadenlos schonungslose Abrechnung. Mit fast emotionsloser Brillanz nimmt Ruthardt die Gedanken und die zugrundeliegende Ideologie des Gender-Mainstreaming auseinander. Wer dieses Kapitel liest, wer also versteht, der würde sich fortan als Idiot fühlen, wenn er auch nur noch ein einziges Gendersternchen in einem beliebigen Wort platzierte: als Räuber der geistigen Freiheit und damit der Zukunft kommender Generation.
Nun reicht es aber? Nein, immer noch nicht. Als hätte es der Leser geahnt – das Ende für den Protagonisten kommt mit dem Ende des Buches, im abschließenden 15. Kapitel. Nochmals Le Bon: „Das Wiederholte befestigt sich so sehr in den Köpfen, dass es schließlich als eine bewiesene Wahrheit angenommen wird.“ Diese Scheinbeweise, sie treffen am Ende des Romans auch den Protagonisten, Max zahlt einen hohen Preis. Er bekommt er physisch zu spüren, wo die Freiheit des Einzelnen endet. Das Spiel, das mit ihm wie mit allen gespielt wird, erst dann, als er bereits keine Möglichkeit mehr hat, es öffentlich zu demaskieren. Damit ist fast schon zu viel verraten – aber nur fast. Vor dem Ende, ganz kurz davor, zitiert Ruthardt höchst bemerkenswerte Sätze Guido Westerwelles, Carl-Friedrich v. Weizsäckers, Gustav Heinemanns. Für einen Roman höchst ungewöhnlich, belegt Ruthardt im Anhang seine Quellen.
Nun das vollständige Zitat von Gustave le Bon: „Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.“ Dieser Roman schlägt buchstäblich ein. Die Leser aber haben genau dadurch die Chance auf eine noch besser durchdachte und wirkliche geistige Freiheit, nicht zuletzt durch diese gute und empfehlenswerte Lektüre.
Ralf M. Ruthardt, Das laute Schweigen des Max Grund, Roman, München 2023, 217 Seiten, geb. mit Lesefaden, ISBN 978-3-9825749-0-5, 23 Euro. Und auch als Hörbuch auf Spotify vielen anderen Plattformen.
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