Vorgestern wurde die ‚Fußball-WM in Katar eröffnet‘. Gestern gab es gleich den ersten Skandal: „Deutschland knickt ein – Manuel Neuer spielt ohne ‚One Love‘-Binde“. Dabei war diese Binde selbst schon ein Einknicken, da der DFB sich nicht traute, die Regenbogenflagge zu zeigen, die man zuvor z. B. Ungarn aufnötigen wollte. Ein Gastbeitrag von Prof. Alexander Dilger.
Die FIFA hat auf ihre Regeln verwiesen, wonach sie selbst die Kapitänsbinden stellt und (andere) politische Botschaften nicht erlaubt sind. Grundsätzlich finde ich diese Trennung von Sport und Politik durchaus sinnvoll, doch wenn die deutschen Fußballer und Funktionäre wirklich ein moralisches Zeichen setzen wollten, müssten sie auch Strafen dafür in Kauf nehmen.
Gratismut der Deutschen
Eine (kleine) Geldstrafe hätten sie wohl auch riskiert, aber die FIFA drohte nicht näher spezifizierte sportliche Strafen an, angefangen wohl mit einer gelben Karte, dann vielleicht eine rote Karte oder auch ein Punktabzug oder sogar Spielabbruch. Da knicken die deutsche Nationalmannschaft und der ganze DFB gleich ein zusammen mit sechs anderen UEFA-Teams, während der französische Torhüter Hugo Lloris bereits vorher erklärt hatte, aus Respekt vor dem Gastgeber auf die Binde verzichten zu wollen.
Das ist moralisch völlig akzeptabel, der Gratismut der Deutschen und anderen Europäer aber nicht, die nur dann ein Zeichen setzen wollen, wenn es nicht wirklich etwas kostet. Dann sollen sie es bitte immer lassen und nicht moralischer tun, als sie sind.
Neuer & Co haben klares Zeichen gesetzt
Wer sich so einfach abschrecken lässt, setzt damit ebenfalls ein Zeichen, nämlich dass ihm das zuvor laut verkündete Anliegen herzlich egal ist. Dabei hat die FIFA wahrscheinlich nur geblufft, weil sie die Prinzipienlosigkeit dieser Moralisten kannte. Sie hätte schlecht sieben Mannschaften öffentlichkeitswirksam von der WM ausschließen oder auch nur ernsthaft in ihren Gewinnchancen einschränken können.
Ansonsten wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, der FIFA ganz den Rücken zu kehren und eine weniger korrupte Gegenorganisation zu gründen. Aber wer selbst so korrumpierbar ist, passt natürlich in die FIFA und macht alles mit.
Ein echtes und mutiges Zeichen hat hingegen die iranische Mannschaft gesetzt.
Die „Iraner singen Hymne nicht – Staatsfernsehen unterbricht Übertragung“ und nun drohen den Spielern und ihren Angehörigen weit schlimmere Strafen als eine gelbe Karte oder ein Punktabzug. Das ist der Unterschied zwischen Mut und Gratismut, zwischen Moral und Opportunismus.
Beitrag erschien zuerst auf Prof. Dilgers Blog.
Addendum (DB): Nicht Ungarn, sondern Katar
Der deutsche Fußball spiegelt derzeit in Katar exakt den Zustand deutscher Politik und der Teile der Gesellschaft, die derzeit die veröffentlichte Meinung prägt: ein Haufen bigotter Crétins.
Von daher verstehe ich die Aufregung nicht: neuer & Co haben genau das gemacht, was unsere sich jetzt echauffierenden ARD- und ZDF-Fuzzis sofort machen würden, wenn es propagandamäßig angesagt wäre und sie ihre geldreiche Karriere dadurch fördern würden.
Was eine Trümmertruppe von Gratis-Heldenmut-Millionären: WENN es einen Ort gibt, wo man mal für Queer und Homo und Bunt und so Flagge zeigen sollte, dann ist das NICHT Ungarn sondern Katar. Aber dafür reicht das Rückgrat dann doch nicht. Erbärmlich. #OneLove ?
— Beatrix von Storch (@Beatrix_vStorch) November 21, 2022
Binde der heiligen Einfalt
Lesen Sie auch: