Donnerstag, 21. November 2024

Berliner Wahlen mit Satire-Effekt

Berlin, billige Bananen und bittere Buße. Ein Gastbeitrag von Meinrad Müller

Günstigste Bananen und Südfrüchte, damit erfreut der riesige „Türkenmarkt“ am Maybachufer dienstags und freitags seine Kunden. Was im Laden fünf Euro kostet, wird einem hier für einen Euro regelrecht nachgeworfen. Gehen diese Würfe schief allerdings  und treffen gar den Kopf, so darf es nicht wundern, dass dieser leicht erschüttert hernach etwas anders tickt. Oder sind es weitere Gründe?

Zur Chaos-Wahl in Berlin ist schon alles gesagt worden, nur nicht von jedem. Als Neubürger, der seit gut acht Jahren hier seine Zelte aufgeschlagen hat, eine kleine Betrachtung, sozusagen von außen, denn Urberliner nennen, das dürfen sich erst die Ur-Ur-Enkel. Auch ist derzeit im Alltag kaum noch jemand anzutreffen, der so richtig „berlinert“, während in Bayern die bayerische Mundart im Alltag dazugehört. Über 30 % der Einwohner haben nichtdeutsche Wurzeln, viele sind bestens integriert, ein anderer Teil will das aber nicht. Selbst wer hier geboren ist, spricht die Herkunftssprache seiner Eltern nach 40 Jahren oft besser wie Deutsch. Als häufiger Taxigast, mit dem Hang mit den Lenkern Gespräche zu führen, ergab sich im Verlaufe der Jahre ein kleiner Einblick in die hiesige „ist-doch-mir-egal“-Lebensart. Alternative und günstigere Taxidienste wie Uber oder Bolt sind fest in der Hand von Herren aus aller Welt. Wozu auch Deutsch können, wenn der Kunde die Zieladresse per Handy eingibt und die Handynavigation den Weg weist?

Leberkäsesemmel vom Metzger

Wer danach sucht, muss lange suchen. Anstelle dessen alle 500 Meter eine Dönerbude. Nach den Bestandteilen dieser beiden Köstlichkeiten fragt man besser nicht, lieber Augen zu und rein in den Magen, garniert mit Senf oder „Soße mit alles“. Das (fast) friedliche Zusammenleben von nahezu vier Millionen Menschen erfordert Toleranz. Dass diese Toleranz oft missverstanden wird und als normale Schludrigkeit durchgeht, erleben wir in der Verwaltung. Zehn Wochen auf eine Passverlängerung warten?

Kein Problem! Die richtigen Wahlzettel in den richtigen Bezirk liefern? Ach was! Zu wenig Wahlkabinen aufstellen? Was solls? Das konnte nur schiefgehen, wenn man es gnädig betrachtet. Dass dahinter jedoch womöglich pure Absicht stand, um nicht genehme Parteien zu behindern, hat der jüngste Wahlprüfungsausschuss ans Tageslicht gefördert. Rot-Rot-Grün, das Berlin fest in seinen Klauen hält, zeigt sich auch in Details wie…

Jedem Menschen recht getan…

Eine Anekdote aus der schwäbischen Heimat des Autors geht so: Ein Bürger A beschwert sich beim Bürgermeister über den Bürger B. Herr Bürgermeister beruhigt diesen und meint „Da hast du aber recht“. Anderntags erscheint Bürger B, um sich seinerseits über den Bürger A zu beschweren. Nachdem sich Herr Bürgermeister auch dessen Klage angehört hatte, antwortet er: „Da hast du aber recht“. Der Gemeindediener, der bei beiden Gesprächen mit anwesend war, gab zu bedenken: „Aber Herr Bürgermeister, sie können doch nicht beiden recht geben“, worauf dieser antwortete: „Da hast du auch wieder recht“. Diese kleine Anekdote steht stellvertretend für Kompetenzwirrwarr in der Berliner Verwaltung. Jeder Bezirk will recht haben und auf der Strecke bleibt der Bürger und der Wähler.

Zwölf Bezirke, jeder davon größer als manche deutsche Großstadt, jeder mit eigenem Stadtrat (Bezirksverordnetenversammlung) regiert mit. Und nicht selten sehr, sehr autonom. Was in Kreuzberg oder Neukölln (Klein-Arabien) toleriert wird, das findet man in Charlottenburg (Charlottengrad) nicht. Verschmierte Häuser und auf dem Gehweg entsorgter Müll, gerade in den Stadtteilen, die gerne von Touristen aufgesucht werden, hinterlassen einen schalen Geschmack. Sieht das die Verwaltung nicht oder ist es ihr völlig egal? Als neu Zugezogenem fiel mir auf, dass das französische „laissez faire“, das etwas „gut sein lassen“, in Berlin intensiv praktiziert wird. Zu sehr.

Wildwest auf den Straßen und in Beamtenstuben

Das geht so weit, dass sogar die WELT schreibt: Angriffe auf Polizisten, „Die Polizei hat am Ende das Gefühl, nur Schlachtvieh zu sein“. Beim Versuch eines Mitglieds einer „Großfamilie“ habhaft zu werden, sammeln sich quasi wie auf Knopfdruck „Brüder“, um die Polizeiarbeit zu behindern. Anderseits sind die Polizisten auch nicht zimperlich, um bei Demonstrationen mit Knüppeln auf wehrlose Rentner einzudreschen. Das heißt, dass eine Verrohung, die von oben angeordnet wird, das Vertrauen in Vater Staat massiv mindert.

Als 1963 J.F. Kennedy die Worte „Ich ein Berliner“ vom Balkon des Schöneberger Rathauses der jubelnden Menge zurief, war die Welt noch in geregelter und Ärmel hochkrempelnder Unordnung. Heute ist die Unordnung allerdings „systembedingt“, wie der Bundeswahlleiter geradezu zornig feststellte. Statt einer einzigen ordnenden Hand sind es zwölf Bezirke mit nicht kompatibler Verwaltungssoftware. Eine vorbildliche Hauptstadt, weltweit jeweils das Aushängeschild eines Landes, ist in Berlin deshalb nur schwer auszumachen. Jüngst beschwerten sich sogar ukrainische Flüchtlinge über den Dreck auf den Straßen und eine nicht effiziente Verwaltung. Dringende Entscheidungen werden zwischen den einzelnen Bezirksparlamenten hin und her geschoben. Dass der Flughafen dreimal mehr kostete als geplant und die Fertigstellung dreimal so lange dauerte, soll hier nur stellvertretend aufgeführt werden. Wäre es wieder Zeit, wie 1990 nach dem Fall der Mauer, Verwaltungsfachleute aus dem Westen zu importieren und deren Arbeit erneut mit einer „Buschzulage“ zu versüßen?

Flughafen, U-Bahn, Schulen im Chaos

Selbst kleinere Bauprojekt, wie der Restaurant-Kiosk am Lehniner Platz, dauern jetzt schon vier Jahre. Als die Abwasserkanäle gelegt waren, rissen die Elektriker die Grube wieder auf. Es fehlt, wie an diesem Beispiel zu erkennen, ein „Management“. Jede städtische Abteilung „wurstelt“ bei der Beauftragung von Handwerkern vor sich hin. Der Bürger erlebt eine Kompetenz-Spaltung, ein Pingpong-Spiel zwischen Senat und Bezirken.

Auch wer Papiere braucht, um etwa zu heiraten, der plant am besten zwei Jahre im Voraus – oder fährt nach Las Vegas. Und wer Kindern derart marode Schulen zumutet, deren WCs eine besondere Zumutung sind, der darf sich ebenfalls nicht wundern, wenn sich die Kleinen an den Slumcharakter ihrer Heimat frühzeitig gewöhnen.

Strafrechtlich relevant wird es allerdings, wenn in der rot-rot-grünen Verwaltung parteipolitische Präferenzen so weit gingen, um demokratische Wahlen zu manipulieren. Dass die Behördenmitarbeiter mehrheitlich „antikapitalistisch“ eingestellt sind, wird nicht nur am sogenannten Mietendeckel deutlich. Die Folge war, dass die Mietwohnungen sich verknappten. Andererseits wird mit „Wir haben Platz“ geworben. Der Selbstbedienungsladen Rot-Rot-Grün, mit Rente ab 55 Jahren für die Mitglieder des Senats, soll geöffnet bleiben.

Wo die Verrückten sind

Der Berliner Gassenhauer aus dem 19. Jahrhundert „Du bist verrückt mein Kind, du musst nach Berlin, / Wo die Verrückten sind, / dort gehörst du hin!“, sollte schon damals die Zustände aufs Korn nehmen. Doch hat diese Kritik etwas genützt? Es scheint vielmehr so, dass dies zum Lebensmotto wurde.

Personal sei knapp, heißt es. Doch scheint fähiges Personal noch knapper zu sein, was daran deutlich wurde, dass die Landeswahlleiterin Fragen von Abgeordneten nicht zu beantworten wusste. Der Fisch, so heißt es, stinke vom Kopfe her. Doch die Bürger wehrten sich und so wurden in ganz Berlin insgesamt über 2100 Einsprüche eingelegt.

Das Gericht mag nun entscheiden, ob die Wahl wiederholt wird. Doch das kann dauern, denn die gute alte E-Mail, die 1987 ihren Siegeszug antrat, ist in berliner Behörden noch nicht angekommen. Das noch ältere Faxgerät ist in Gebrauch und das CO2-freie Lastenfahrrad. Die sprichwörtliche lange Bank ist in Berlin sehr, sehr lang. Bayern wird dagegen „preußisch“ verwaltet. Berlin muss bittere Buße tun!

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Addendum: Der Bundestagsabgeordnete Dr. Götz Frömming und seine Kollegen haben sich in einem Videobeitrag dazu geäußert:

 

Meinrad Müller
Meinrad Müllerhttps://www.amazon.de/-/e/B07SX8HQLK
Meinrad Müller (68), Unternehmer im Ruhestand, kommentiert mit einem zwinkernden Auge Themen der Innen-, Wirtschafts- und Außenpolitik für Blogs in Deutschland. Seine humorvollen und satirischen Taschenbücher sind auf Amazon zu finden.

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