Montag, 14. Oktober 2024

Zwangskonversionen und Kinderehen in Pakistan: Ein alltägliches Ereignis

Zivile und Strafverfolgungsbehörden sind sich des Problems der Zwangskonversionen und Kinderehen in Pakistan bewusst, aber sie akzeptieren es nicht offiziell. Stattdessen behaupten sie, dass der Islam kein Mindestalter für die Konvertierung festgelegt hat. Wenn also ein Mädchen aus freien Stücken zum Islam konvertieren möchte, kann niemand etwas dagegen tun. Ein Gastbeitrag von von Nasir Saeed.

Die erzwungene Konversion junger christlicher und hinduistischer Mädchen, von denen einige unter 12 Jahre alt sind, scheint an der Tagesordnung zu sein. Denjenigen, die in der Lage wären, diese Praxis zu stoppen, scheint es egal zu sein. Kaum ein Tag vergeht ohne News zu derartigen Zwischenfällen.

Dieses große und wachsende Problem in Pakistan betrifft religiöse Minderheiten. Menschenrechtsorganisationen, die sich mit diesem Thema befassen, schätzen, dass jedes Jahr 1.000 hinduistische und christliche Mädchen gezwungen werden, zum Islam zu konvertieren – eine Schätzung, die weit höher liegen könnte, da viele Fälle gar nicht gemeldet werden. Meist werden diese Mädchen von viel älteren Männern mit dem Versprechen auf ein besseres Leben gelockt und manchmal in die Prostitution gedrängt oder sogar verkauft.

Die Covid-19-Pandemie hat diesen Vorfällen einen Schub gegeben: Einige Familien mit Tagelöhnern hatten kein festes Einkommen mehr und mussten ihren jüngeren Töchtern erlauben, in Fabriken oder Geschäften zu arbeiten. Am Ende verloren sie ihre Töchter durch die Zwangskonversion zum Islam und die anschließende Heirat.

Familien haben die Justiz angefleht, ihnen ihre Töchter zurückzugeben, doch die pakistanischen Behörden ignorieren diese Aufforderungen normalerweise. Aufgrund der Gleichgültigkeit der Behörden prangern religiöse Minderheiten in Pakistan ihren Status als Bürger zweiter Klasse an.

Die Behörden sind am Stillschweigen beteiligt und verbergen Menschenrechtsverletzungen

Zivile und Strafverfolgungsbehörden sind sich des Problems bewusst, akzeptieren es jedoch nicht offiziell. Stattdessen behaupten sie, dass der Islam kein Mindestalter für die Konvertierung festgelegt hat. Wenn also ein Mädchen aus freien Stücken zum Islam konvertieren möchte, kann niemand etwas dagegen tun. Damit schieben sie alle Schuld auf die Opfer ab und entziehen sich jeglicher Verantwortung. Sie werfen Minderheiten und NGOs auch vor, es zu einem Problem zu machen, und behaupten, es sei eine falsche Anschuldigung, um ihre eigene Bekanntheit zu erhöhen.

Vor kurzem, im Juni, versuchten die Eltern von Ayesha Arshad, Anzeige zu erstatten, aber die Polizei weigerte sich, die Angelegenheit weiterzuverfolgen und überreichte ihnen stattdessen ein paar Tage später Ayeshas Konversionsbescheinigung. Ihr Vater, Arshad Masih, erlitt daraufhin einen Herzinfarkt und aufgrund der Untätigkeit der Polizei beschloss die Familie, den Fall auf sich beruhen zu lassen.

Kiran Bashir, 15, wurde am 8. März 2021 auf dem Heimweg mit ihrer Mutter Hameeda Bibi entführt. Zwei Männer nahmen Kiran mit, warfen sie auf den Rücksitz eines Autos und fuhren davon. Auch hier nahmen Familienmitglieder trotz der Untätigkeit der Polizei an einem Sitzstreik vor dem Polizeirevier teil, aber auch das hat nicht funktioniert. Als Hameeda jedoch ankündigte, sich selbst in Brand zu setzen, registrierte die Polizei sofort einen First Information Report (FIR) über Kirans Entführung. Als die Familie am nächsten Tag die Polizeiwache besuchte, um ein Update zu erhalten, teilte ihnen der Polizeichef mit, dass Kiran zum Islam konvertiert sei und sie daher nichts mehr tun könnten, als bald ihre Konversionsbescheinigung zu bekommen. Statt die Mädchen nach Hause zu bringen, unterstützt die Polizei die Entführer.

Die Justiz scheint die gleiche Einstellung zu haben. Im jüngsten Fall Nayab Gill (13), der internationale Aufmerksamkeit erregte, schickte der Richter des Obersten Gerichtshofs von Lahore, Sheram Sarwar Chowdhury, Nayab mit ihrem sogenannten Ehemann Saddam Hussain weg. Dies geschah trotz des B-Formulars, einer von der pakistanischen Regierung ausgestellten Einschreibebescheinigung für Kinder unter 18 Jahren sowie ihres Schulzeugnisses, aus dem hervorgeht, dass sie 13 Jahre und sieben Monate alt war. Ihre Konversions- und Heiratsurkunden, beides gefälschte Dokumente, gaben ihr Alter als 19 an. Der Richter akzeptierte sie dennoch anstelle ihres B-Formulars und ihres Schulzeugnisses.

Obwohl ihr Anwalt argumentierte, dass Nayab gemäß dem Gesetz zur Einschränkung der Eheschließung von Kindern von 1929, das Teil des pakistanischen Rechts ist, keine Ehe eingehen durfte, bevor sie 16 Jahre alt war, und dass Nayab als Minderjährige nicht in der Lage war, unabhängige Entscheidungen zu treffen, schien das dem Richter egal zu sein: Er entschied zugunsten ihrer Heirat mit Saddam Hussain und verstieß damit eindeutig gegen den Grundsatz des „besten Interesses des Kindes“, wie er in Artikel 3 Absatz 1 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (CRC), das 1990 von Pakistan ratifiziert wurde, kodifiziert ist.

Am besorgniserregendsten ist, dass sich die Richter des pakistanischen Obersten Gerichtshofs weigern, die geltenden Gesetze des Landes durchzusetzen, die die Eheschließung unter 16 Jahren verbieten. Richter treffen ihre Entscheidungen vielmehr nach dem islamischen Prinzip des Erreichens der Pubertät und damit des Erwachsenwerdens, sobald der Menstruationszyklus eines Mädchens beginnt. Richter missachten nicht nur nationale Gesetze, sondern verstoßen auch gegen Völkerrecht und internationale Standards sowie die Menschenrechte von Mädchen.

Aussagen von Mädchen unter Zwang

Richter haben sich auch auf die Aussagen der Mädchen verlassen, anstatt die gebührende Sorgfalt anzuwenden, den Willen des Gesetzes zu berücksichtigen, und trotz früherer Fälle, die zeigen, dass Mädchen ihre Aussagen oft unter Zwang abgegeben haben. Maira Shahbaz machte eine Aussage, dass sie ohne Zwang oder Druck zum Islam konvertiert und aus freien Stücken Muhammad Nakash Tariq geheiratet habe, weshalb sie mit ihrem sogenannten Ehemann Tariq weggeschickt wurde. Nach ein paar Tagen jedoch, als sie eine günstige Gelegenheit fand, flüchtete sie vor ihrem Entführer und sagte die Wahrheit.

Es gibt so viele Mädchen wie Maira: MehwishFarah Shaheen und Sadaf Masih, die zu ähnlichen Aussagen gezwungen und von den Gerichten zu ihren sogenannten Ehemännern geschickt wurden. Nach der Flucht änderten sie ihre Aussagen vor Gericht.

Der wachsende Extremismus in Pakistan macht das Leben religiöser Minderheiten schwerer denn je. Es sind nicht nur Fremde, die sie entführen und zum Islam konvertieren, um ihre Verbrechen zu verbergen; manchmal sind es ihre eigenen Arbeitgeber, die sie zum Islam zwangskonvertieren, und ihren Eltern wird dann das Sorgerecht verweigert.

Die 13-jährige Neha wurde von ihrem muslimischen Arbeitgeber Dr. Altaf zum Islam konvertiert. Ihm zufolge bekehrte er sie, weil sie keinem Nicht-Muslim erlauben können, in ihre Küche zu gehen und ihr Essen und ihre Küchenutensilien anzufassen. Als ihr Vater die Familie nach seiner Tochter fragte, wurde ihm gesagt, dass sie jetzt Muslimin sei und beschuldigte ihren Vater auch, im Voraus 275.000 Rupien (rund 1.400 Euro) angenommen zu haben. Die Behörden hätten eingreifen, das Mädchen retten und Dr. Altaf vor Gericht stellen sollen. Stattdessen sammelten einige Leute Geld und bezahlten Dr. Altaf, um das Kind freizulassen. Er war daher nicht in der Lage, die junge Neha ihr Leben lang zu versklaven.

Warum ignorieren Behörden dieses Problem andauernd?

Im Allgemeinen erlaubt das islamische Recht die Ehe zwischen einem muslimischen Mann und einer Frau oder einem Mädchen, die eine Christin oder eine Jüdin ist. Es erfordert keine Bekehrung und eine erzwungene Bekehrung ist nach islamischem Recht verboten. Warum werden dann minderjährige Mädchen gezwungen, vor der Heirat zum Islam zu konvertieren?

Es liegt in der Verantwortung des Staates, diese Praxis zu stoppen, selbst wenn er neue Gesetze einführen muss, um sicherzustellen, dass die Rechte von Minderheiten und Kindern nicht verletzt werden. Es liegt auch in der Verantwortung von Politikern, Gerichten, der Zivilgesellschaft und der Ulema [islamischer Klerus], weil es nicht gerechtfertigt werden kann, im Namen der Religion die bereits geltenden Gesetze nicht durchzusetzen.

Der Staat sollte nicht zulassen, dass Kriminelle das Image Pakistans in der Welt beschädigen. Die Europäische Union hat Pakistan bereits aufgefordert, der Religionsfreiheit Raum zu geben, und die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF) hat Pakistan wegen der Verletzung der Religionsfreiheit zu einem „Land von besonderer Besorgnis“ (KPCh) erklärt. Dieser inakzeptablen Praxis muss sofort ein Ende gesetzt werden.

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Nasir Saeed ist Direktor des Center for Legal Assistance and Settlement (CLAAS). Sein Beitrag erschien zuerst beim Gatestone Institut. Übersetzung Daniel Heiniger.

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