Sonntag, 22. Dezember 2024

Strafrechtsänderung: Der Bürger soll mundtot gemacht werden

Die Neuregelung des § 188 StGB hat totalitäre Vorbilder. Ein Gastbeitrag von Frank W. Haubold

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und inhaltlich kaum thematisiert ist am 3. April dieses Jahres das neue Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (Linksextremismus ist in diesem Land trotz steigender Gewaltbereitschaft offenbar kein Problem, zumindest nicht für die etablierten Parteien) in Kraft getreten.

Nun wird kaum jemand etwas dagegen einzuwenden haben, wenn in der Öffentlichkeit stehende Politiker und Amtsträger besser gegen Mord- und andere Gewaltandrohungen geschützt werden. Auch der Schutz gegen Verleumdungen und üble Nachrede durch das Strafrecht dürfte kaum Kritiker finden.

Majestätsbeleidigung wieder strafbar

Der Teufel steckt im Detail und da wird wohl kaum jemanden aufgefallen sein, dass der Gesetzgeber den ohnehin fragwürdigen § 188 (1) StGB um den Tatbestand der Beleidigung erweitert hat. Wortlaut der Neuregelung: „(1) 1Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. 2Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene.“

Zuvor waren „nur“ Verleumdung und üble Nachrede gesondert strafbar. Das sind jedoch klar definierte Straftatbestände, bei denen der Ermessensspielraum der Justiz entsprechend gering ist. Ganz anders verhält es sich mit dem Straftatbestand der Beleidigung, der von Gerichten höchst unterschiedlich beurteilt wird. Hier Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren anzudrohen, wenn Politiker oder Amtsträger (vermeintlich) beleidigt werden, ist nicht nur juristisch, sondern auch im Hinblick auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung fragwürdig.

Politiker müssen auch Kritik einstecken können

Es gibt zudem auch keinen sachlichen Grund für diese Sonderregelung, denn Beleidigungen waren und sind ohnehin über den § 185 StGB strafbar. Nun könnte man argumentieren, dass Politiker und Amtsträger häufiger beleidigt werden als Otto Normalverbraucher und deshalb gesondert geschützt werden müssen. Dem kann man jedoch entgegenhalten, dass Politiker und Amtsträger erstens von Steuerzahler finanziert werden und zweitens kraft ihres Amtes auch weitaus größere Möglichkeiten haben, dem Gemeinwesen und dem einzelnen Bürger Schaden zuzufügen als der einfache Bürger. Deshalb ist es auch völlig normal, wenn sie dafür Kritik, auch in heftigerer Form einstecken müssen.

Natürlich sollte Kritik nach Möglichkeit sachlich vorgetragen werden, aber nicht jedem ist es gegeben, kühl und gelassen auf von der Politik verursachte Zumutungen zu reagieren. Wer zum Beispiel aufgrund verzögerter Corona-Hilfen seine wirtschaftliche Existenz verliert oder Opfer einer Gewalttat wird, die einem von der Justiz gerade wieder auf freien Fuß gesetzten Mehrfachtäter verübt wurde, kann schon einmal überreagieren, wenn es um die Verantwortlichen geht. Hier langjährige Haftstrafen anzudrohen, ist allein schon deswegen fragwürdig, weil die Abgrenzung zwischen justiziabler Beleidigung und heftiger, aber zulässiger Kritik fließend sind. Plakative Strafrechtsverschärfungen dieser Art belasten erstens die Justiz zusätzlich und führen zweitens zur Einschüchterung der Bevölkerung, was wohl auch das Ziel der Übung ist.

Anrüchige Vorbilder in der DDR

Die selektive Strafandrohung, mit deren Hilfe man fast jegliche Kritik an politischen Funktionären und Amtsträgern kriminalisieren kann, hat zudem anrüchige Vorbilder. So findet sich im Strafgesetzbuch der DDR in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1974 ein durchaus ähnlich klingender Gummiparagraph: „§ 106. Staatsfeindliche Hetze. (1) Wer mit dem Ziel, die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu schädigen oder gegen sie aufzuwiegeln … Repräsentanten oder andere Bürger der Deutschen Demokratischen Republik oder die Tätigkeit staatlicher oder gesellschaftlicher Organe und Einrichtungen diskriminiert … wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.“

40 Jahre vorher wurde am 20. Dezember 1934 vom NS-Regime das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen“ erlassen, das unter anderem diesen Paragraphen enthielt: „§ 2 (1) Wer öffentlich gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Den öffentlichen Äußerungen stehen nichtöffentliche böswillige Äußerungen gleich, wenn der Täter damit rechnet oder damit rechnen muß, daß die Äußerung in die Öffentlichkeit dringen werde.“

Juristische Repressionsinstrumente der roten und braunen Sozialisten

Vor diesem Hintergrund sollte schon die Frage erlaubt sein, ob ein demokratisch verfasster Staat wie die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich auf die juristischen Repressionsinstrumente der roten und braunen Sozialisten zurückgreifen sollte, die auf diese Weise sich selbst und ihre Erfüllungsgehilfen über das Gesetz stellten, natürlich mit dem Ziel, selbst verbalen Widerspruch gegen das Regime zu kriminalisieren und kritische Geister mundtot zu machen.

Die politisch einseitige Ausrichtung des neuen Gesetzes, die sich schon aus dessen Namen ableitet, scheint allerdings all jenen rechtzugeben, die nicht erst seit heute die zunehmende ideologisch motivierte Einschränkung der Meinungsfreiheit wie auch der Bürgerrechte insgesamt beklagen.

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PP-Redaktion
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