Donnerstag, 21. November 2024

Falsche Professoren und falsche Propheten. Die Klimakatastrophe zwischen Realsatire und Menschheitsdrama

Professor Pirkheimer und der Aufprall – Ein Gastbeitrag von Frank Steinkron

Als die Bewegung Fridays For Future mit der Losung ausgerufen wurde, die Welt vor einem wissenschaftlich prognostizierten Untergang zu bewahren, nahmen das viele nicht sonderlich ernst. Seit Jahrtausenden gibt es Propheten, die das Ende der Welt voraussagen. Und nun hatte eben auch die Wissenschaft in der Entfaltung eschatologischer Szenarien ein einträgliches Betätigungsfeld gefunden – und damit die Universität zu dem gemacht, was sie seit der Aufklärung nicht mehr war: zu einem Hort des Glaubens. Doch auch dies war ja nichts Neues. Schon vor drei Jahrzehnten hatte, Loriot-Enthusiasten erinnern sich, der „international anerkannte Professor Pirkheimer“ berechnet, dass der Venusmond Tetra seine Umlaufbahn verlassen habe und auf die Erde zurase. Sein Aufprall, so ließ Pirkheimer wissen, stehe unmittelbar bevor, was das Ende des Planeten Erde bedeute.

Verantwortungsbewusste Mitglieder der Zivilgesellschaft überlegten schon damals, wie sie die Welt vor dem drohenden Unglück bewahren könnten. Beispielsweise das betagte Ehepaar Glöckner, das unermüdlich von Haus zu Haus zog, um für Badezusatz und handgefertigte Wurzelbürsten zu werben (letztere selbstverständlich aus „reiner Naturborste“ und somit umweltfreundlich und nicht industriell hergestellt). Wer „innerlich und äußerlich sauber“ sei, so die Botschaft, habe „nichts zu befürchten“. Durch sanfte Drohungen gelang es sogar, Skeptiker wie den gutsituierten Frühpensionär Heinrich Lohse zu einem Dauerabonnement zu bewegen und ihm damit zu immerwährendem Glück zu verhelfen.

Was sich 1991 in Loriots Filmkomödie „Pappa ante Portas“ als eine skurrile Marotte ausnahm, erschien nach Ausrufung des „Klimanotstands “ als eine Vorahnung gegenwärtiger Verhältnisse: Bis dato obskur wirkende Wissenschaftler erlangten plötzliche Bekanntheit und wurden zu absoluten Autoritäten, weil sie – auch ohne ausreichende Beweisgrundlage – apokalyptische Visionen als unumstößliche Wahrheiten ausgaben. Die von ihnen geschürte Panik nutzte eine leichtgläubige Jüngerschar, um die Menschheit mit neuen Heilswahrheiten zwangszubeglücken. Und tüchtige Geschäftsleute ergriffen die Gelegenheit, aus dem Bedürfnis nach moralischer Hygiene Kapital zu schlagen.

Wurzelbürsten und Windräder gegen den Weltuntergang

Als nicht weniger hellsichtig erwies sich in Loriots Film der Dialog, den die Eheleute Lohse nach dem Erwerb der Weltrettungsutensilien führten. Kurz zuvor hatte Herr Lohse nämlich auch noch für die kommenden Jahre eine ganze Palette Senf auf Mengenrabatt geordert, was seine Gemahlin zu einer sarkastischen Bemerkung veranlasste: „Na wunderbar! Die Welt geht unter, aber wir haben Senf, Wurzelbürsten und Badezusatz.“

Dieses Zitat dürfte manchem in den Sinn gekommen sein, als die bayerische Lokalpresse überschwänglich vermeldete, auf den Dächern aller Münchner Polizeistationen seien Bienenstöcke angebracht worden, um dem Insektensterben Einhalt zu gebieten. Wie schön, mochte der kritische Leser sich gedacht haben: Die Sicherheitsorgane verzweifeln angesichts einer sprunghaft angestiegenen Kriminalität, das Land steuert heftigsten sozialen Verwerfungen entgegen – aber wir haben Windräder, Elektroroller und Bienenstöcke. Oder, um mit Katrin Göring-Eckhardt, der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, zu sprechen: Biene und Schmetterling wissen nun, dass wir uns für sie einsetzen.

Das Leben als Realsatire eben. So weit so gut. Oder doch nicht?

Spätestens seit dem tränenreichen Wut-Auftritt der Klimaprophetin Greta Thunberg vor der UNO dürfte klargeworden sein, dass es den Umweltaktivisten und den hinter ihnen stehenden NGOs nicht nur darum geht, das an sich berechtigte Anliegen des Umweltschutzes für geschäftstüchtige Scharlatanerie (Wurzelbürste) und gutmenschlichen Wohlfühl-Aktionismus (Bienenstöcke) zu missbrauchen. Was wirklich droht, ist die Gleichschaltung und Entmündigung der Gesellschaft.

Die angestrebte Wirkung bleibt nicht aus. Schon jetzt laden verängstigte Demonstranten die Regierenden dazu ein, ihnen ihre politischen und geistigen Freiheiten zu nehmen: indem sie um mehr Zwangsabgaben, mehr Vorschriften, mehr Verbote und um mehr geistige Führung betteln. Der proklamierte Klima-Notstand verlangt nach einer neuen Notstandsgesetzgebung. FFF – ein ungewolltes Kürzel für ‚Free From Freedom’.

Die Klima-Inquisition

All das erinnert an das Menschenbild von Dostojewskis Großinquisitor. In einem fiktiven Gespräch mit Christus rechtfertigt der Kirchenfürst seine Tyrannei mit der Behauptung, der Mensch sei unwillig und auch unfähig, selbstbestimmt zu leben. Christus wirft er vor, die Menschen mit Seinem Angebot einer absoluten Freiheit überfordert und um ihr Glück betrogen zu haben. Schließlich habe Er alle drei Möglichkeiten ausgeschlagen, die der Große Versucher Ihm in der Wüste zum Segen der Menschheit eröffnet habe. Erstens Steine in Brot zu verwandeln, um die Bedürftigen von allen materiellen Nöten zu befreien. Zweitens sich von den Zinnen des Tempels zu stürzen und von Engeln auffangen zu lassen, um durch den Beweis Seiner Göttlichkeit die Zweifler von ihrer Ungewissheit zu erlösen. Drittens die Herrschaft über alle Reiche der Erde anzutreten und die Menschen zu einer globalen Gemeinschaft zu vereinen, um den Ängstlichen das Gefühl der Bedrohung zu nehmen.

Nichts Anderes scheint die neue FFF-Bewegung anzustreben – gerade auch im Zusammenspiel mit der Migrations-Agenda, der Genderideologie und dem Multikulturalismus. Wie dem Großinquisitor schwebt ihr eine homogenisierte Universalgesellschaft vor, die durch supranationalen Kollektivismus Sicherheit verspricht, durch Freiheitsentzug das Gewissen entlastet und durch die Erschaffung einer messianischen Führerfigur Orientierung schenkt. Skeptiker werden als Sünder an den Pranger gestellt, Abweichler für krank erklärt. Und einige Extremisten errichten bereits die ersten verbalen Scheiterhaufen: Wer die Existenz aller aufs Spiel setzt, verwirkt eben auch sein eigenes Existenzrecht. Nach dem Motto der 1968er Bewegung „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ wird die Verfolgung Andersdenkender erst zur Notwehr, dann zum Widerstand und schließlich zur heiligen Pflicht.

Letztlich beruht diese Radikalisierung auf einem dichotomen Weltbild. Es gibt nur Gut oder Böse, Akzeptanz oder Leugnung, Hingabe oder Verrat. Die Gesinnung erhebt sich über das Recht, die Emotion über die Vernunft. Verstärkt und gesteuert wird dieses manichäische Sektierertum von selbsternannten Hohepriestern. Im Namen einer neuen Zivilreligion erlösen sie von Schuldgefühlen, die sie zuvor in den Menschen selber geweckt haben. Sie nehmen Ängste, die sie selber schüren und befreien von Zweifeln, die sie selber säen.

Bekenntnis statt Erkenntnis

Natürlich, und dies ist mehr als nur ein Nebeneffekt, bildet dieses System auch neue Herrschaftsstrukturen aus. Eine Demokratie, in der die unwissende Masse ihre kurzsichtigen Bedürfnisse per Mehrheitsbeschluss durchsetzen kann und in der ‚falsche’ Meinungen frei geäußert werden dürfen, gilt als nicht mehr zukunftsuntauglich. Fortan bedarf es der lenkenden Autorität von ‚Sachverständigen’. Diese nennen sich Scientists for Future. Die Namenswahl ist Programm.

Die akademische Systemelite assistiert der neuen Priesterkaste als intellektueller Wächterrat. Ihre Kompetenz leitet sie allein aus der Behauptung ab, sie sei sich zu 97 Prozent einig. Erkenntnis erwächst also nicht aus dem Diskurs, sondern aus einer a priori gegebenen Gewissheit. Wissenschaft wird zum Bekenntnis. Auch dies ist nicht neu. Schon in früheren Jahrhunderten herrschte unter den Sachverständigen bisweilen völlige Einigkeit in elementaren Fragen – etwa darüber, dass die Sonne sich um die Erde drehe. Wer dies anders sah, wurde durch die Inquisition diszipliniert.

Die Hölle auf Erden

Seit jeher hat sich Tugendterror mit Heuchelei gepaart. Die Gewissenlosen appellieren an das Gewissen, die Unmoralischen predigen die Moral, die Ungläubigen beschwören den Glauben. Neben das Betrügen der Einfältigen tritt der Selbstbetrug der Hochmütigen. Die Klima-Aktivisten sind überzeugt, das verlorene Paradies zurückgewinnen zu können: nicht mehr durch technischen Fortschritt wie in früheren Generationen, sondern durch die Rückkehr in vorindustrielle Verhältnisse.

Zugleich wird die Rolle des Weltenretters, die einst vorzugsweise Tribunen, Revolutionäre, Demagogen und Diktatoren beanspruchten, popularisiert (gewissermaßen als Entschädigung für den Entzug realer demokratischer Grundrechte). Bekanntlich endeten in früheren Zeiten die Versuche, das Paradies auf Erden zu erzwingen, immer nur in einem: der Hölle auf Erden. Dass es diesmal anders kommen wird, steht zu bezweifeln.

Die Wölfe im Schafspelz

Damit aber ist der Klima-Wahn keine Loriot’sche Realsatire mehr. Er ist ein Weltendrama im Sinne des spanischen Dichters und Mystikers Calderon: Es tobt ein Kampf um die Menschen und ihre Seelen. Umso mehr möchte man gerade den vielen Jugendlichen mit ihrem durch Ideologen fehlgeleiteten Idealismus die Warnung Jesu vor den falschen Propheten ans Herz legen. Jene werden in Zeiten der Bedrängnis wie Wölfe im Schafspelz auftreten, um die Menschheit mit wohlfeilen Versprechen in die Irre zu führen (Matthäus-Evangelium 7,15-16 u. 24,23-24).

Wenn etwas die Welt retten kann, dann ist es die Entschlossenheit, solch totalitären Heilsbringern zu widerstehen.

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