Unter diesem Titel brachte «Die Welt« Anfang des Monats einen Leitartikel von Claudia Becker. Das Lead ist im frei zugänglichen Anriß ihres Beitrags ersichtlich. Mangels einer vollständigen Online-Version fasse ich zunächst den Inhalt zusammen. Danach folgt meine Korrespondenz mit der Autorin, die unter anderem auf ein unterschiedliches Verständnis von Christentum hinausläuft. Autor: Ein Gastbeitrag von Lothar Mack (Lichtung.life)
Frau Beckers Beobachtungen weisen in Richtung Fakten. „Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann, eine Frau, Freundin oder Ex-Partnerin zu töten.“ Bis auf einige „spektakuläre Fälle“ wie den Mord an Mia in Kandel würden diese Meldungen jedoch allenfalls in der Lokalpresse aufgegriffen. „Wie schaffen wir das, einfach wegzusehen? Wo bleibt der Aufschrei?“
Neben statistischen Angaben aus verschiedenen europäischen Ländern führt die Autorin exemplarisch eine große Demonstration in Israel an, bei der im vergangenen Dezember nach einem Mord an zwei Mädchen über hunderttausend Menschen auf die Straße gegangen seien. „Und in Deutschland?“
An dieser Stelle bringt die Autorin nun ihre Sicht der Ursachen von Gewalt gegen Frauen und ihre Empfehlungen für Gegenmaßnahmen. Das Aktionsprogramm der Bundesregierung gegen Gewalt an Frauen vom September 2018 greife ebenso kurz wie eine Aufklärung über Geschlechtskrankheiten; überfüllte Frauenhäuser zeigten die Dringlichkeit einer Situation, die „vor allem für Migrantinnen“ katastrophal sei. Zwar gebe es „Umstände und Strukturen“ und mitunter ein „bestimmtes religiöses bzw. kulturelles Milieu“ sowie Traditionen, die Gewalt gegen Frauen besonders fördern würden, aber letztlich gehe dieses Phänomen „durch alle Schichten und ethnischen Gruppen“. Überhaupt seien zwei Drittel der Tatverdächtigen „deutsche Staatsbürger“.
Die Ursachen dafür lägen im Alkohol- und Drogenmißbrauch einschließlich dem Feierabend-Bier, in „mangelnder Bildung und psychischen Problemen“, bei Gewaltpornos und an sich bei einer auf kurzfristige Triebbefriedigung ausgerichteten „Gesellschaft“, was zusammen die „Frustrationstoleranz“ senke. – Und was hilft dagegen? Verstärkte Integrationskurse, die „auch kulturelle Besonderheiten in Deutschland“ vermitteln, und das selbstkritische Gespräch „über unser eigenes Wertesystem“.
Deutschland läßt einen Aufschrei vermissen. Warum?
Diese Sicht der Dinge konnte ich nicht unwidersprochen lassen und habe der Autorin geschrieben.
Mit Zustimmung von Frau Dr. Becker gebe ich unseren Mailwechsel weiter.
Sehr geehrte Frau Becker
„Deutschland läßt einen Aufschrei vermissen. Warum?“
Die Frage ist gut gestellt; präzise, direkt, ohne Umschweife. Drei ganze Spalten füllt der Artikel auf dieses Lead hin. Aber die Antwort bleiben Sie schuldig.
Sie nähern sich der Frage, umkreisen sie – und verflüchtigen sie und sich selber schließlich ins Allgemeine. Die Stichworte am Schluß offenbaren es: Gesellschaft, lernen, Respekt, Partnerschaftlichkeit, unser Wertesystem, darüber sprechen. Manche Kulturen würden so ein Lernen halt nicht nahe legen, aber jetzt hätten diese Männer ja die Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen, und können sich in einem Kurs warmlaufen für aggressionsfreies Verhalten daheim.
Ist soviel Gutgläubigkeit auf einem Haufen möglich? Kaum zu glauben! Sie meinen, werte Frau Becker, tatsächlich, daß ein Deutschland, das mit sich selber alles andere als im reinen ist, sich als moralische Umerziehungsanstalt für Männer eignet, denen ihre eigene Religion eine Frauenverachtung sogar gebietet? Eine solche Gewalt hat eine ganz andere Dimension als bei Alkohol oder Drogen. Von Letzteren kann man ausnüchtern, eine religiöse Indoktrination hingegen sitzt in der Seele fest und wirkt weit über jedes gewaltbegünstigende „Milieu“ hinaus. Sie ist eine Macht per se. – Ein Kurs oder eine Gesprächsrunde über „unser Wertesystem“ klingen da – entschuldigen Sie bitte – wie blanker Hohn.
Ich lese von Ihnen kein einziges kritisches Wort gegenüber dem massenhaften Import von Menschen aus der Dritten und speziell der islamischen Welt mit ihrer immanenten Frauenverachtung. Wenn Sie nicht einmal vom sicheren Schreibtisch aus einen Aufschrei wagen, dann frage ich mich, wie nahe Ihnen die bestialischen Morde an den zahllosen Frauen tatsächlich gehen. Ich möchte gerne glauben, daß Sie die Frage in der Überschrift – „Sind Morde an Frauen egal?“ – verneinen wollen. Die Art Ihrer Ratschläge zeigt mir hingegen, daß Sie sich mit dem Thema übernommen haben. Ich lese kein eindeutiges Nein auf jene Frage, hingegen viel Beschwichtigen und Verallgemeinern. Aber damit ist kein einziger Mord verhindert. Im Gegenteil!
Zu Ihrer Kenntnisnahme schicke ich Ihnen die Traueransprache mit, die ich Ende Dezember letzten Jahres zum ersten Todestag der 15jährigen Mia aus Kandel gehalten hatte.
Mögen Sie und Ihre Familie vor Gewalt verschont bleiben.
Freundliche Grüße,
Lothar Mack, Pfr.
„Integrationskurse sind eine Chance“
Frau Beckers Replik, wenige Stunden später
Lieber Herr Pfarrer Mack,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre ausführliche Mail und Ihre kritische Resonanz.
Sie werfen mit „Gutgläubigkeit“ vor. Natürlich dürfen auch Christen nicht naiv sein, nicht die Perlen vor die Säue werfen. Aber ist es nicht gerade das: den Glauben an das Gute nicht zu verlieren, was das Christentum ausmacht?
Mir ist durchaus bewusst, dass der Islam die Frau nicht als gleichberechtigt betrachtet und dass davon eine große Gefahr ausgeht. Das habe ich auch geschrieben. Ich kann daraus aber nicht automatisch folgern, dass eine muslimische Ehe grundsätzlich die Hölle für die Frau sein muss. Ich glaube auch nicht, dass wir die Gewaltprobleme lösen, indem wir die Grenzen schließen. Dagegen spricht nicht zuletzt die Gewalt, die von „Biodeutschen“ ausgeht.
Aber ich glaube an die Macht des Wortes und des Lernens. Und deshalb denke ich, dass Integrationskurse, wenn sie denn ernsthaft betrieben werden und der Besuch kontrolliert wird, eine Chance sind.
Einen schönen Tag für Sie
mit besten Grüßen aus Berlin
Claudia Becker
„Die Folgen dieser Lernunwilligkeit sehen und hören wir täglich“
Meine abschließende Antwort kurz darauf
Guten Morgen, Frau Becker
Sie überraschen mich mit einer Antwort – besten Dank!
Es wird Sie allerdings wenig verwundern, wenn ich sage, daß ich auch mit diesen Ihren Gedanken nicht sehr weit übereinstimme.
Wenn der „Glaube an das Gute im Menschen“ das Christentum ausmachen würde, nun, dann hätten wir genau die kirchlich legitimierte Naivität, wie sie seit vielen Jahren um sich greift und Massen von Menschen, von einheimischen Deutschen und Nicht-Deutschen, von Herzen abstößt. In einem solchen Umfeld hatte Mia ihren Mörder kennengelernt, wie Sie vielleicht wissen.
Was besagt Ihr Hinweis auf nicht notwendig höllenträchtige islamische Ehen? Auch in den Vorstufen kann es heiß hergehen, und nicht jeder Moslem befolgt seine Religion wortwörtlich. Es hatte ja auch nicht jeder Nazi eigenhändig Juden umgebracht. Was ich damit sagen will: Daß das je eigene Humanum oft das Böse verhindert, daß es aber Systeme gibt, die diesen inneren Schutz aushöhlen, weil sie von ihren Gläubigen das Gegenteil verlangen. In historischen Dimensionen ist das halt manchmal leichter nachzuvollziehen als in aktuellen. Die Folgen dieser Lernunwilligkeit sehen und hören wir täglich. Ihre Art, dieses Problem anzugehen bzw. ihm auszuweichen, unterstützt sie. Ich kann es nicht milder sagen.
Sie kennen das Heftchen von Emmanuel Mounier, Der Christ stellt sich? Er schrieb es im Winter 1943/44 als Weckruf für eine eingeschlafene Christenheit und in später Auseinandersetzung mit Nietzsche. Ein fast willkürliches Zitat daraus: „Solange die Dekadenz in unserer Umwelt vorherrschend ist, besteht die Gefahr darin, … daß man die Rückgraterweichung des aufrechten Mannes [Frauen waren damals noch „inklusive“] mit christlicher Demut und christlichem Gehorsam zu entschuldigen sucht.“ Seite 74. Oder kurz vorher: „Eine Religion der Fingerspitzen ergreift nichts, nicht einmal das Reich Gottes.“ Seite 72
„Der Baum wird erkannt an seinen Früchten. Eine Tugend, die erniedrigt, ist verfälschte Tugend. Sie sind nämlich auch in der Tugend bescheiden – denn sie wollen Behagen.“ Nietzsche, zitiert bei Mounier, S. 57.
Das ist meine – nicht unbegründete – Unterstellung gegen dieses Verständnis von Christentum und gegen diese Praxis von Journalismus.
Machen Sie es besser!
Herzliche Grüße,
Lothar Mack
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