Wir dokumentieren hier die Rede, die Pfarrer Lothar Mack (Schweiz) bei der Gedenkfeier für Mia Valentin (gestorben am 27. Dezember 2017) in Kandel am 27. Dezember 2018 gehalten hat.
Es ist schrecklich, hier zu stehen. Ich kenne die Pfalz als langjähriger Urlauber. Und dann das! Ich verstehe den Wunsch nur zu gut, einfach Ruhe einkehren zu lassen und nicht immer wieder an diese schlimme Tat erinnert zu werden. Manchen Menschen gelingt das ja.
Aber es ist auch hilfreich, seine Trauer zu teilen und zu schauen: Was heißt das jetzt für unser Leben, für unser Land? Der Mord an Mia hätte diesen Widerhall nicht gefunden, wenn er für unsere Zeit und unser Zusammenleben nicht eine tiefe Bedeutung hätte.
Warum werden Parolen gerufen? Weil wir Angst haben
Man kann diesen Tag verschieden begehen: für sich alleine, in einem Gottesdienst oder hier im Freien. Keine Form ist besser als die andere. Wir haben uns für hier draußen entschieden.
Dieser Mord steckt uns weiterhin in den Gliedern. Er macht mehr als nur „betroffen“. Er lähmt und macht Angst. Warum werden Parolen gerufen? Weil wir Angst haben. Die einen haben Angst davor, daß sich so etwas wiederholt, und die anderen haben Angst davor, daß ihr Weltbild einer bunten Friedlichkeit zerbricht.
Beide Ängste sind berechtigt! Und beide können weiterführen, wenn wir uns ihnen stellen: die eine zu einem realistischeren Sicht auf die Dinge und die andere zu einer Bürgerbeteiligung, wie sie sich eine Demokratie eigentlich nur wünschen kann.
Den Mut zu beidem, zum inneren Wechsel und zum guten Einsatz, den finden wir von außen: in einem Glauben, der sich nie gegen Menschen richtet und der immer wieder die Kraft gibt, standzuhalten und Unrecht zu benennen.
Diesen Mut brauchen wir. Denn irgendwie breitet sich im reichen freien Deutschland ein Mehltau der Beklommenheit aus; Beklommenheit über das, was passiert, und Beklommenheit über das, was fast nicht mehr gesagt werden darf. Das lähmt.
Wenn das Verschwiegene keinen Ausweg findet, wird es zur Vergiftung von innen her
„Aus der Psychologie wissen wir, dass Verschwiegenes und Verdrängtes im Menschen weiterwirkt“, sagte spätere Papst Benedikt vor längerer Zeit in einem ähnlichen Zusammenhang. „Und wenn das Verschwiegene keinen Ausweg findet, wird es zur Vergiftung von innen her.“ Und weiter:
„Was im Leben des einzelnen gilt, das gilt auch für die Völker. Unterdrückte Wahrheiten werden zu gefährlichen Mächten, die den Organismus von innen her vergiften und irgendwo herausbrechen. Nur die Annahme der Wahrheit kann heilen. Liebe braucht Wahrheit und darf nicht ohne sie sein.”
Oder wie es in der Bibel heißt: „Wer die Augen verschließt, denkt verkehrt.“ Machen wir also die Augen auf und schauen auf unsere Politik, auf unser Christentum und auf uns selbst.
1. Unsere Politik
„Jetzt machen wir hier ‚mal multikulti und leben so nebeneinander her und freuen uns übereinander – dieser Ansatz ist gescheitert, absolut gescheitert.“ Dieser Satz ist 15 Jahre alt, und er stammt von einer Frau Angela Merkel (vom CDU-Parteitag am 1. Dez. 2003 in Leipzig). Man hört und staunt!
Auch über das, was sie einige Jahre später gesagt hat: „Abenteuer einzugehen verbietet mein Amtseid“. Das war im 2012, im Zusammenhang mit Griechenland und dem Euro.
Drei Jahre darauf, am 13. November 2015, ließ sie dagegen im ZDF freimütig verlauten: „Ich kämpfe für den Weg, den ich mir vorstelle, für meinen Plan, den ich hab: aus Illegalität Legalität zu machen und dafür mit aller Kraft einzustehen, ja.“
Welchen Reim soll man sich darauf machen? Vielleicht den: Das neue „Multikulti ist ein Abenteuer mit der Illegalität“. Denn welches Recht soll gelten? Das des Stärkeren?
„Die rechtsstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik ist in diesem Bereich [des illegalen Grenzübertritts] seit rund eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt“, urteilte das OLG Koblenz am 14. Feb. 2017.
Im Oktober 2015 hielt der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, eine beeindruckende Rede. Er sagte, die „Vielfalt“ (das Zauberwort ist „diversity“) sei dazu da, um „sicherzustellen, dass nirgends mehr homogene Gesellschaften bestehen bleiben“, und zwar „bis in den entlegensten Winkel dieser Erde, damit die Menschlichkeit sich durchsetzt“. Timmermans ist EU-Kommissar für Rechtsstaatlichkeit, und er ist ein ehrlicher Mann; er nennt nämlich auch den Preis dafür: „Ich glaube fest daran, daß Europa für lange Zeit kein Ort des Friedens und der Freiheit mehr sein wird.“
Das nenne ich Rassismus und Menschenverachtung auf höchster Stufe
Und wenn wieder einmal die Frage auftaucht: „Warum?!“ dann ist das eine Antwort ist die: weil auf oberster Ebene solche Pläne ausgeheckt und umgesetzt werden und weil es Leute und Institutionen gibt, denen man eine solche Politik als „Nächstenliebe“ verkaufen kann.
Leisten diese beiden Politiker also Beihilfe zum Mord? Ich bin kein Jurist, ich kann das nicht sagen. Aber ich sage als Theologe: Das ist Beihilfe zum Menschenopfer. Im Namen der „Vielfalt“ werden die Schwächeren der Gesellschaft, Alte, Frauen und Mädchen, einer Importkultur ausgesetzt, die auch pure Frauenverachtung mit sich bringt. Man nimmt solche Opfer in Kauf.
Ist das jetzt eine Haßrede, die ich ich da führe? Ja, ich hasse es, so reden zu müssen, und ich hasse solche Zustände.
Aber wir MÜSSEN heute auch von solchen Dingen reden, denn ohne sie wäre Mia noch am Leben. Wir MÜSSEN davon reden, denn so ein Mord kann sich weiterhin jeden Tag wiederholen.
Ich fühle mich als Deutscher und als Seelsorger verantwortlich, diese Mißstände mindestens beim Namen zu nennen, grade an so einem traurigen Tag.
2. Christentum
Ein zweites Schlaglicht betrifft unser Christentum.
In den Kirchen herrscht im großen und ganzen eine Dreifaltigkeit von Tabus, von Dingen, die man nicht infrage stellen darf: die Säuglingstaufe, die Kirchensteuer und den Islam. Wenn man das aber tut, dann riskiert man, daß mancher brave Hirte Zähne zeigt.
Warum gehört der Islam zu diesen Tabus? Ich sehe 3 Gründe:
–> 1. Es vollzieht sich eine große Bußübung: Was einmal den Juden gegenüber versäumt wurde, soll jetzt gegenüber dem Islam nachgeholt werden. Luther würde dazu sagen, das ist Werkgerechtigkeit, ein Ablaßhandel auf dem Weg der Moral.
–> 2. Die interreligiöse Willkommenskultur macht Kirche wieder bedeutsam. Vom rechten Glauben redet keiner mehr, das ist intolerant. Man verkündet und zeigt die rechte Gesinnung, nämlich religiöse Vielfalt um jeden Preis. Von der Vielfalt zur Einfalt ist es zwar oft nur ein kleiner Schritt, aber das fällt nur von außen auf.
–> 3. Man teilt mit dem Islam die Beurteilung von Jesus: Im wesentlichen ist er ein guter Lehrer, ein „Prophet“. Mit wirklicher Erlösung hat er nicht viel zu tun. Drum kann man dann auch schon ‚mal in der Öffentlichkeit sein Kreuz wegstecken, wenn es opportun erscheint.
Ich sage: Wenn der Gott des Islam und der Gott der Bibel ein und derselbe sind, dann bin ich den letzten Tag Pfarrer gewesen!
Zwei weitere Umstände sorgen dafür, daß von den Kirchen kein engagierter Widerstand kommt.
Die katholischen Bischöfe leisten ihren Amtseid weiterhin nach dem Reichskonkordat vom 20. Juli 1933: „Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, der Bundesrepublik Deutschland [damals: dem Deutschen Reich] und dem Lande [soundso] Treue.“ – „Ich verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen“. – Das fördert keine freie kritische Rede.
Aber wie ist das: Wenn eine Regierung Multikulti als ein „Abenteuer mit der Illegalität“ betreibt und dabei Opfer in Kauf nimmt – gilt dieser Eid dann noch? Das wird jeder für sich selbst beantworten müssen.
Auf lutherischer Seite, allgemein auf evangelischer Seite, wirkt etwas anderes im Hintergrund: die sogenannte Zwei-Reiche-Lehre. Der Staat ist für das eine zuständig, die Kirche für das andere. Man schaut, daß man einander möglichst wenig in die Quere kommt. Aber das kann eine Demokratie ausbremsen und eine Kirche zutiefst beschränken. Sie sagt dann oft weniger als gut wäre und not tut. – Liebe Kollegen: Da geht noch ‚was!
Wir MÜSSEN auf Zusammenhänge schauen, in der Politik wie im Christentum, wenn wir Verantwortung für unser Land und unsere Lieben wahrnehmen wollen und wenn sich solche abscheulichen Taten nicht wiederholen sollen. Wir dürfen es nicht akzeptieren, daß immer mehr Frauen und Mädchen nur noch geduckt oder gar nicht mehr unterwegs sind. Wer wollte einen dafür am Ende gar noch schelten??
Wenn wir nicht hinschauen, dann ist die Gefahr groß, daß wir uns instrumentalisieren lassen, nämlich von einer Politik, die Teil des Problems ist statt Teil der Lösung.
3. Der Blick auf uns selbst
Jeder sehnt sich nach Ruhe, und jeder drückt das anders aus.
– Die schweigende Mehrheit sucht Ruhe und probiert, das Ganze wegzuschieben. „Aus und vorbei; zwar nicht vergessen, aber es muß weitergehen.“
– Eine politische Linke sucht Ruhe, wenn sie schreit: „Gebt endlich Ruhe! Wir wollen, daß unsere geistige Welt ungestört bleibt.“
– Politiker suchen Ruhe, wenn sie beschwichtigen. „Es läuft nicht alles nach Plan, aber wir kriegen das schon hin, keine Sorge.“
– Der Kontrollbeamte an einer Veranstaltung … indem er eifrig notiert, was vielleicht seinen Vorgesetzten mißfallen könnte; denn die wollen ja „in Ruhe“ regieren.
– Die Opfer (und das ist die verständlichste aller Reaktionen) in einem Rückzug aus Resignation. „Es nützt ja doch nichts mehr.“
– Und auch manche Kirchenleute suchen Ruhe, indem sie sich und anderen sagen: „Aber wir haben ja unseren Glauben, in dem wir uns bergen können.“ Aber diese Haltung hat mir weniger mit Glaube zu tun als mit Biedermeier, jener gefährlichen Mischung aus Gemütlichkeit und Angst.
Und innen rumort es weiter. Wir brauchen also mehr als Ruhe, wir brauchen Frieden – für uns selber wie für unser Land. Wo kommt dieser Frieden her? Zum ersten und vor allem aus dem Stillhalten. Zur eigenen Unruhe stehen, sie nicht überspielen, nicht übertönen, weder lautlich noch ideologisch, sondern sie aushalten, am ehesten gemeinsam. „Was bräuchte ich jetzt, was bräuchten wir jetzt, eigentlich?“ Hinschauen, hinspüren. – Wie finden wir Frieden? Zum zweiten, indem wir ein Fensterchen aufmachen in die Richtung, aus der es heißt, daß der Frieden kommen könnte.
Ein Neugeborenes in einem ärmlichen Stall, das ist der kleinste gemeinsame Nenner der Menschheit. – Die Zusage, „Euch ist heute der Heiland geboren“, das ist der größte gemeinsame Nenner der Menschheit. Dazwischen bewegt sich in ungemütlicher Dunkelheit eine hin und her gerissene Schar von Hirten und anderen Leuten. Und an einer Stelle merken sie dann: „Es ist wahr, Er ist es wirklich!“ Dann kommt Frieden ins Herz, und ich merke: „Ich bin ein freier Mensch! Ich muß mich nicht mehr eigenmächtig verteidigen. Endlich kann ich die Welt anschauen, wie sie ist, und hab trotzdem Halt.“ Blick, Atem und Herz weiten sich.
In jener Geschichte, die Sie alle kennen, hatte sich der Lobgesang von oben mit dem von unten vereint, und die Menschen wurden lebendig. Denn das ist oft das erste Zeichen von Frieden: daß die Menschen wieder anfangen zu singen.
Und am Ende wird dieses Singen beide vereinen: die Lebenden mit den Toten.
Gott segne euch.
Gott segne euch mit Frieden, und durch euch unser Land.
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