Die Mordbrennerei in El Paso hat ihre Grundlage in einer faschistischen Unkultur weißer Herrenmenschen, die Menschen schlicht und einfach mordet, weil sie eine andere Hautfarbe, Religion oder Kultur haben, und in diesem rassistischen Weltbild als Projektionsfläche der untermenschlichen Gegenkultur der eigenen weißen Überkultur dienen. Ein Gastbeitrag von Dr. Dr. Marcus Ermler
Ein russischer Philosoph hat es in seinem Porträt des Nationalsozialismus einmal so formuliert:
„Um die Nation über die Geschichte zu erheben, gab man ihr als Stütze die Rasse. Den geschichtlichen Ablauf betrachtet man als Emanation der Rasse. Die Eigenschaften der Rasse werden ohne Bezug auf die veränderlichen gesellschaftlichen Bedingungen konstruiert. Das niedrige ‚ökonomische Denken‘ ablehnend, steigt der Nationalsozialismus ein Stockwerk tiefer, gegen den wirtschaftlichen Materialismus beruft er sich auf den zoologischen […] Wie herabgekommener Adel Trost findet in der alten Abkunft seines Bluts, so besäuft sich das Kleinbürgertum am Märchen von den besonderen Vorzügen seiner Rasse.“
Der weiße Rassismus hat nicht nur im NS-Terror eine zutiefst mörderische Konstante, auch demokratische Staaten können dieser antiaufklärerischen Unkultur erliegen. Der historische Kontext soll an einem Beispiel verdeutlicht werden, das ich nach dem Terroranschlag von Christchurch für Achgut.com im Artikel „Christchurch: Der weiße Herrenmensch“ erfasste.
Ein faschistischer Dämon erwacht
Blicken wir zurück in die Geschichte der USA und beginnen in den 1870er Jahren. Der ökonomische Aufschwung, der nach dem Sezessionskrieg in der Reconstruction um 1870 seinen Ausgang nahm und die USA von einer Agrar- in eine Industrienation transformierte, lud Millionen von Menschen ein, als Einwanderer ihre Chance auf Arbeit und Wohlstand zu suchen.
Sie folgten dem Leitspruch „Life, Liberty and the pursuit of Happiness“ der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Sie waren also Glückssuchende. Auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Familie.
Der weiß und protestantisch geprägte zweite Klan haßte und mordete nicht nur Schwarze, sondern richtete sich in seinem Wahn ebenso gegen Katholiken und Juden
Zwischen 1870 und 1915 wanderten so circa 20 Millionen Menschen in die USA ein. Jedoch nicht ohne Folgen für die US-amerikanische Gesellschaft, die 1870 noch 38,5 Millionen Menschen umfasste und 1920 bereits 106 Millionen. Diese Masseneinwanderung weckte einen faschistischen Dämon aus seinem fünfzigjährigen Schlaf auf. Es war der Ku-Klux-Klan, der zu Beginn der 1870er Jahre eigentlich bereits ausgetrieben und endgültig begraben schien. In seiner zweiten Drangphase wurde er auch als zweiter Klan bezeichnet.
Während der erste Klan im Sezessionskrieg und der Reconstruction durch Gewalt und Terror die rechtliche wie gesellschaftliche Gleichstellung von Schwarzen bekämpfte, waren die Ziele des zweiten Klans viel weitergehender und staatszersetzender. Der weiß und protestantisch geprägte zweite Klan haßte und mordete nicht nur Schwarze, sondern richtete sich in seinem Wahn ebenso gegen Katholiken und Juden, die vermehrt aus aus Ost- und Südeuropa einwanderten. Dieser weiße Rassismus war mannigfaltig begründet: wirtschaftlich, religiös und aus Furcht vor einer vermeintlichen Bolschewisierung der USA.
Die Geburt einer weißen Nation
Den Gründungsmythos des zweiten Klans lieferte der Bürgerkriegsfilm The Birth of a Nation. Ein rassistisches Machwerk, das filmisch opulent aus Sicht des ersten Klans den Krieg zwischen Nord- und Südstaaten reflektierte. Die polit-ideologische Instrumentalisierung dieses Films durch sich als weiße Herrenmenschen sehende Richter, Bürgermeister, Politiker aus Senat und Repräsentantenhaus, Demokraten wie Republikaner, führte zu einem dramatischen Mitgliederzuwachs.
Im Jahr 1915 noch wenige tausend Mitglieder umfassend, hatte der Klan in der Mitte der 1920er Jahre bereits fünf Millionen weiße Mittelschicht-Amerikaner aus den Süd- wie Nordstaaten hinter sich versammelt. Es wird sogar vermutet, dass sich US-amerikanische Präsidenten mit dem Klan solidarisierten.
Schwarzenhasser, Antisemiten und Katholikenfeinde
Die grenzenlose Einwanderung in den USA führte also zur Wiederauferstehung des herrenmenschlichen Ku-Klux-Klan. Er war die Heimat von faschistischen Suprematisten, Schwarzenhassern, Antisemiten und Katholikenfeinden, die auch vor Mord und Terror nicht zurückschreckten. Mehr noch waren Terror und Mord ihr probates Mittel um ihre weiße Überkultur gesellschaftlich zu verbreiten und zu festigen.
Die US-amerikanische Zeitung The Atlantic fasst dies wie folgt zusammen (im Folgenden von mir übersetzt):
„Von den späten 1910er bis in die 1920er Jahre begingen Mitglieder des Ku-Klux-Klans hunderte von Prügelattacken sowie Auspeitschungen und Dutzende von Morden. Sie bedrohten Schwarzhändler, peitschten Mexikaner aus, teerten und federten Ärzte, die Abtreibungen durchführten, und setzten Politiker massiv unter Druck. Sie lynchten schwarze Menschen, sie stellten auf Nachtfahrten Prostituierte bloß, um ihnen Angst einzujagen, tyrannisierten Juden und geißelten junge Frauen, die mit Männer in einem Auto fuhren.“
Dem weißen Herrenmenschtum das Fundament entziehen
Diesem zutiefst menschenverachtenden Weltbild sieht sich auch der Mordbrenner von El Paso verpflichtet. Mordet er heute Hispanics, sind es morgen Juden, Schwarze oder wer immer seinem rassistischen Weltbild widerspricht. Dieser Mann ist ein vortrefflicher Repräsentant dieser nazistische Ideologie, des rassistischen Wahns der Überlegenheit der eigenen weißen Überkultur.
Sie entzog dem Klan das politische Fundament, indem sie den Unmut ernst nahm, den eine grenzenlose Einwanderung in weiten Teile der weißen Mittelschicht nach sich zog.
Wie aber konnte die US-amerikanische Politik den zweiten Klan, also ihren home grown fascism besiegen? Sie entzog dem Klan das politische Fundament, indem sie den Unmut ernst nahm, den eine grenzenlose Einwanderung in weiten Teile der weißen Mittelschicht nach sich zog. Zwischen 1921 und 1924 wurde hierfür die Immigration aus vielen Ländern der Welt eingeschränkt und ein neues Einwanderungsrecht zur Quotierung von Migration umgesetzt.
Als Konsequenz fiel dieser rassistische Wahn bereits in den 1930er Jahren in sich zusammen. Der Clan hatte nur noch wenige zehntausend Mitglieder. Eine Kapitulation vor dem Ku-Klux-Klan-Faschismus war dies übrigens mitnichten. Weiterhin war (und ist!) die USA ein Einwanderungsland. Wenn auch ein nun schärfer reglementiertes wie quotiertes.
Wer sich etwas ausführlicher mit der Wiedererweckung des Ku-Klux-Klan beschäftigen will, sollte einen Blick auf die sehr informative Website des Department of History der Ohio State University über den Clash of Cultures in the 1910s and 1920s werfen.
Weiterbildend wie lesbar sind auch der Artikel When Bigotry Paraded Through the Streets der amerikanische Zeitschrift The Atlantic sowie mit Abstrichen auch der etwas moralinsaure Artikel The Second Klan aus der Wochenzeitschrift The Nation.
Lesen Sie hierzu auch „Der Faschismus braucht die offenen Grenzen“.