… von Holger Prade
Würden Sie sich als furchtsam einschätzen?
Die meisten würden dies in erster Reaktion verneinen. Doch Furcht gehört zu den herausragendsten Symptomen unserer Zeit, denn wir erleben eine Zeit der Wendung weg von der Erkenntnis und hin zum Sein. Nach der Aufklärung kam die Moralisierung, aus dem Zeitalter der Erfindung wurde jenes der Innovation.
Menschliche Furcht war zu allen Zeiten und in jedem Herzen dieselbe. Sie ist Furcht vor der Zukunft, vor Vernichtung und letztlich Todesfurcht angesichts des vergänglichen Schaums der Zeit. Furcht ist Geschichte der Menschheit und ihrer Kulturen. Sie wiederholt sich immer wieder im gemeinschaftlichen Bewusstsein, aber auch in jedem einzelnen Menschen. Furcht kann Antrieb werden oder zu Stillstand führen, zu Einsicht und Weisheit führen aber auch zu Dumpfheit, Irrglaube und zermalmender Erkenntniskritik.
Furcht ist nichts anderes als Angst und kann zur Symbolwelt mit Trümmerbergen werden, entstanden aus einer wahrgenommenen Scheinwelt, wie sie die Atomkraftängstlichen, die Klimaängstlichen und alle anderen Formen der Ängstlichen und Furchtsamen in sich tragen. Furcht nimmt eben immer die Maske der Zeit an. Ihnen, den Ängstlichen und Furchtsamen der Masse, fehlt jedoch der Wille zur Überwindung der Furcht, denn sie verweigern sich der pragmatischen Erkenntnis, welche durch Lehre + Beispiel + Wirklichkeit konstruktiv ineinanderführt. Sie folgen rein der Emotion, was genauso falsch ist, wie nur der reinen Sachlichkeit zu folgen, denn wir sind emotionale Wesen mit der Fähigkeit zu rationalem Denken.
Wir brauchen also ein ständiges geistiges Exerzitium, um unsere Furcht vor Bedrohungen mittels Erkenntnis zu verringern bzw. umgekehrt Erkenntnis mit Herz und Moral zu belegen und so ein Mehr an Sicherheit zu erringen. Der Mensch braucht dazu ein gewisses Maß an Bildung und den Widerstreit verschiedener Meinungen, mittels derer er aus seiner eigenen Blase der Furcht heraustreten und ein freies Leben mit Blick nach vorn führen kann.
Genau hier setzen Ideologen an, die meist ausschließlich rational denken und andere Menschen dazu verführen, das Gegenteil zu tun, denn emotional handelnde Menschen entziehen sich dem Exerzitium. Sie sind mit den Gemeinplätzen der Zeit verführbar.
Daher kommt es dazu, dass der einfache Mensch, dem wir tagtäglich begegnen, oft die Lage besser erfasst als Regierungen, Theoretiker, Kulturintellektuelle, eingenordete Journalisten, Wissenschaftler oder sonstwie abgekoppelte oder abhängige Intellektuelle.
Der normale und gesund entwickelte Mensch ist nicht erreichbar für Prophezeiungen, für Genderunsinn oder was uns eben so tagtäglich als Stöckchen vor die Füße geworfen wird. In ihm lebt die Weisheit weiter, die eine einheitliche Mehrheit nur allzu schnell verliert. Sein Schiedsspruch wäre besser als jeder Konferenzbeschluss.
Auch in mir leben verschiedene Ängste. Besondere Angst habe ich vor dem Missbrauch von Emotionen, wie ich sie bei Jugendlichen und Kindern beobachten kann. Diesen fehlt oft für den inneren Exorzismus die Erkenntnis also das Wissen. Ihnen fehlen Erfahrung und Weisheit, wie sie in intakten Familien (die es immer weniger gibt) von Alt nach Jung weitergetragen werden. Sie sind Spielball und Opfer ohne es zu verstehen. Sie werden in die Furcht gepresst und bekommen gleichzeitig eine Lösung präsentiert, die nur in die nächste Furcht führt.
Angst überwinden, bedeutet aber zunächst zu Ende zu denken; sich nicht davon überwältigen zu lassen. Die Welt ist weder grau – noch schwarz oder weiß. Man kann nicht in den oberen Stockwerken des Wahren und Guten wohnen und gleichzeitig wegsehen, dass in den Etagen darunter den Menschen die Haut abgezogen wird. Auch oder eher gerade aus emotionaler Sicht darf man sich nicht aus den anderen Etagen herausschwindeln. Jedoch ist alles mit Maß zu betrachten. Denn Verständnis ist unabdingbar. Wer noch nicht einmal den nächsten Nachbarn versteht, wie soll er da andere Kulturkreise verstehen.
Die Sicht auf die Dinge wie sie sind ändert sich, wenn sie zur Sicht der reinen Angst wird.
Wir müssen wieder lernen, alle Seiten der Medaille zu erkunden, miteinander zu reden und uns Lösungen nicht von Angst diktieren zu lassen.
Wieviel könnten wir nur lernen, wenn wir zuhören würden?
Wer Angst vor Umweltverschmutzung und ihren Folgen hat, hat recht. Er sollte jedoch nicht den Verführern und Scharlatanen unserer Zeit folgen sondern sich zuerst Wissen aneignen, alle Seiten hören und dann rational handeln.
Wer in einem der saubersten Länder der Welt lebt und sich dort kompromisslos für umweltzerstörende Technologien (wie Windräder, Monokulturen aus Energiepflanzen oder E-Autos) – ohne deren Folgen oder überhaupt die Alternativen zu kennen – einsetzt, ist Verführter, Opfer und Täter zugleich.
Wer Globalismus bejubelt und gleichzeitig dessen verheerende Folgen kritisiert, ist nicht rational, sondern rein emotional. Man kann eben nicht Billigkleidung aus China tragen und gleichzeitig deren Umweltverschmutzung anprangern.
Wer weltweiter Gleichheit und Solidarität den Mund redet, ist zwar mit dem Herzen an der richtigen Stelle, hat jedoch seinen Verstand schlafen geschickt, da er damit undemokratischen Ideologien und sonstigen Weltmachtphantasien den Weg bereitet. Nur die wenigsten Menschen sind wirklich rundum gut. Wir sind eben nicht gleich und stehen ständig im Kampf Gut gegen Bös, innerlich, wie äußerlich – auf engstem Raume und global.
Unzweifelhaft sind wir auf dem Weg zu globalen Systemen. Diese funktionieren jedoch nur unter Beachtung von sozialen und räumlichen Grenzen. Ängste sind schlechte Ratgeber, wenn wir ihnen ohne Vernunft Raum geben.
Suchen wir gemeinsam und mit Bedacht nach Lösungen. Davor, dass dies bereits nicht mehr gelingt und wir zu weit auseinanderdriften, habe ich Angst. Denn dann rücken die richtigen Wege in weite Ferne.