Samstag, 21. Dezember 2024

Imperium Europaeum: Ohne Christentum ist Europa nicht vorstellbar, und umgekehrt

Ohne Christentum ist Europa nicht vorstellbar, und umgekehrt. Daher hat Houellebecq Recht, wenn er Maurice Dantec zitiert, der „einzig eine spirituelle Macht wie das Christentum oder das Judentum“ dazu imstande sieht, „mit einer anderen spirituellen Macht wie dem Islam zu kämpfen“. Und zu siegen. Ein Gastbeitrag von Parviz Amoghli

Das britische Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreiches in der EU markiert einen Wendepunkt in der jüngsten politischen Geschichte Europas. Schon vorher war das, was einmal als europäisches Haus entworfen worden war, zu einer einsturzgefährdeten Bauruine verkommen, deren Fundamente sich zunehmend verflüchtigen, während gleichzeitig der Dachstuhl in Flammen steht. Mit dem 23. Juni 2016 begann jedoch hat der Zerfall der EU endgültig.

Aber was wäre eine Alternative zur Europäischen Union? Wie müsste sich der Kontinent organisieren, um die nach innen so fruchtbare wie spannungsreiche kulturelle Vielfalt zu erhalten und zugleich nach außen mit machtvoller Ent- und Geschlossenheit aufzutreten?

Europa muss sich zu einem Reich fortentwickeln

Eine Antwort auf diese Fragen könnte lauten: Europa müsse sich zu einem Reich fortentwickeln, zu einem Imperium Europaeum.

Dies klingt zunächst gewöhnungsbedürftig. Zum einen, weil das herrschende antiimperialistische Politikverständnis Überlegungen hinsichtlich eines neu zu schaffenden Imperiums naturgemäß verbietet. Dem Reich – es gibt nur eines in der öffentlichen Wahrnehmung, nämlich das Dritte – haftet nichts weniger als das Böse schlechthin an. Es steht für staatlich organisierten Terror, Krieg und Vernichtung. Das aber ist absurd. Ganz so, als würde man die Geschichte des römischen Reiches unter Islamophobie-Verdacht stellen, weil Karl Martell gegen die Mauren zu Felde zog.

Zum anderen gelten Reiche gemeinhin als hoffnungslos veraltet. Die kollabierenden offenen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts haben dafür nur ein mitleidiges Lächeln übrig. Imperien – das war einmal. Heute ist man weiter, heute ist man im Begriff, einen Weltstaat zu errichten. Jedenfalls in Teilen der EU. In direkter Nachbarschaft zur Union ist das Reichsprinzip allerdings alles andere als ein Auslaufmodell. Beispiel dafür ist neben Russland die Türkei, die sich immer weiter vom kemalistischen Nationalstaat weg- und auf ein erneuertes Osmanisches Reich zubewegt.

Christlich fundiert und ohne Missionierungs- oder Expansionsdrang

Dass die Führungen in Ankara und Moskau dabei innen- wie außenpolitisch nicht gerade zimperlich vorgehen, hat jedoch mehr mit hergebrachten „asiatischen“ Herrschaftsformen zu tun als mit einer erneuerten europäischen Reichsidee, die weder politische Säuberungen noch „kleine grüne Männchen“ kennen würde, sondern, christlich fundiert und ohne Missionierungs- oder Expansionsdrang, auf den Prinzipien von Subsidiarität, Rechtsstaatlichkeit und politischem Ausgleich aufbaut.

Die Idee von einem Imperium Europaeum ist nicht neu. Leopold Ziegler formulierte sie bereits 1948. Nur versah er sie damals noch mit einem Fragezeichen – Imperium Europaeum?[1] In Anbetracht des heraufziehenden Kalten Kriegs war wohl nicht mehr drin. Schon gar nicht für einen Philosophen, der nicht ablassen wollte von der Sonderstellung Deutschlands. Weshalb Ziegler und sein Europäisches Reich auch bald in Vergessenheit gerieten.

Dabei wäre ein Reich weitaus besser dazu geeignet, die Vielfalt an europäischen Identitäten unter einer gemeinsamen Obhut zu vereinen, als eine Union, die ihre Mitgliedsstaaten in eine am Reißbrett entstandene Zentralbürokratie zwingt. Ein Imperium Europaeum wäre nicht das Dach eines europäischen Hauses, in dem die Völker der Alten Welt, bis vor kurzem noch ohne Exit-Möglichkeit, einer einheitlichen Hausordnung unterworfen werden sollen.

Vielmehr fände sich unter seinem Schirm eine europäische Siedlung zusammen, in der jeder Bewohner ein Grundstück sein Eigen nennt, über das er frei und selbstständig verfügen kann. Dafür anerkennt er die Hoheit des Reiches, welches ihn nach außen vor Feinden, nach innen in seiner Identität schützt. Oder wie es Ziegler ausdrückt: „…ein solcher Zusammenschluß allein (vermöchte) die Selbständigkeit wurzelhaft abendländischer Wirtschafts- und Gesellschaftsformen, wurzelhaft abendländischer Gesittung und Seinsweise zu retten …“ [2]

Voraussetzung: ein gesamtkontinentales metaphysisches Fundament

Voraussetzung dafür ist allerdings ein gesamtkontinentales metaphysisches Fundament, ein paneuropäischer Mythos, der es an Heiligkeit nicht nur mit anderen Göttern, Propheten, Ideologien und Ismen aufnehmen kann, sondern diesen sogar überlegen ist. Nur dann kann ein Imperium Europaeum funktionieren.

Was passiert, wenn er nicht vorhanden ist, zeigt eine EU, der es von Beginn an genau daran mangelte. Sie hatte und hat kein Feuer, an dem sich ein Herz wärmen oder gar entflammen könnte. Sie verfügt weder über ein Fußballspiel wie die BRD noch über ein Utopia wie die UdSSR noch über sonst etwas, aus dem sich so etwas wie ein kontinentales Pathos und damit eine höhere Legitimität entwickeln könnte.

Die EU ist lediglich eine Europa-Maschine, die kalt und gefühllos den rationalen Wahn ihrer Maschinenführer exekutiert. Weshalb sie letztendlich auch chancenlos ist gegen die nationalen Widerstände aus den von ihr verwalteten Völkern, und erst recht gegen einen fremden Glauben, der keinen anderen Gott anerkennt als den eigenen und dessen militanter Arm dabei ist, die Welt und Europa mit Krieg und Terror zu überziehen.

Doch woher soll in Zeiten grenzenloser Beliebigkeit jener europaüberspannende Mythos kommen, der nach innen integriert und nach außen bereit sowie fähig ist, der invadierenden Gottheit zumindest auf Augenhöhe zu begegnen?

Der Kampf geht dem Mythos voraus

Das wird sich zeigen. Mythen, zumal solche, auf denen Imperien gründen, lassen sich nicht konstruieren; sie wachsen. Bevor sie das aber tun können, steht die gewaltsame Auseinandersetzung. Der Kampf geht dem Mythos voraus. Der eine verleiht dem anderen erst seine metaphysische Tiefe und Kraft, aus der ein Reich Legitimität und Legitimation schöpft. Wobei es nicht allein auf Sieg oder Niederlage ankommt. Fast genauso wichtig scheint zu sein, wie das eine oder andere zustande gekommen ist. Es ist dies die Frage nach dem Maß an Heroismus, mit dem gefochten wurde. Ob es tatsächlich so war oder nicht, ist unerheblich. Was zählt, ist die Geschichte, die Sage. Ist diese stark genug, kann, wie das Beispiel Serbien/Amselfeld zeigt, selbst eine militärische Katastrophe zum Nationalmythos erhoben werden.

Gänzlich unheroische Verbrechen wie die nationalsozialistischen Vernichtungsorgien – das beweist die Berliner Republik – eignen sich hingegen genauso wenig zur Mythenbildung wie der ebenfalls zutiefst antiheldische, administrative Akt, durch den am 1. Januar 1993 aus der Europäischen Gemeinschaft die Europäische Union wurde.

Hierbei kommt hinzu, dass ein Mythos Bilder braucht, die zur Ikone taugen, die über Generationen und Jahrhunderte hinweg die Fantasie der Menschen immer wieder aufs Neue anregen. Insbesondere, wenn dieser Mythos ein europäisches Reich überwölben soll. Romulus und Remus an den Zitzen der Wölfin ist ein solches Bild, die Kaiserkrönung Karls des Großen ein anderes. Dagegen hat die Maastrichter Zusammenkunft von gesichts- und namenlosen Regierungschefs, die das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen von ebenso gesichts- und namenlosen Beamten unterzeichnen, so viel Ikonographisches wie das Gruppenfoto des Vorstandes eines mittelständischen Unternehmens nach Bekanntgabe der neuen CSR Richtlinien.

Das verheißt zunächst nichts Gutes. Bedeutet es doch, dass es zuerst noch schlimmer wird, bevor es besser werden kann. Die Zeichen der Zeit deuten jedenfalls in diese Richtung. So ist das einzige, was den Verantwortlichen als Antwort auf die Fliehkräfte innerhalb der Union einfällt, ein stures: jetzt erst recht. Zu mehr reicht es nicht, damit ist das Ende der Vorstellungskraft der EU-Administratoren erreicht. Dass ihre Fantasielosigkeit der Agonie der Union nur weiter Vorschub leistet, wollen diese nicht sehen.

Typische Straßenszene In Nizza

Stattdessen liefern sie die von ihnen verwalteten Völker dem „Heerlager der Heiligen“ aus und befördern damit das heraufziehende Chaos weiter. Schon heute gehören kriegsmäßig gerüstete Polizisten zum Stadtbild, sind Anschläge und Angriffe auf Einheimische an der Tagesordnung und ganze Stadtteile zu Operationsbasen der Angreifer geworden. Was wird erst passieren, wenn die wirtschaftliche Lage eskaliert und die Bestechungsgelder, mit denen sich die EU derzeit noch halbwegs Ruhe und Ordnung erkauft, nicht mehr gezahlt werden können? Was, wenn Millionen illegal eingewanderter Jungmänner im wehrfähigen Alter mit Herrenmenschattitüde an und in den europäischen Gesellschaften gescheitert sein werden? Und sie sich dennoch das nehmen, von dem sie glauben, es stünde ihnen zu? Wer wird sie dann davon abhalten? Maastricht-Europa sicher nicht. Selbst wenn es dazu willens wäre, es wäre nicht in der Lage.

Im kommenden Bürgerkrieg wird es um das Sein oder Nicht-Sein des europäischen Zivilisationsentwurfes gehen

Die Folgen sind absehbar. Die Gräben, die den Kontinent gegenwärtig bereits durchziehen, werden sich vertiefen, die EU wird weiter zerfallen und der molekulare Bürgerkrieg, in dem es um nichts weniger geht als um das Sein oder Nicht-Sein des europäischen Zivilisationsentwurfes, wird sich ausweiten.

Am Ende dieses Kampfes wird ein neues Europa stehen. Vorausgesetzt, Europa ist im Clash of Civilization nicht unterlegen, könnte dies die Geburtsstunde eines Imperium Europaeum sein. Und es gibt guten Grund anzunehmen, dass eine solche, nach dem Römischen und dem Heiligen Reich, dritte Neugründung Europas wahrscheinlich christlich fundiert sein würde.

Dies mag mit Blick auf den aktuellen Zustand der Kirchen befremdlich scheinen. Schließlich ist die eine, die protestantische, eher darum bemüht, muslimische Glaubensvorschriften durchzusetzen, als Brandanschläge auf ihre Gotteshäuser auch nur zu erwähnen. Während die andere, katholische, ein Flüchtlingsboot zum Kultobjekt erhebt, wohlwissend, dass auf genau solchen Booten Christen von Muslimen wegen ihres Glaubens gequält, ermordet oder über Bord geworfen werden.

Ohne Christentum ist Europa nicht vorstellbar, und umgekehrt

Doch das sind nur die politischen Machenschaften der amtierenden Heilsverwaltungen. Die Heilsbotschaft hat damit nichts zu tun. Sie eignet sich nicht für Podcasts oder Talkshowauftritte. Sie ist auf Ewigkeit angelegt und damit allen aktuellen Ersatzreligionen überlegen. Ohne Christentum ist Europa nicht vorstellbar, und umgekehrt. Daher hat Houellebecq Recht, wenn er Maurice Dantec zitiert, der „einzig eine spirituelle Macht wie das Christentum oder das Judentum“ dazu imstande sieht, „mit einer anderen spirituellen Macht wie dem Islam zu kämpfen“.[3] Und zu siegen. Sofern es Europa gelingt, seine Wehleidigkeit und Hasenfüßigkeit abzulegen und sich zu dem zu bekennen, was es eigentlich ist. Das christliche Abendland.

Allerdings wäre ein Imperium Europaeum kein Gottesreich, ein fundamentalistisches schon gar nicht. Allein deshalb, weil die Entwicklung der europäischen Geistes- und Ideenwelt seit Descartes unumkehrbar ist. Die Aufklärung hat über das Gottesgnadentum triumphiert. Eine Renaissance des Christentums würde daran vermutlich nichts Grundsätzliches ändern. Seine Aufgaben lägen in anderen Bereichen. Zum Beispiel darin, als metaphysisches Regulativ die Vernunft davor zu bewahren, in rationalen Wahn – Stichwort: Gendermainstreaming – umzuschlagen.

Darüber hinaus gehört es zur jahrhundertealten Tradition europäischer Reiche, dass zwar mythisch überhöhte, doch von Menschenhand geschaffene Gesetzestexte deren verfassungsmäßiges Rückgrat bildeten. Im Imperium Romanum war es das Zwölftafelgesetz, im Sacrum Imperium die Goldene Bulle. Daran anschließend lässt sich ein Reich denken, das auf einem Kodex ruht, der Überlieferung und moderne Rechtsstaatlichkeit in sich vereint sowie kurz und allgemein genug gehalten ist, um zur Legende werden zu können. Also das Gegenteil zu den Hunderten, eng bedruckten und in feinstem Juristensprech abgefassten Seiten des Vertrags von Lissabon.

Das führt zu der Frage nach der Verfasstheit eines Imperium Europaeum. Würde es demokratisch, republikanisch, oligarchisch oder monarchisch organisiert sein? Oder vielleicht als bislang unbekannter Hybrid, als eine noch unvorstellbare machtpolitische Misch- beziehungsweise Zwischenform daherkommen?

Ein Volk, das eine Demokratie begründen könnte, existiert auf europäischer Ebene nicht

Die Möglichkeiten sind vielfältig. Aus heutiger Sicht erscheint sicherlich eine demokratische Variante wünschenswert und auch wahrscheinlich. Doch gewiss ist das keineswegs. Eine Demokratie bedarf eines Demos, eines Volkes, aber das existiert auf europäischer Ebene nicht. Im Gegenteil sieht es derzeit eher danach aus, als würden sich die Völker Europas immer weiter voneinander entfernen, anstatt sich anzunähern.

Gut möglich, dass sich das in jener Auseinandersetzung, die der Reichsgründung vorausginge, ändern würde. Genauso gut ist es aber möglich, dass sich die Alte Welt in eine Monarchie verwandelt, in dem sich der Regent im Stile Kaiser Franz Josephs „An meine Völker“ wendet. Dafür spricht, dass im Verfassungskreislauf auf die Demokratie die Ochlokratie, die Herrschaft des Pöbels, als Vorstufe zur Monarchie folgt. Und wer wollte mit Blick auf den grassierenden Sittenverfall nicht bestätigen, dass Mitte der 2010er Jahre überall in Europa die Plebejer auf dem Vormarsch sind?

Ungeachtet dessen wäre eine Struktur zu erhoffen, die aus einem System gegenseitiger Abhängigkeiten zwischen den beiden Ebenen Reich und Nationen/Völker besteht, so dass die gegenseitige Kontrolle gewährleistet wäre.

Vorbild: Reise-Kaisertum des Mittelalters

Zur Unterstreichung seines föderalen Charakters, seiner Übernationalität und Überkonfessionalität ist es sogar denkbar, dass das Reich auf eine Hauptstadt als Machtzentrale verzichtet. Die Folge wäre eine ans 21. Jahrhundert angepasste Reise-Regentschaft, die, dem Reise-Kaisertum des Mittelalters vergleichbar, die unauflösliche Verbindung zwischen Haupt und Gliedern demonstriert und regelmäßig erneuert.

Ebenso wie der Mythos, die inneren Strukturen und Hierarchien wird sich die Stellung eines geeinten Europas in der Welt ebenfalls erst dann zeigen, wenn sich der Kontinent als Imperium neukonstituiert haben wird. Dennoch lassen sich auch hierbei Vermutungen anstellen. Zum Beispiel, dass das Reich idealerweise aus den Erfahrungen mit dem Chaos, dem es seine Existenz verdankt, lernt und allem missionarischen und universalistischen Eifer abschwört, zugleich aber genügend politische, wirtschaftliche und militärische Potenz aufbaut, um sich und seine globalen Interessen wirkungsvoll zu schützen.

Die EU hat als Friedensfaktor versagt

Derart aufgestellt, fiele dem saturierten und selbstbewussten Reich die klassische Rolle Europas als Makler zwischen den Kulturen, zwischen Amerika, Asien und Afrika zu. Eine Aufgabe, der die EU zu keinem Zeitpunkt gewachsen war. Unter ihrer Ägide sind die einst unumstrittenen Beherrscher des Planeten noch nicht einmal in der Lage, im eigenen Haus und Hinterhof für Ordnung zu sorgen, geschweige denn, sich global als ernstzunehmender Machtfaktor zu positionieren. Statt als Friedens- und Ordnungsmacht in einer sich neu ordnenden Welt aufzutreten, ist in den vergangenen Jahren das Eingreifen der EU zum verlässlichen Katalysator für Krieg, Bürgerkrieg und Zerstörung geworden.

Ob ein Imperium Europaeum erfolgreicher wäre, ist natürlich nicht garantiert. Jedoch wären die Voraussetzungen andere. Ausgestattet mit einer charismatischen Regentschaft und all den Mitteln und Möglichkeiten, über die ein geeintes Europa verfügt, könnte ein Reich aus einer Position der Stärke heraus agieren. Ganz anders also als eine kakophonische EU, die sich des Kreuzes schämt und, anstatt ihre Außengrenzen wirksam zu schützen, die Sicherheit und Ordnung auf dem Kontinent von den Befindlichkeiten eines orientalischen Despoten abhängig macht.

Bleibt noch zu klären, welche Bedeutung Deutschland in einem Imperium Europaeum zukommen könnte. Naturgemäß wäre es wohl dessen wichtigstes Glied. Nicht nur, weil es das bevölkerungsreichste Land mit der größten Ausdehnung und der größten ökonomischen Potenz darstellt. Mindestens genauso wichtig ist seine mehr als tausendjährige Geschichte, die wie keine andere Nationalgeschichte in Europa von der Mittellage zwischen Ost und West geprägt worden ist. Das, was im planetarischen Maßstab auf ein zukünftiges Europäisches Reich zukäme – der Ausgleich zwischen den Welten – gehört in seiner kontinentalen Variante zum historischen Erbgut Deutschlands.

Der deutschen Hybris vom Herrenmenschen muss Einhalt geboten werden

Bevor das Land aber seine Position als Primus inter Pares zum Wohle und Gewinn Europas einnehmen könnte, müsste zuerst der deutschen Hybris vom Herrenmenschen Einhalt geboten werden, die sich aktuell im Umgang der Berliner Republik mit dem restlichen Europa zeigt. Von der Finanzkrise über die „Energiewende“ bis hin zur Einladungspolitik gegenüber Millionen illegaler Einwanderer – das bundesdeutsche Wesen, an dem Europa und die Welt genesen soll, war und ist um keinen Erpressungsversuch der Nachbar- und Partnerländer verlegen. Dass dadurch nur Unordnung und Rechtlosigkeit befördert werden, interessiert im Spreebogen nicht. Die dumpfen Berliner Imperative stehen über der Einheit Europas.

Derlei Tendenzen zu begegnen, wäre die Aufgabe eines Imperium Europaeum. Es könnte dies, weil die Reichsidee anderen, höheren Prinzipien verpflichtet ist. Zudem wäre sie als Hüterin der nationalen und kulturellen Vielfalt auf dem Kontinent die natürliche Schutzmacht der kleineren, schwächeren Reichsglieder gegen die Vereinnahmungsbestrebungen der größeren. Zumindest solange es gelingt, die paneuropäischen Fundamente stetig zu erneuern.

Dann sind auch die reichsinternen Rivalitäten und Konflikte nicht zu fürchten. Im Gegenteil, letztendlich waren sie es, die die Entwicklung der Alten Welt fortwährend befeuerten. Die innereuropäische Konkurrenz der Kulturen ist seit Jahrhunderten und durch alle Kriege und Epidemien hindurch Garantin für technologischen und zivilisatorischen Fortschritt auf dem Kontinent. Warum sollte das in einem Europäischen Reich anders sein?

Bis dahin wird es freilich noch dauern. Vorerst ist es an der Europäischen Union zu scheitern. Wann und wie das geschehen wird, muss offen bleiben. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass die Alte Welt dann über genug Kraft und Einsicht verfügt, um Europa ein drittes Mal neu zu gründen, diesmal als Imperium Europaeum.

*

Quellen:

[1] Leopold Ziegler: „Imperium Europaeum?“, in: Merkur, Nr. 1948/02, S.8.
[2] A.a.O.
[3] Michel Houellebecq: Ich bin ein halber Prophet. Rede zum Schirrmacher-Preis:  http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/rede-zum-schirrmacher-preis-houellebecq-ich-bin-ein-halber-prophet-14454177-p5.html

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Der Beitrag erschien zuerst bei TUMULT

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Vom Autor ist zuletzt erschienen: „SIEGEN – oder vom Verlust der Selbstbehauptung“, Alexander Meschnig/Parviz Amoghli, Manuscriptum

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