Freitag, 19. April 2024

Chinesischer DNA-Chirurg generiert HIV-resistente Designer-Babys

Mit der Entwicklung der Genscheren-Technologie (CRISPR-Cas9), auch als „DNA-Editing-Verfahren“ bezeichnet, ist es möglich, verbesserte Nutzpflanzen mit für den Menschen günstigen Eigenschaften herzustellen. Diese Biotechnologie ohne Gentechnik wurde von einem Biophysiker aus Shenzhen/China zur Geburt eines genetisch nachgebesserten Zwillings-Paares eingesetzt. Ein Gastbeitrag von Prof. Ulrich Kutschera

Neue Technologien zur gezielten genetischen Verbesserung von Pflanzen und Tieren, u. a. die CRISPR-Cas9-Methodik, basieren auf einer gezielten Mutagenese, und sind somit als „Genom-Veränderung ohne Gentechnik“ zu kennzeichnen (1). Nicht nur Nutzpflanzen, die Schädlings-resistent sind bzw. höhere Erträge liefern, können mit diesen schonenden Verfahren im Rahmen einer neuen Biotechnologie erstellt werden – auch Mäuse und Menschen sind „Versuchsobjekte“ dieser biotechnologischen Revolution.

Am Sonntag, den 25. November 2018, wurde im Fachjournal MIT Technology Review berichtet, dass der chinesische Biophysiker Prof. Dr. Jiankui He einem Möchtegern-Elternpaar über eine genetisch nachgebesserte in vitro-Fertilisation zu dem Mädchen-Babypaar Lulu und Nana verholfen hat. Kurz darauf setzte in den deutschen Standard-Medien eine Negativ-Kampagne gegen den Spitzenforscher des Biology Departments der Southern University of Science and Technology in Shenzhen/China ein, die man, als Sachverständiger, nur als „Hysterie“ bezeichnen kann.

Worum geht es? Wie in dem YouTube-Video dargelegt, wollte ein (vermutlich amerikanisches) Paar über künstliche Befruchtung (in vitro-Fertilisation) ein leibliches Kind zur Welt bringen. Da der Mann HIV-positiv ist, suchte er nach einer Möglichkeit, bei der Reagenzglas-Befruchtung (Sex-Akt, d. h. Fusion Spermium-Eizelle) (1), ein nicht mit seiner Virus-Infektion behaftetes Baby erzeugen zu lassen.

Väterliche HIV-Übertragung blockiert

Spitzenforscher Prof. Jiankui He, der 2011 bis 2012 als Post-Doktorand an der kalifornischen Stanford University tätig war und dort auch hochkarätig publiziert hat, legt im Video dar, was er exakt vornahm. Als zweifacher Familienvater wollte er dem Wunsch der Möchtegern-Eltern nachkommen. Er setzte somit bei der Reagenzglas-Befruchtung, im Ein-Zell-Stadium (Zygote), ein editiertes Protein ein, über welches die Übertragung der HIV-Infektion auf die Nachkommen-Generation verhindert wird.

Nach Aussage des Forschers sind die Zwillinge Lulu und Nana gesund zur Welt gekommen, wobei eine väterliche HIV-Übertragung blockiert worden ist. Professor Jiankui He sagt im Beitrag aus, dass mit dieser Methode möglicherweise in Zukunft auch der „IQ von Babys erhöht, oder nach Wunsch-Haar- und Augenfarbe“ vorgegangen werden kann.

Seine Universität war offensichtlich nicht über diese an einer menschlichen Zygote durchgeführte genetische Nachbesserung informiert, sodass der Assistant Professor jetzt Rechenschaft ablegen muss. Im internationalen Sprachraum waren die Reaktionen negativ bis ablehnend – man könne HIV-Übertragungen bei Möchtegern-Eltern auch anders verhindern, war einer der zahlreichen Kommentare. Grundsätzlich ist ein derartiger Eingriff in die Keimbahn (Generationen-Abfolge über Gameten-Kopulation, d. h. sexuelle Fortpflanzung) immer problematisch und sollte keineswegs leichtfertig vorgenommen werden.

Deutschland: Angst vor Gentechnik

Hier in Deutschland setzte allerdings eine „Anti-Gentechnik-Kampagne“ ein, die keineswegs sachgerecht ist. So konnte man in zahlreichen Mainstream-Medien (z. B. Berliner Zeitung usw.) lesen, „deutsche Experten des Ethikrats“, darunter namhafte Theologen, wären entsetzt und sprächen von einem „Super-Gau für die Wissenschaft“. Des Weiteren schürte man Angst vor einem systematischen „Manipulieren der biologischen Grundlagen des Menschen“ usw.

Die Tatsache, dass bei jeder in vitro-Fertilisation Überschuss-Zygoten, die sich bei Einpflanzen in einen mütterlichen Uterus zu Embryonen und somit gesunden Babys entwickeln könnten, entsorgt (d. h. getötet) werden, scheint den deutschen „Bio-Ethikern“ unbekannt zu sein (1). Hinter diesen ausschließlich negativen Kommentaren verbirgt sich eine irrationale Angst vor dem völlig harmlosen Methodenarsenal der Gentechnik, wobei das in Rede stehende CRISPR-Cas9-Verfahren gerade nicht auf dem Einschleusen von Fremd-DNA basiert (1).

Diskussionen müssen auf wissenschaftlichem Niveau geführt werden

Ob es sich bei dem in China zur Welt gekommenen Designer-Zwillingspaar in der Tat um HIV-resistente Kinder handelt, wird derzeit angezweifelt. Betrachten wir aber die enorme Expertise des verantwortlichen Biophysikers (2), so sollten Zweifel an seiner Integrität eher fehl am Platze sein.

Diskussionen auf entsprechendem naturwissenschaftlichem Niveau sind hierzulande dringend notwendig, um die für Biologen unverständliche „German Angst“ vor der sicheren Gentechnik, in all ihren Varianten, durch Aufklärungsmaßnahmen überwinden zu können.

Foto oben: Prof. Kutschera, Autor dieses Beitrags, zusamen mit Angelika Barbe

Literatur:

  1. Kutschera, Ulrich: Physiologie der Pflanzen. Sensible Gewächse in Aktion. LIT-Verlag, Berlin (2019). lit-verlag.de/isbn/3-643-14226-9
  2. Jiankui, He, Biology Department, Southern University of Science and Technology in Shenzhen. Curriculum Vitae: (http://bio.sustc.edu.cn/en/?p=243), Nov. 27, 2018.
PP-Redaktion
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