Montag, 2. Dezember 2024

Pakistan: Tod oder Leben für die christliche „Gotteslästererin“?

In ihren Memoiren fragt sich Asia Bibi: „Ist ein Christ zu sein in Pakistan heute nicht nur ein Versagen, oder eine Brandmarke gegen jemanden, sondern tatsächlich ein Verbrechen?“ Ihre Frage wird nun endlich vom Obersten Gerichtshof Pakistans beantwortet. Ein Gastbeitrag von Raymond Ibrahim (Gatestone)

Am 9. Oktober hörte das Oberste Gericht Pakistans die letzte Berufung einer christlichen Frau an, die seit fast einem Jahrzehnt im Todestrakt sitzt wegen der Anschuldigung, sie habe den Propheten des Islam, Mohammed, beleidigt. Das Schicksal der Frau ist nun besiegelt: „Sie [die Richter] haben eine Entscheidung getroffen, aber sie ist nicht für die Öffentlichkeit“, berichtete Mehwish Bhatti, ein Beamter der British-Pakistani Christian Association, aus dem Gerichtsgebäude.

Aasiya Noreen – besser bekannt als „Asia Bibi“ – ist eine 47-jährige verheiratete Mutter von fünf Kindern, die vor fast einem Jahrzehnt wegen Verletzung des berüchtigten Blasphemiegesetzes Pakistans angeklagt worden ist.

Laut ihrer Autobiographie, Blasphemie: Eine Memoire: Verurteilt zum Tod wegen einem Glas Wasser ging Bibi am 14. Juni 2009 zur Arbeit, um auf einem Feld Beeren zu sammeln. Obwohl sie es gewohnt war, von den anderen Pflückerinnen wegen ihres christlichen Glaubens geächtet zu werden, kam es zu einem Höhepunkt, als sie an einem schwül-sommerlichen Tag Wasser aus einem öffentlichen Brunnen trank.

„Trink das Wasser nicht, das ist Haram [verboten]!“ schrie eine Frau in der Nähe. Dann wandte sie sich an die anderen Frauen, die auf dem Feld arbeiteten, und sagte: „Hört zu, ihr alle, dies Christin hat das Wasser im Brunnen verschmutzt, indem sie aus unserem Becher getrunken und ihn mehrmals ins Wasser getaucht hat. Jetzt ist das Wasser unrein und wir können es nicht mehr trinken! Wegen ihr!“ (Solche Überzeugungen sind in der muslimischen Welt nicht ungewöhnlich. In einem Video drückt ein ägyptischer Kleriker seinen großen Ekel vor Christen aus und wie er nicht aus einem Becher trinken könne, der von einem Christen nur schon berührt worden sei.)

Der Streit spitzte sich zu, und die Frauen begannen, Bibi aufzufordern, sich zum Islam zu bekehren, um sich selbst zu retten. „Was hat dein Prophet Mohammed jemals getan, um die Menschheit zu retten“, schoss Asia Bibi zurück.

Ein Bericht fasst zusammen, was als nächstes geschah:

Danach sagte Bibi, dass die Frauen zu schreien anfingen, sie anspuckten und sie körperlich attackierten. Sie rannte verängstigt nach Hause. Weniger als eine Woche später ging sie auf einem anderen Feld Obst pflücken, als sie mit einer gewalttätigen Menge konfrontiert wurde, angeführt von der Frau, die sie schon auf dem ersten Feld angeschrien hatte.

Die Menge kreiste sie ein, schlug auf sie ein und brachte sie, „Tod! Tod der Christin!“ kreischend, ins Dorf.

Der Dorf-Imam sagte: „Mir wurde erzählt, dass du unseren Propheten beleidigt hast. Du weißt, was mit jedem passiert, der den heiligen Propheten Mohammed angreift. Du kannst dich nur durch Bekehrung oder den Tod erlösen.“

Sie protestierte: „Ich habe nichts getan. Bitte, ich flehe dich an, ich habe nichts falsches getan.“

Bibi wurde blutüberströmt zur Dorfpolizei gebracht, wo die Polizei sie verhörte und einen Rapport schrieb. Sie wurde dann in einen Polizeiwagen gesetzt und direkt ins Gefängnis gebracht.

Seitdem sitzt sie in dieser Zelle.

Trotz inkonsistenter Zeugenaussagen verurteilte ein Gericht des Punjabs sie vor jubelnden Menschenmassen Ende 2010 zum Tode durch Erhängen. Seither „bin ich eingesperrt, gefesselt und gekettet, aus der Welt verbannt, und warte auf den Tod“, sagt Bibi in ihren geschmuggelten Memoiren. „Ich weiß nicht, wie lange ich noch zu leben habe. Jedes Mal, wenn sich meine Zellentür öffnet, schlägt mein Herz schneller. Mein Leben liegt in Gottes Hand und ich weiß nicht, was mit mir passieren wird. Es ist ein brutales, grausames Leben.“

Da war auch das Leiden ihres Mannes und ihrer fünf Kinder: „Ich liebe sie sehr und vermisse ihre Anwesenheit. Ich kann nachts nicht schlafen, weil ich sie so sehr vermisse“, erklärte Ashiq Masih einmal:

„Ich vermisse ihr Lächeln, ich vermisse alles an ihr. Sie ist meine Seelenverwandte. Ich kann sie nicht im Gefängnis besuchen. Es bricht mir das Herz. Ohne sie existierte mein Leben gar nicht… Meine Kinder rufen nach ihrer Mutter, sie sind gebrochen. Doch ich versuche, ihnen Hoffnung zu geben, wo ich kann.“

All das für die rhetorische Frage: „Was hat dein Prophet Mohammed jemals getan, um die Menschheit zu retten?“ – die Nicht-Muslime in verschiedenen Varianten seit Jahrhunderten stellen. In den späten 1390er Jahren reagierte beispielsweise der römische Kaiser Manuel II. Palaiologos auf eine Gruppe muslimischer Gelehrter, die ihn zum Islam bekehren wollten, indem er sagte:

„Zeigt mir einfach, was Mohammed neues gebracht hat, und dort wirst du Dinge finden, die nur böse und unmenschlich sind, wie sein Befehl, den Glauben, den er gepredigt hat, durch das Schwert zu verbreiten.“

Über 600 Jahre später, im Jahr 2006, als Papst Benedikt diese Bemerkung beiläufig zitierte, brachen in der muslimischen Welt antichristliche Unruhen aus, Kirchen wurden verbrannt, und eine italienische Nonne, die ihr Leben dem Dienst an den Kranken und Bedürftigen in Somalia gewidmet hatte, wurde dort ermordet.

In Pakistan ist eine solche „Selbstjustiz“ jedoch nur eine Möglichkeit, die Ehre von Mohammed zu rächen. Gemäß Abschnitt 295-C des pakistanischen Strafgesetzbuches:

„Wer den heiligen Namen des Heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) durch Worte, sei es gesprochen oder geschrieben, durch sichtbare Darstellung oder durch Anschuldigungen, Anspielungen oder Unterstellungen, direkt oder indirekt, beschmutzt, wird mit dem Tod oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe bestraft und kann auch zu einer Geldstrafe verpflichtet werden.“

Da Nicht-Muslime – insbesondere Christen, von denen bekannt ist, dass sie die Prophezeiung Mohammeds ablehnen – eher der Blasphemie verdächtigt werden, und weil das Wort eines Christen gegen das Wort eines Moslems nichts gilt, sind Blasphemie-Vorwürfe von Muslimen gegen Christen üblich und führen routinemäßig zu Inhaftierung, Prügel und sogar zur Tötung von Christen (wie beispielsweise damals, als 1.200 Muslime 2014 ein junges christliches Paar wegen angeblicher Beleidigung des Islam bewusst zu Tode verbrannten).

Mit anderen Worten, Asia Bibis Geschichte ist die berüchtigte Spitze eines großen, aber versteckten Eisbergs. Anscheinend vergeht in Pakistan kein Monat – manchmal nicht einmal eine Woche -, ohne dass einige Muslime einige Christen beschuldigen, Mohammed beleidigt zu haben, oft nur, um eine persönliche Rechnung zu begleichen (hierhierhierhierhierhierhier oder hier) oder Land zu erobern (hierhierhier und hier). Es folgen die üblichen Unruhen, Haus- und Kirchenverbrennungen, Schläge und Vertreibungen von Christen und schließlich die Verhaftung und Einkerkerung des angeblichen „Gotteslästerers“.

Obwohl der Fall Bibi in der gesamten internationalen Gemeinschaft für Empörung gesorgt hat, sind alle Forderungen nach ihrer Freilassung seit fast einem Jahrzehnt auf taube Ohren gestoßen. Dieses Ignorieren ist nicht so sehr, weil die Behörden der Nation entschlossen sind, sie hinzurichten – ein Ungläubiger ist sicherlich nicht die Kritik und Verachtung der ganzen Welt wert – sondern weil den Prozess einzustellen, um das Gesicht vor der Welt zu wahren, die Regierung sofort das Gesicht vor vielen ihrer eigenen Bevölkerung verlieren lassen würde.

Und so kommt es immer dann, wenn ernsthaft darüber gesprochen wird, dass Bibi verschont bleiben könnte, zu Protesten und Unruhen. Wie Bibis Mann, Ashuq Masih, ein Ziegelarbeiter, einmal erklärte: „Die Maulvis [Kleriker] wollen ihren Tod. Sie haben einen [finanziellen] Preis ausgelobt… für denjenigen, der Asia tötet. Sie haben sogar erklärt, dass sie, wenn das Gericht sie freispricht, dafür sorgen werden, dass das Todesurteil bestehen bleibt.“

Auch Beamte, die mit solchen „Gotteslästerern“ sympathisieren oder sich auf ihre Seite stellen, werden zur Zielscheibe. Zwei der prominenten Anwälte von Asia Bibi, Gouverneur Salmaan Taseer und Minderheitsminister Shabaz Bhatti, wurden beide im Jahr 2011 ermordet. Sein eigener Leibwächter Mumtaz Qadri feuerte 27 Mal auf Taseer ein. Nach dem Mord sprachen sich mehr als 500 muslimische Geistliche für Qadri aus und überschütteten ihn mit Rosenblättern.

Dies ist wohl der Grund, warum die pakistanischen Behörden die Verkündung eines endgültigen Urteils weiter hinauszögern – um Bibi Zeit zu geben, unter „mysteriösen“ Umständen“natürlich“ im Gefängnis zu sterben, wie es andere Christen getan haben. Statt die Welt zu besänftigen und stattdessen Islamisten zu erzürnen, indem sie sie freilassen, oder Islamisten zu besänftigen und dafür die Welt zu entsetzen, indem sie sie hinrichten, hat das pakistanische Justizsystem Bibi für ein Jahrzehnt in die Todesfalle einer Gefängniszelle gesteckt, wo erbärmliche Zustände, schwere Misshandlungen, unbehandelte Krankheiten, psychischer Missbrauch und Schläge sie hätten töten sollen, wie viele andere vor ihr.

Doch zu ihrer großen Verärgerung: „Sie ist psychisch, physisch und spirituell stark“, kündigte Bibis Ehemann vor einigen Tagen an. „Mit einem sehr starken Glauben ist sie bereit und willens, für Christus zu sterben. Sie wird sich nie zum Islam bekehren.“

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In ihren Memoiren fragt sich Bibi: „Ist ein Christ zu sein in Pakistan heute nicht nur ein Versagen, oder eine Brandmarke gegen jemanden, sondern tatsächlich ein Verbrechen?“. Ihre Frage wird nun endlich vom Obersten Gerichtshof Pakistans beantwortet.

„In ganz Pakistan und sogar in vielen Teilen der Welt ist das Gefühl der Antizipation … über die letzte Berufungsanhörung von Asia Bibi auf Stufe höchsten Fiebers“, sagte Leighton Medley von der British-Pakistani Christian Association über die jüngste und letzte Anhörung von Bibi. „Es ist hier in Pakistan zu spüren, dass wieder einmal Kampflinien gezogen werden: der Kampf zwischen denen, die Hass und Intoleranz befürworten, und denen, die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen.“

Dementsprechend beteten und fasteten in den letzten Tagen Christen auf der ganzen Welt, auch wenn extremistische Muslime in den sozialen Medien zu Unruhen aufriefen, falls die „Gotteslästerin“ dem Tod entkommt. So oder so, „Es wird auf beiden Seiten Proteste geben und Sie können darauf wetten, dass es Probleme geben wird“, ergänzte Medley.

„Es ist wahrlich der D-Day für Asia, dies ist der letzte Countdown und wir werden bald wissen, ob die Extremisten gewinnen oder verlieren. Und ob es Frieden und Gerechtigkeit in Pakistan geben wird oder einfach nur mehr Hass, Vorurteile und Intoleranz, die heute leider für Pakistan typisch sind.“

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Raymond Ibrahim, Autor des neuen Buches Sword and Scimitar, Fourteen Centuries of War between Islam and the West („Schwert und Krummsäbel, Vierzehn Jahrhunderte Krieg zwischen Islam und dem Westen“), ist ein Distinguished Senior Fellow am Gatestone Institute und Judith Rosen Friedman Fellow am Middle East Forum. Sein hier veröffentlichter Beitrag erschien zuerst beim Gatestone Institut. Übersetzt hat ihn Daniel Heiniger.

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