Sonntag, 22. Dezember 2024

Islamismus und Kollaboration: Freiheit gegen Unfreiheit

Ein Gastbeitrag von Parviz Amoghli

„Islamismus und Kollaboration“ – so lautet der Titel eines schmalen, 2017 im Osnabrücker Hintergrund Verlag erschienenen Essaybandes des Schweizer Philosophen und Essayisten Stefan Zenklusen. Darin sind acht, zwischen 2007 bis 2016 entstandene Texte versammelt, die sich mit dem, wie es in dem etwas sperrigen Untertitel heißt, „Beitrag der französischen und europäischen Linken und Liberalen bei der Errichtung des Islamismus und Antisemitismus“ auseinandersetzen.

Dies ist umso interessanter, da es sich beim Autor um einen originär Linken handelt, der unverändert an der älteren kritischen Theorie Adornos und Horkheimers festhält. Damit ist er allerdings ungefähr genauso weit von der Gedanken- und Ideenwelt des herrschenden Zeitgeistes entfernt, wie ein Wähler der Rechten. Was wiederum nach Erscheinen des Buches beim pseudolinken Juste Milieu umgehend zu den üblichen Reaktionen führte. Zenklusen sei ahnungslos, provinziell, anti-amerikanisch, reaktionär und disqualifiziere sich durch die Verteidigung „rechter“ Intellektuelle wie Lothar Baier oder Renaud Camus. Dass sie damit genau jene links-faschistischen Ausschließungsmechanismen zur Anwendung bringen, die in den Essays ausführlich kritisiert werden, ist den pseudolinken Kritikern indes entgangen.

Gleichwohl ergreift der Autor tatsächlich Partei für die demokratische Rechte, freilich ohne sich vollends mit ihr gemein zu machen.

Vielmehr sieht er darin eine Notwendigkeit angesichts der offenen und bewussten „Kollaboration von Teilen der Linken mit demjenigen Islam…, der nur darauf wartet, die Menschen-, Frauen- und Bürgerrechte zu schleifen. Vor diesem Hintergrund ist das prononcierte Einstehen (Le Pens, Anm.d.V.) für den Erhalt der Laizität objektiv ein progressiver Akt“. Und weiter:

„Wenn sich Pseudo-Antifaschisten mit dem grünen Faschismus verbünden, ist selbst die nationale Rechte noch vorzuziehen.“ (S.71)

Wie bei der Lektüre von „Islamismus und Kollaboration“ recht bald deutlich wird, ist das Florett Zenklusens Sache nicht. Er bevorzugt bei seiner Analyse der Zustände im Westen Europas den argumentativen Säbel. Und da kann es schon einmal passieren, dass seine Attacken ins Polemische, wenn nicht Ordinäre abgleiten:

„Ich weiß aber, dass die Zeit der Linksfaschisten, der kulturrelativistischen Islamophilen, der atlantistischen und antinationalistischen kritischen Theoretiker …, die in den Sechzigern steckengeblieben sind und jede Scheiße unterstützen, wenn sie nur angelsächsisch ist, abgelaufen ist.“ (S.93)

Doch das ist eine Stilfrage. Sie ändert nichts an der Richtigkeit des Befundes, wonach, wie Harmut Krauss im Vorwort treffend zusammenfasst, die „postmodernistisch verunstaltete Pseudolinke (besser: Neue Rechte)…`Diversität´ und anarchische `Buntheit´… zu einem neuen Fetisch erhoben hat und unter dem Banner kulturrelativistischer und pseudoantirassistischer Ideologien und Wahnbilder reaktionäre Herrschaftsstrukturen verteidigt (…) Diese Pseudolinke ist damit zu einem festen Funktionsbestandteil des politisch-ideologischen Herrschaftsapparates des postmodernen Globalkapitalismus im Allgemeinen sowie des migrationsindustriellen Komplexes im Besonderen geworden.“ (S.14f)

In der Tat hat sich die aktuell tonangebende „Pseudolinke“ schon längst von wirklich linken Ideen wie Emanzipation, Kapitalismus- und Religionskritik verabschiedet.

Ein Beispiel dafür ist der Internationalismus alter linker Provenienz, an dessen Stelle der aktuelle Globalismus pseudolinker Prägung getreten ist. Der Unterschied liegt auf der Hand: während letzterer wenigstens noch versuchte, die unterschiedlichen nationalen und kulturellen Eigenheiten zu berücksichtigen, „geht es im gegenwärtigen Globalismus nur noch darum, die angelsächsischen Patterns zu verstehen. Adorno hätte vielleicht gesagt, Globalismus sei ein Internationalismus für dumme Kerle“. (S. 110)

Als weiteren Beleg für die alles andere als progressive Grundhaltung der Pseudolinken führt der Autor deren Verachtung gegenüber der linken Klientel schlechthin, den sozial Schwachen, an. Wie groß diese inzwischen geworden ist, wird unter anderem daran veranschaulicht, dass diejenigen, die sich im Glorienschein des Antirassismus sonnen, dem einstigen Subjekt der Weltgeschichte offensichtlich nur noch mit sozialrassistisch unterlegter Abscheu entgegentreten können. Wer den Buntwelt-Code nicht ausreichend beherrscht, wer über einen anderen Horizont als den globalistischen verfügt und/oder nicht gewillt ist das Doppelmaß der pseudolinken Eliten anzulegen, wird ausgeschlossen aus der Gemeinschaft derer, die kein „Die“ und „Wir“ zu kennen behaupten, wird als zurückgeblieben, dumm, ungebildet und provinziell beschimpft oder gleich als Unmensch, Pack oder Nazi stigmatisiert. Die dazugehörigen nur faschistisch zu nennenden Rituale sind bekannt, es handelt sich dabei in Frankreich augenscheinlich um dieselben wie in Deutschland und können im tagtäglichen Medienzirkus verfolgt werden.

Zu dem Sozialrassismus der vorgeblich linken und links-liberalen Eliten hat sich darüber hinaus ein pseudolinker Antirassismus gesellt, durch den an sich überwunden geglaubte biologistische Kategorien wieder Einzug gehalten haben in das politische Tagesgeschäft.

Gemeint ist damit unter anderem das von mulitkulturalistischer Seite in die Diskussion eingeführte, angebliche Konsanguinitätsproblem. Danach reichen nationale Genpools nicht aus, um eine weiterhin geistig-gesunde Population zu erhalten. Was Zenklusen „mètissage (Rassenmischung) Diskurs“ (S.54) nennt, findet in Deutschland seine Entsprechung in der Äußerung des damaligen deutschen Finanzministers und heutigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, der 2016 anmerkte:

„Die Abschottung ist doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe.“

Dabei handelt es sich leicht erkennbar um die billige Verkehrung des früheren Rassereinheitswahns in sein nicht weniger rassistisches und wahnhaftes Gegenteil. Der heutige Antirassismus ist nicht mehr als die andere Seite der Medaille und „… gleicht sich der paranoischen Denkstruktur des Rassismus an.“ (S.47)

Die größte Gefahr für die Faschisierung der Zuständen geht für Zenklusen daher keineswegs von den angeblich rassistischen, antisemitischen und angstvoll-phobischen Wählern Le Pens bzw. der Rechten aus. Deren Wahlentscheidung sieht er weniger als Ausweis niedriger Gesinnung, sondern als Reaktion auf die Politik einer de-konstruktivistischen Elite, die ihnen jede Loyalität versagt und sich gleichzeitig als Steigbügelhalter des Islam in Frankreich und Westeuropa betätigt.

Folgerichtig ist es das Regime eines globalistisch ausgerichteten Juste Milieu, das Demokratie und Freiheit in Westeuropa bedroht. Indem es gemeinsame Sache mit einer Religion macht, bei der es um eine „totale Weltanschauungslehre mit einem Rechtssystem und einer integralen politischen Ideologie im Sinne einer autoritär-hierarchischen Herrschaftsmodells (handelt), das antithetisch zu den durch die bürgerliche Aufklärung erkämpften, unveräußerlichen Rechten des Menschen steht“ (S.26), unterminiert es die humanistische Wertegrundlage des hiesigen säkular-demokratischen Gesellschaftsgefüges.

Diese Kollaboration des pseudolinken Zeitgeists mit Islam und Islamismus wiegt für den Autor, jedenfalls in Frankreich, sogar schwerer als die während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg.

Schließlich komme die zeitgenössische „ohne Druck einer Besatzungsmacht zustande…“.

Art und Ausmaß der Kooperation zwischen westlichen Eliten und den erklärten Feinden einer laizistischen Gesellschaft, werden anhand einer Vielzahl exemplarischer Fälle und Zitate verdeutlicht. Sie zeigen zum einen die massive Förderung und Verbreitung islamischer Normen und Wertvorstellungen innerhalb der nicht-muslimischen Gesellschaft durch islamophile Meinungsführer. Zum anderen veranschaulichen sie die Drangsalierung derer, die sich dem verordneten Denkschema vom grundsätzlich friedlichen Islam zu widersetzen und zu widersprechen wagen. So, wie die Philosophen Robert Redeker und Alain Finkielkraut oder der Soziologe Hugues Lagrange, die wie viele andere auch wegen ihrer Religionskritik als Rassisten, Rechte und Phobiker denunziert und aus der Gemeinschaft der Guten exkommuniziert wurden. Die Verfemten können selbst im Falle von Todesdrohungen und Mordplänen nicht auf Unterstützung ihrer einstigen Kollegen rechnen, wie das Schicksal Redekers demonstriert. Dieser wurde 2006 im Anschluss an eine islamkritische Meinungsäußerung zum Ziel der üblichen Todesdrohungen oder Mordpläne und musste daraufhin untertauchen. Grund genug für die islamophile Denunziantenschaft nachzutreten und ihn als „rechten Provokateur“ zu diffamieren, was spätestens seit Veröffentlichung der Mohammed Karikaturen 2005 bekanntlich so viel heißt, wie: selbst schuld! Ein Muster, das auch in Deutschland gut bekannt ist. (hier, ab 27:00)

Zu den bedrohlichsten Auswirkungen der von der Pseudolinken nach Kräften betriebenen Islamisierung gehört für den Autor neben der Erosion des Rechtsstaates und dem damit einhergehenden, schleichenden Verlust fundamentaler Freiheiten, speziell für Frauen und Homosexuelle, insbesondere der wachsende Antisemitismus. Für Frankreich konstatiert er dazu:

„Der Antisemitismus in Frankreich ist eben gerade NICHT das Produkt des Front National und seiner Politik (und noch viel weniger der Wähler des Front National!). Genau das Gegenteil ist der Fall: Wegen der durch (hamasfreundliche) Linksfaschisten und liberale Unternehmer und Sklavenhalter…, aktiv oder passiv geförderten, massiven und islamisch geprägten Immigration ist der Antisemitismus salonfähig geworden.“ (S.90, Hervorhebungen im Original)

Ähnliches gilt für Deutschland, auch wenn sich die Gefahrenlage für Juden hierzulande zweifellos von der in Frankreich unterscheidet. In der Berliner Republik beschränkt sich der importierte Antisemitismus noch auf das Verbrennen von israelischen Fahnen und die Vertreibung jüdischer Schüler von Schulen.

In Frankreich, wo zuletzt die 85jährige Auschwitzüberlebende Mireille Knorr in ihrer Pariser Wohnung ermordet und verbrannt wurde, weil sie Jüdin war, ist man da schon weiter. Allerdings ist das ebenso wenig ein Grund zur Beruhigung wie der Umstand, dass westlich des Rheins (noch) keine schwerbewaffneten Soldaten (Foto: in den Gassen von Nizza) über die Plätze und durch die Straßen Berlins oder Hamburgs patrouillieren müssen. Die Berliner Republik ist auch so auf einem „guten Weg“ mit ihrem westlichen Nachbarn gleichzuziehen. Was die Kollaboration ihrer oikophobischen Eliten mit dem politischen Islam anbetrifft, so ist ihr das bereits heute gelungen.

Um dem etwas entgegenzusetzen, das macht Zenklusens Essayband einmal mehr deutlich, bringt es nichts, in den alten politischen Gräben zu verharren.

Die ideologischen Fronten am Beginn der 21. Jahrhunderts verlaufen nicht mehr zwischen Rechts und Links, derlei Lagerdenken ist hinfällig. Stattdessen verlaufen sie zwischen Partikularismus und Universalismus, zwischen Freiheit und Unfreiheit. „Islamismus und Kollaboration“ ist dafür ein Beispiel.

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Zum Autor: Parviz Amoghli wurde 1971 in Teheran/Iran geboren. 1974 siedelte die Familie nach Deutschland über. Abitur, Wehrdienst, Studium der Geschichte und Germanistik in Köln, Tübingen und Wien. 2009 Preisträger beim Literaturwettbewerb „Schreiben zwischen den Kulturen“ der Edition Exil, Wien; 2010 Dramatikerstipendium des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur der Republik Österreich; Veröffentlichungen in diversen Anthologien und Zeitschriften. Amoghli gehört zum Autorenstamm von TUMULT – Vierteljahreszeitschrift für Konsensstörung. Parviz Amoghli lebt in Berlin und veröffentlichte auch in der Schriftenreihe ERTRÄGE den Band 4: Schaum der Zeit – Ernst Jüngers Waldgang heute (2016).

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