Donnerstag, 21. November 2024

Weißer Sonntag: „Als der Herr zum Tisch der Gnaden uns zum ersten mal geladen“

(David Berger) Wenn Sie aus einer katholischen Familie kommen, haben Sie vielleicht in Ihrem Küchenschrank oder nur in einer der vielen Kisten auf Dachboden oder im Keller einen solchen Teller.

„Erstkommunionteller“ nannte man ihn früher und er war in vielen katholischen Gegenden Deutschlands eng mit dem heutigen „Weißen Sonntag“, an dem viele katholische Kinder nach wie vor zum ersten mal das Sakrament der Eucharistie empfangen, verbunden.

Den auf dem Foto abgebildeten Teller fand ich, als wir nach dem Tod meiner Großmutter im letzten Sommer ihre Wohnung auflösten.

Der Teller war eines der wenigen Erinnerungsstücke, die ich in meine Obhut nahm. Ein Gegenstand, der für mich voller Erinnerungen ist. Erinnerungen auch an meine erste heilige Kommunion.

Eingepackt in einen viel zu großen schwarzen Anzug, den mein älterer Cousin aus der fränkischen Rhön vorher bei seiner Erstkommunion getragen hatte, neben mir ein Mädchen aus meiner Klasse mit einer Art Brautkleid – wie das Mädchen auf dem Teller – jeder in der einen Hand eine kostbar verzierte Kommunionkerze, die fast so lang wie ich groß war, in der anderen ein in Leder gebundenes, mit Goldschnitt ausgestattetes Gebetbuch (Mädchen weißer, Jungs schwarzer Einband) und einen Rosenkranz (wieder schwarz und weiß) schritten wir von der Grundschule unter Glockenklang und mit Blasmusik zur Kirche, wo dann die Erstkommunionfeier stattfand.

Schon damals war es das feierliche Ritual, das mich weitaus mehr begeisterte als die Geldgeschenke von Verwandten und Nachbarn (die mir natürlich nicht unangenehm waren)

Instinktiv spürte ich, dass ich hier etwas vollzog, was zahlreiche Generationen meiner Vorfahren in ähnlicher Form schon getan hatten. Auch wenn dies nicht immer so aussah, wie in der Mitte der 70-er Jahre in einem katholischen Dorf in Baden.

In der alten Kirche etwa fand die Erstkommunion sofort nach der Taufe statt, auch bei der Kindertaufe. Der Priester tauchte dazu einen Finger in den Kelch mit dem nach dem Glauben der Kirche in das Blut Christi gewandelten Wein und reichte den Finger den „infantes“ zum Saugen. Bis heute ist das in den orientalischen Kirchen auch weiter Brauch.

Erst im 12. Jahrhundert verfällt diese Art der Erstkommunion. Man kommt zunehmend zu der Position, dass die „anni discretionis“, das Alter, in dem man die normale Speise von dem Leib Christ unterscheiden kann, die Voraussetzung für einen Kommunionempfang sind. Welches Alter das genau sei, entschieden unterschiedliche Zeiten jeweils neu (von 7-15 Jahren). Erst der große Papst Pius X. ermöglichte Anfang des 20. Jahrhunderts wieder den frühen Kommunionempfang im Alter von etwa 9 Jahren.

Dass die Erstkommunion feierlich in der Gruppe / Klasse begangen wird, bürgerte sich seit dem 17. Jahrhundert im Zuge der Gegenreformation ein. In diesem Zusammenhang wurde auch der Erstkommunionunterricht zu einer wichtigen Vorbereitung auf den erstmaligen Empfang des „Leibes Christi“.

Wieder zurück in die jüngere Vergangenheit: Ein sehr individuelles familiäres Seitenstück dieses Rituals war es auch, dass ich bei meiner Erstkommunionfeier von eben jenem Teller meinen Kuchen essen durfte, den meine Mutter (Foto links) zu ihrer Erstkommunion geschenkt bekommen und meine Großmutter für den Tag der Erstkommunion der Kinder ihrer Tochter aufbewahrt hatte.

So gehört dieser Teller zu jenen völlig unscheinbaren Gegenständen, die durch Geschichte und Erinnerung erst einen tieferen Sinn bekommen, die unsere Wurzeln greifbar und sinnlich veranschaulichen.

Je entwurzelter unsere Zeiten werden, je mehr die Kultur, die unsere Identität ausmacht, in den Wirren der neuen Völkerwanderung unterzugehen droht, umso wichtiger werden solche Dinge wieder für mich.

Wie nach der philosophia perennis jedes geistige Erkennen die sinnliche Erkenntnis zur Voraussetzung hat, so wird unsere Identität nicht nur in der Welt der Ideen und Gene geprägt und gefestigt, sondern ist ganz entscheidend auf das Sinnliche verwiesen, auf das, was wir fühlen, riechen, schmecken und sehen können. Das ist der tiefere Sinn für das erneute Heben auch solcher „vergessener Kostbarkeiten“.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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