Freitag, 19. April 2024

Eine kleine Kulturgeschichte von Osterhase und Osterei

Ein Gastbeitrag von Dr. Juliana Bauer

Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts kannte man in der Pfalz und am Oberrhein – vor allem im Elsass und den angrenzenden Gebieten – die Vorstellung, der Hase bringe an Ostern den Kindern die Eier. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde der Hase insbesondere in Süddeutschland zunehmend populär und verdrängte andere „Überbringer“ wie Fuchs, Storch und Hahn.

So nahmen sich die Konditoren der Hasen bevorzugt an und gossen zu Ostern in aufwändiger Handarbeit solche aus Schokolade wie auch rote Zuckerhasen. Weite Verbreitung fand der Hase vor allem ab den 1950er Jahren in ganz Deutschland, als ihn die Süßwarenindustrie für sich entdeckte und insbesondere den Hasen aus Schokolade günstig und in reichhaltigen Mengen anbieten konnte.

Symbolik von Ei und Hase, Herkunft des Osterbrauchs

Die Gründe, die man für die Verbindung von Hase und Osterei suchte, sind vielfältig. Das Ei galt bei allen Völkern als Symbol für neues Leben. Entsprechend wurde es im Mittelalter in die christliche Kultur übernommen. Seit dem frühen 13. Jahrhundert wird im deutschen Sprachraum das Färben von Eiern erwähnt. Rot, das für Leben und Lebensfreude, aber auch für den Opfertod Christi steht, wurde dabei als erste Farbe verwendet. Noch heute stellt Rot in Südosteuropa die Hauptfarbe der Ostereier dar. Selbst in die seit Ende des 19.Jahrhunderts beliebten roten Zuckerhasen mochte diese Farbsymbolik noch hineinreichen, wenngleich auch Rot als Lieblingsfarbe der Kinder mit Sicherheit die größere Rolle gespielt haben wird.

Der Brauch, gefärbte Eier an Ostern zu verschenken, ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Die sich allmählich entwickelnde Tradition, sie den Kindern zu verstecken, dürfte mit der Geschichte des Hasen als Gabenbringer irgendwann verknüpft worden sein.

Aus dem Oberrheingebiet stammen hierfür die bislang ältesten Zeugnisse. In seiner Abhandlung „De ovis paschalibus“ („Von den Ostereiern“) von 1682 beschreibt der Botaniker und Mediziner Georg Frank erstmals die im Elsass sich ausbreitende Sitte, für Kinder die Ostereier zu verstecken wie auch den damit bereits zusammenhängenden Kinderglauben an den Osterhasen.

Eine urkundlich sowie lokal fassbare Überlieferung für das Verstecken der Ostereier findet sich aus jenen Jahrzehnten im Tagebuch des Abtes Jacob Vogler. Vogler war von 1688-1708 Abt des damaligen, unweit von Straßburg und auf rechtsrheinischer Seite gelegenen Reichsklosters Schuttern. In seinen Aufzeichnungen von 1691 erwähnt er diesen Brauch in Verbindung mit der in der Kirche seit Jahrhunderten üblichen Eiersegnung: die Kinder durften am Ostermontag im Klostergarten eingefärbte Eier suchen, die der Abt am Ostersonntag im Gottesdienst gesegnet hatte.

Wenn nun der Hase im benachbarten Elsass in jener Zeit bereits zu Ostern eine Rolle spielte, weist dies auf die Weitertradierung seiner ursprünglichen Symbolik im Volksglauben hin. Bei den Mondgöttinnen alter Religionen trat das vermehrungsfreudige Tier als deren Begleittier in Erscheinung, wo es als Sinnbild für Fruchtbarkeitund neu aufbrechendes Leben stand.

Im Christentum des Spätmittelalters erfuhr der Hase u.a. eine vergleichbare Deutung. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise die Darstellung von Hasen auf einem Flügel des Hochaltars im Freiburger Münster zu sehen: auf der Bildtafel, welche die Begegnung Marias mit Elisabeth schildert, spielen die Tiere zu Füßen der beiden schwangeren Frauen. (Siehe Bild links (c) Hans Baldung, CC BY-SA 3.0 . via Wikimedia Commons)

Die Kirchenlehrer Ambrosius und Basilius (4. Jahrhundert) setzten den Hasen in einen engen Deutungsbezug zu Christus und der Auferstehung. Solchen Interpretationen, die uns heute befremden, lagen Erklärungen aus dem Physiologus, einer frühchristlichen Naturlehre, zugrunde, der Pflanzen und Tiere allegorisch und mit Blick auf den göttlichen Heilsplan beschreibt. Darin findet der Hase u.a. seinen Platz sowohl als Sinnbild für Wachsamkeit, als auch für Verwandlung und damit für Erneuerung und Auferstehung.

Die Tatsache, dass er keine Augenlider hat, wurde dahin gedeutet, dass er nicht schlafe und somit gewissermaßen Christus ähnlich sei, der im Tod nicht entschlief. Als Symbol für Wandlung und Erneuerung wollte Ambrosius insbesondere den Schneehasen verstanden wissen, der in Herbst und Frühjahr die Farbe seines Fells wechselt.

Sicher ist, dass die Legenden, die den Hasen mit der Osterzeit verbinden bis hin zu der Mär, er bringe den Kindern die Eier, unterschiedliche Vorstellungen und Symboldeutungen um Frühling und Auferstehungsfest miteinander verwoben.

Unterschätzt werden darf hierbei jedoch auch nicht die wirtschaftlich-soziale Realität der bäuerlich geprägten Gesellschaft vergangener Epochen. Diese beeinflusste mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verknüpfung von Hase und Ei und die mit ihr zusammenhängenden Bräuche: Eier, aber auch Kleinvieh wie Geflügel und Hasen zählten zu den Zins-Abgaben, die der „kleine Mann“ seinem Herrn zu entrichten hatte. Die vorgegebenen Zins-Termine waren neben Martini und Lichtmess vor allem der Gründonnerstag, also der Donnerstag vor Ostern.

Unbestritten bleibt, dass die Kinder nach wie vor den Osterhasen und die Geschichten, die sich um ihn ranken, lieben, dass aber auch die Süßwarenindustrie nicht auf ihre jährlichen Umsätze zur Osterzeit verzichten muss.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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