Dienstag, 19. März 2024

Angela Merkel und die von ihr geschaffenen No-go-Areas

Ein Gastbeitrag von Douglas Murray (Gatestone)

Ist es möglich, dass die Mainstream-Politiker und die Mainstream-Medien endlich anerkennen, was die europäische Öffentlichkeit mit eigenen Augen sieht? Zwei neuere Vorkommnisse deuten darauf hin, dass dies der Fall sein könnte.

Das erste ist ein Zugeständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die es fast ein halbes Jahr nach der peinlichen Niederlage ihrer Partei bei den Bundestagswahlen endlich geschafft hat, eine Koalitionsregierung zu bilden. Im vergangenen September erlebten nicht nur Merkels Partei und ihre ehemaligen Koalitionspartner einen historischen Einbruch ihres Stimmenanteils, sondern auch den Einzug der fünfjährigen Anti-Immigrationspartei AfD (Alternative für Deutschland), die inzwischen so groß ist, dass sie die offizielle Opposition des Landes darstellt, in den Bundestag. Wenn die deutschen Wähler eine Botschaft aussenden wollten, dann hätte es kaum klarer sein können.

Vielleicht wurde es sogar gehört. Am Montag, den 26. Februar, gab Merkel dem deutschen Sender N-TV ein Interview. Darin räumte sie schließlich ein, dass es in ihrem Land „No-Go-Gebiete“ gibt:

„Das heißt, Gebiete, in die sich niemand traut“.

Sie fuhr fort: „Es gibt solche Gebiete, und man muss sie bei ihrem Namen nennen und etwas dagegen unternehmen.“ Die Kanzlerin behauptete, dass sie eine „Null-Toleranz“-Haltung gegenüber solchen Orten befürworte, identifizierte aber nicht, wo sie sich befinden. Zwei Tage später betonte ihr Sprecher Steffen Seibert, dass

„…die Worte der Kanzlerin für sich selbst sprechen“.

Obwohl die Kanzlerin sich für wenige Worte entschieden hat, ist es wichtig, dass sie diese Dinge überhaupt gesagt hat. Seit Jahren leugnen deutsche Politiker wie auch ihre politischen Kollegen auf dem ganzen Kontinent grimmig, dass es in ihren Ländern Gebiete gibt, auf die sich die Rechtsstaatlichkeit nicht erstreckt.

Auch Politiker aus anderen Ländern, unter anderem aus Schweden und Frankreich, leugnen dies. Im Januar 2015 drohte die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo damit, Fox News zu verklagen, nachdem der Sender gesagt hatte, dass es in ihrer Stadt No-Go-Zonen gäbe.

Hidalgo behauptete damals in einem Interview auf CNN, dass „die Ehre von Paris“ und das „Image von Paris“ geschädigt worden seien. Es war eine typische spezielle Behauptung, die ignorierte, dass, wenn das „Image von Paris“ in dieser Zeit irgendeinen Schlag erlitten hätte, dies möglicherweise auf das Massaker an 12 Journalisten, Cartoonisten und Polizisten in den Büros der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und das Abschlachten von vier Personen in einem koscheren Supermarkt zwei Tage später zurückzuführen war.

Zugeständnisse wie das von Merkel – im Gegensatz zu Vertuschungen wie der von Hidalgo – sind also zu begrüßen, wenn sie auftreten.

Nur eine Woche später wurde ein weiterer merkwürdiger Meilenstein erreicht. Die Titelseite der New York Times portierte am 6. März eine Story – auch mit den einzigen Bildern der Seite geschmückt – von der niemand erwartet hätte, dass die Zeitung sie bringt. Unter der Überschrift „Alte Waffen erschüttern Schweden“ wird der kürzliche Tod eines 63-jährigen Mannes im Stockholmer Vorort Varby Gard festgehalten. Daniel Cuevas Zuniga hatte erst kurz vorher eine Nachtschicht als Helfer für behinderte Erwachsene beendet und fuhr mit seiner Frau mit dem Fahrrad nach Hause, als er, als er ein kugelförmiges Objekt auf dem Boden entdeckte, anhielt und die Hand ausstreckte. Es handelte sich um eine M-75 Handgranate; ihre Sprengladung und 3000 Stahlkugeln töteten Herrn Zuniga sofort und bliesen seine Frau vom Fahrrad.

Wie die Zeitung zugestand ist dies kein einmaliges Ereignis, sondern Teil eines Anstiegs der Gewalt – insbesondere mit Handgranaten -, der durch den Zustrom ausländischer Banden und ausländischer Waffen (hauptsächlich aus den Balkankriegen der 1990er Jahre) in das skandinavische Land verursacht wurde.

Die Zeitung zitierte einen libanesischen Asylbewerber, der zuvor in einer libanesischen Miliz Mitglied eines Kommandotrupps gewesen war. Paulus Borisho hörte in seinem Dönerladen die Explosion, die Zuniga tötete. Wie die Zeitung schrieb:

„Dass eine Granate auf dem Bürgersteig vor einem Dönerladen, nur wenige Schritte von einer Grundschule entfernt, gefunden wird, war für ihn schwer zu ertragen.“

„Wenn ich heute an die Zukunft denke, habe ich Angst“, sagte er. „Ich habe Angst um Europa“.

Das sollte er auch. Die Zeitung hatte sogar den Anstand, Freunde des verstorbenen Herrn Zuniga zu zitieren, die berichteten, er habe sich über die jüngsten „Veränderungen in Varby Gard“ beschwert und sei „frustriert gewesen, dass die Polizei keine bessere Kontrolle hat“. Nochmals: Das sollte er in der Tat.

Natürlich wurde über den Anstieg der Bandengewalt und insbesondere der Granatengewalt in Schweden in den letzten Jahren auch in anderen Medien berichtet. Diese haben auf die oft lächerliche Art und Weise hingewiesen, wie die schwedische Polizei gegen dieses Problem vorgeht.

So hat beispielsweise die schwedische Polizeichefin Linda Staaf kürzlich versucht, Banden davon abzubringen, in Schweden Handgranaten zu benutzen, indem sie darauf hinwies, dass das Granatenwerfen gefährlich ist, weil derjenige, der die Nadel herauszieht, „sich einem großen Risiko aussetzen könnte“.

Zeitungen wie die New York Times haben sich wenig für solche Probleme interessiert – Probleme, die so schlimm geworden sind, dass Ministerpräsident Stefan Löfven sogar damit gedroht hat, die Armee in bestimmte schwedische Vororte zu schicken.

Stattdessen tendierten Zeitungen wie die New York Times in den letzten Jahren zu derselben Verleugnung der Probleme, die die Masseneinwanderung aus den Entwicklungsländern in Europa verursacht, wie Angela Merkel.

Sie neigen dazu, den „Mut“ zu loben, normale Grenzkontrollen auszusetzen, während sie die schrecklichen Folgen des Imports von Millionen von Menschen mit unbekannter Identität, zukleistern oder ignorieren. Und natürlich haben sie, wie Bürgermeisterin Hidalgo in Paris, dazu tendiert, mehr die Boten zu erschießen, als die Nachrichten weiterzugeben, indem sie alle solchen Geschichten als „Fake News“, „rechtskonservativ“ oder „rechtsextreme Propaganda“ abgetan haben.

Erst letztes Jahr, als Donald Trump berühmterweise von „was gestern Abend in Schweden passiert ist“ sprach, wussten die Massenmedien, worauf er sich bezog. Sie wussten, dass er locker auf einen Bericht verwies, den er in der Nacht zuvor in den Nachrichten von Fox über die zunehmend schlechte Situation in diesem Land gesehen hatte. Die Medien haben sich jedoch entschieden, dieses Problem nicht zu benennen. Stattdessen entschieden sie sich – im Großen und Ganzen -, über den Präsidenten zu lachen und die Idee zu verspotten, dass es im skandinavischen Paradies irgendwelche Probleme gäbe.

Die New York Times titelte damals, dass die Äußerungen von Präsident Trump „verblüffend“ seien, während viele der übrigen Medien einfach so taten, als sei Schweden ein Land von unendlichem Frieden und Ikea, das vom Präsidenten schwer verleumdet worden war.

Die Überraschung, dass Bundeskanzlerin Merkel und die New York Times nur wenige Tage auseinander unabhängig voneinander bereit gewesen sind, Tatsachen einzugestehen, die sie und ihre Apologeten schon seit langem als imaginär bezeichnen, könnte eine Art Fortschritt sein.

Es darf jedoch kein Anlass zu Optimismus sein. Statt zu demonstrieren, dass die Dinge besser werden, da sie jetzt zugeben, was für die Augen der gewöhnlichen Europäer längst sichtbar ist, könnte es ein Eingeständnis sein,

…dass die Dinge so schlecht geworden sind – und so bekannt sind -, dass sogar die Graue Dame und Mutti Merkel nicht mehr in der Lage sind, sie zu ignorieren.

Wenn ja, dann muss ein Gedanke folgen: Stellen Sie sich vor, was hätte gelöst werden können, wenn mit dem Leugnen gar nicht erst angefangen worden wäre?

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Douglas Murray, britischer Autor, Kommentator und Analyst öffentlicher Angelegenheiten, hat seinen Sitz in London. Sein neuestes Buch, ein internationaler Bestseller, ist „The Strange Death of Europe: Immigration, Identity, Islam“. Der Beitrag erschien zuerst bei Gatestone Institut. Übersetzung: Daniel Heiniger –  Auch sein Blog sei ganz besonders empfohlen: https://politisches.blog-net.ch.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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