Sonntag, 22. Dezember 2024

Hochkonjunktur für politischen und moralischen Kitsch

Eine Glosse von Joachim Kortner

Kitsch – ein schillerndes Wort. Vom Madonnenbild in süßlichen Farben bis zum Herz-Schmerz-Schlager – so hat jeder seine persönlichen Vorstellungen von Kitsch –  ein Name für alles Unechte, Vorgetäuschte und Verlogene. Neben dem künstlerischen Kitsch gibt es auch den moralischen Kitsch. Moralischer Kitsch ist von Beruf Schauspieler. Gerne  schlüpft er in die Theaterkostüme der „Betroffenheit“ und „Empörung“.

Unter Moral versteht der moralische Kitsch nicht das, was man früher unter Anstand und Anständigkeit verstanden hat. Seine Bühne hat der moralische Kitsch überall dort , wo man ohne eigene Opfer und ohne den geringsten eigenen Verzicht ein wohltuendes Moralbad nehmen darf:

Die aromatischen Badezusätze des Moralbades sind in folgenden Duftnuancen kostenlos erhältlich: Menschenrechte, Menschenwürde, Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit, Toleranz, Buntheit und Vielfalt.

Der Darsteller auf der moralischen Kitschbühne ist leicht an seiner zur Schau getragenen sogenannten „Betroffenheit“ zu identifizieren. Die Rollen des moralischen Kitschdarstellers kann jeder mühelos erlernen.

Du brauchst einfach nur für etwas zu sein. Für den Frieden, für Gerechtigkeit oder die Menschenrechte, für Toleranz, für Buntheit, für die Religionsfreiheit, wahlweise gegen Trump, Orban oder Putin.

Zur optischen Verstärkung empfiehlt es sich, ein Kleidungsstück mit einem Aufdruck deiner edlen Gesinnung (Trump not my President! / Erlangen ist bunt!) anzuziehen oder hinter einem Spruchband wie „Nie wieder Deutschland!“ herzulaufen.

Das gibt dem Darsteller des moralischen Kitsches das schöne Gefühl, ein besserer Mensch zu sein, auf der richtigen Seite zu stehen und damit demokratischer, sozialer, liberaler, toleranter, fortschrittlicher, offener, vielfältiger und bunter oder gar christlicher als der politische Gegner zu sein.

Natürlich schlüpfen auch Politiker gerne mal in ein moralisches Kitschkostüm. Allerdings nur dann, wenn Kameras in der Nähe sind. So können sich Politiker als mitfühlend und als „Mann aus dem Volke“ in Szene setzen.

Den moralischen Kitsch verwandelt der Politiker automatisch in politischen Kitsch. Dieser dient nicht etwa dem eigenen moralischen Wohlgefühl. Er hat zwei einfache Ziele. Sie heißen: „Wie komme ich an die Macht?“ und „Wie bleibe ich an der Macht?“  

Die Hochsaison für den politischen Kitsch ist das Wahljahr. Jetzt empfiehlt sich z. B. der TV-begleitete Besuch in einer Fabrik. Der aufgesetzte Schutzhelm gilt als Zeichen der inneren Verbundenheit mit der Arbeiterschaft. Leicht zu lernende Sprechrollen enthalten Worthülsen wie

„soziale Gerechtigkeit“, „Europa“, „internationale Gemeinschaft“, „Wertegemeinschaft“, „Diversität“ und „Buntheit“.  

Der politische Kitsch fordert zu mutigen Taten auf. Diese mutigen Taten vor Kameras heißen Mahnwache, Solidaritätskundgebung, Lichterkette und Teilnahme an Trauergottesdiensten nach Terrorakten. 

Wer es aber wagt, den moralischen und politischen Kitsch zu demaskieren, der wird zwangsweise umgetauft und heißt ab sofort nur noch

„Populist“,„Islamophobiker“, “Rassist“, „Hassbürger“ oder schlicht und einfach  „Dunkeldeutschland“. 

Aber Hand aufs Herz: Wer möchte denn schon so heißen? Da lassen wir doch lieber das mit der Kritik. Damit aber geben wir den beiden Schauspielern MORALISCHER KITSCH und POLITISCHER KITSCH ein Dauerengagement auf der Bühne der Öffentlichkeit.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Bestseller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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