Donnerstag, 21. November 2024

„Kontinuierlich verschlechtert“: Berliner Juden in Zeiten des Antisemitismus

Ein Interview mit Yizre´el (Izi) Aharon, geführt von A.R. Göhring

Yizre´el Aharon ist der Herausgeber von Haolam.de (hebr. „die Welt“), einer Internetzeitung in der Hauptstadt für Politik, Kultur, Wirtschaft, Lifestyle und jüdisches Leben.

PP: Herr Aharon, eine persönliche Frage am Anfang: Wie ist Ihr individuelles Sicherheitsgefühl in Deutschland, vor allem in der Hauptstadt Berlin? Was sagen Ihre Haolam-Kollegen, Ihre Familie und Ihre Freunde?

izi aharon.jpgYizre´el Aharon: Ich bin jetzt vor etwas mehr als 13 Jahren nach Berlin umgezogen – und die Situation hat sich schon kontinuierlich verschlechtert. Das kann man objektiv aufzeigen anhand der zunehmenden antisemitischen Vorfälle und Übergriffe, das merke ich aber auch an meinen intuitiven, natürlich subjektiven Verhaltensänderungen. Ich achte zum Beispiel schon darauf, wenn ich die Wohnung verlasse, dass meine Halskette mit dem Davidstern unter dem T-Shirt ist und nicht versehentlich, sichtbar über dem T-Shirt. Man muss aber auch nur in die öffentlichen Schulen schauen, in denen jüdische Kinder immer öfters zur Zielscheibe von Mobbing und körperlichen Übergriffen werden, oder auf den immer hemmungsloser auf den Straßen auftretenden Antisemitismus.

Wenn vor dem Brandenburger Tor Davidsterne verbrannt werden oder über den Kurfürstendamm hunderte Islamisten marschieren und skandieren „Hamas, Hamas – Juden ins Gas“ oder „Jude, Jude feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“ – dann sind das die augenscheinlichsten Beispiele, wie sich das Klima in dieser Stadt verändert.

Zugleich sehen wir auch aktuell, wie der Antisemitismus, getarnt als „Israelkritik“ – wieder einmal – wie Amalgam zwischen Islamisten, Neo-Nazis und Linksextremisten wirkt.

Die Umgangsweise mit der Entwicklung bei unseren in Deutschland lebenden Mitarbeitern ist unterschiedlich – es kommt darauf an, ob man eher in ländlichen Gegenden oder in Großstädten wie Köln, Hamburg oder Berlin lebt. Von zwei Mitarbeitern weiß ich, das sie ihre Mesusas von den Wohnungstüren entfernt haben, damit nicht gleich erkennbar ist, das sie Juden sind (Die Mesusa ist ein stabähnliches Holzgehäuse, in diesem ist eine kleine Pergamentrolle mit Versen aus der Torah. Sie wird an der Haus-, bzw. Wohnungstür angebracht.).

PP: Ganz aktuell: Wie stehen Sie zur Entscheidung von Präsident Donald J. Trump, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und damit die Stadt als Kapitale Israels offiziell anzuerkennen? Rational, oder eine unnötige Provokation der Mohammedaner?

Yizre´el Aharon: Ehrlich gesagt, finde ich die Aufregung schlichtweg heuchlerisch. Zunächst einmal hat Präsident Trump diese Entscheidung gar nicht getroffen. Die Entscheidung zur Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem wurde schon vor vielen Jahren vom US-Parlament mit den Stimmen von Republikanern und Demokraten getroffen. Die US-Präsidenten haben dann immer nur die Umsetzung der Entscheidung per Dekret um jeweils 6 Monate ausgesetzt. Präsident Trump hat diese Aussetzung nicht mehr verlängert – übrigens hat er damit sicherlich für viele Politiker etwas Ungewöhnliches gemacht: Er macht nach der Wahl nur das, was er vor der Wahl seinen Wählern versprochen hat.

Die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem ist die Anerkennung der Realität und des Rechtes eines jeden souveränen Staates, selber seine Hauptstadt zu bestimmen.

Im Übrigen: Nur der Umstand, das Jerusalem die unteilbare Hauptstadt Israels ist, garantiert allen Religionen – Juden, Muslimen, Christen – die ungehinderte und freie Religionsausübung sowie den freien Zugang zu ihren heiligen Stätten. Zudem wirkt Präsident Trump auch in diesem Punkt wie ein Trendsetter: Immer mehr Staaten folgen dem Beispiel der USA und erkennen auch offiziell die Realität an – und kündigen die Verlegung ihrer Botschaften nach Jerusalem an.

Im übrigen frage ich mich auch bei diesem aktuellen Anlaß: Ist noch nie jemanden aufgefallen, das zwar arabische Einwohner der so genannten „Palästinensischen Autonomiegebiete“ nicht nur zum arbeiten nach Israel gehen, sondern auch nach Israel fliehen und dort leben – aber kein arabischer Bewohner Israels auf die Idee kommt, in die so genannten „Palästinensischen Autonomiegebiete“ zu gehen?

PP: 2014 brüllten Araber vor dem Brandenburger Tor „Juden ins Gas“; vor kurzem wurden am selben Ort als Reaktion auf Trumps Entscheidung selbst gebastelte Davidsternflaggen von Mohammedanern verbrannt. Vor kurzem stand ein offenbar nationalsozialistischer älterer Mann vor dem Restaurant Feinberg’s in Berlin-Schöneberg und bepöbelte den Gastwirt. Der linke Antisemitismus, als Israelkritik getarnt, ist Legion. Welche Art Judenhaß in Deutschland bereitet Ihnen zurzeit die größte Sorge? Der moslemische, der rechte, oder der linke?

Yizre´el Aharon: Es kann hier keinen Relativismus geben: Um zu sehen, wozu der nationalsozialistische Antisemitismus fähig ist, muss man nur in ein Geschichtsbuch blicken, oder sich mit Überlebenden des Holocaust treffen, oder eine Gedenkstätte besuchen und sich damit auseinandersetzen, was dieses in der Menschheitsgeschichte einzigartiges Verbrechen bedeutet.

Zur Realität gehört auch, daß, wie israelische Forscher jetzt belegen konnten, mehr als 600.000 Muslime freiwillig in Hitlers Armeen dienten – am bekanntesten ist die SS-Division Handschar und die Rolle des so genannten „Großmufti“ von Jerusalem, al-Husseini, der ein persönlicher Freund Hitlers war.

Zur Realität gehört jedoch auch der immer aggressivere Antisemitismus von Islamisten – einige schockierende Beispiele dieser Entwicklung haben Sie ja genannt. Kann man das alles aber strikt voneinander trennen?

Al quds Marsch Israel

Beim antisemitischen „Al-Quds-Marsch“ (Bild links), der jedes Jahr auf dem Berliner Ku-Damm zelebriert wird, marschieren nicht nur die aus ganz Deutschland angereisten Anhänger des iranischen Islamisten-Regimes mit.

Auch Linksextremisten und Neonazis wurden schon – in trauter Eintracht – als Teilnehmer gesichtet. Dennoch sehe ich tatsächlich – begründet auf eigenen Erfahrungen, Erfahrungsberichten und den Zahlen etwa des Verfassungsschutzes – eine wachsende, aktuell größere reale Bedrohung durch den islamistischen Antisemitismus. So wie viele Freiheitsrechte und zivilisatorische Prinzipien von dieser Seite immer massiver bedroht werden – ich denke an die zunehmende Gewalt gegen Homo- und Transsexuelle, an das immer öfters auftretende verdrängen von Frauen aus dem öffentlichen Raum usw.

Eine im Auftrag des AJC durchgeführte wissenschaftliche Studie kam darüber hinaus zu folgendem Schluß, der auch in Zeitungen wie der Welt Aufmerksamkeit erregte:

„Ein grundsätzlich negatives Israelbild und eine Infragestellung des Existenzrechts des jüdischen Staats ist für fast alle der Befragten selbstverständlich. Zudem wurde bei den Interviews offen Feindschaft gegenüber Israel und den Juden ausgedrückt. Diesbezüglich äußerten sich geflüchtete Kurden und Nichtmuslime deutlich positiver..“

Wie gesagt, ganz neu ist das alles nicht. In diesem Zusammenhang darf ich auch daran erinnern: Die Mitglieder der neonazistischen Terrorgruppe „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (Verantwortlich für den Sprengstoffanschlag auf das Münchner Oktoberfest 1980 und für die Ermordung eines jüdischen Verleger-Ehepaares in der Nähe von Nürnberg kurze Zeit danach – wurden von der arabischen Terrororganisation PLO in deren Trainingslagern im Libanon ausgebildet.)

Der antisemitische Übergriff vor dem Restaurant Feinberg´s in Schöneberg hat noch mal eine andere Qualität: Da war keine antisemitische Demonstration von Antisemiten, wo man also damit rechnen muss, antisemitische Ausfälle und Übergriffe zu erleben. Die Attacken kamen unverhofft.

Da steht der Besitzer – ein persönlicher Freund von mir übrigens – vor seinem Laden und raucht zusammen mit seiner Freundin eine Zigarette und beide trinken Kaffee. Sozusagen eine kleine Pause. Und dann kommt eine Einzelperson vorbei, sieht im Schaufenster den Chanukka-Leuchter, es wird im offenbar bewusst, daß er an einem jüdischen Restaurant vorbeiläuft, und völlig ohne Vorwarnung bricht es aus ihm heraus und er beginnt, die beiden auf das übelste zu beschimpfen, zu bedrohen, er spuckt, redet von Gaskammern. Die gerufenen Polizeibeamten, die zufällig vorbeifuhren, müssen dann sogar Handschellen anlegen, weil der Typ in seiner Raserei auch droht, handgreiflich zu werden.

Wer das Video gesehen hat, weiß wie krass dieser Vorfall war – ganz „spontan“ von jemandem, dem man es nicht unbedingt ansehen würde, ein braver, biederer Bürger. Das zeigt: Es kann immer und überall herausbrechen.

PP: In einem Artikel auf Haolam.de lassen Sie durchklingen, daß Israel und Juden weltweit immer unbeliebter werden. Das dürfte aufgrund der milliardenschweren Lobby-Arbeit von Islamisten in internationalen Organisationen wie der UNESCO (Trump trat gerade aus) stimmen. Was kann man gegen diesen gezüchteten Haß tun?

Nun, die USA gehen mit gutem Beispiel und ganz praktisch voraus. Nach der antisemitischen Jerusalem-Resolution der UN-Vollversammlung – eingebracht von der Türkei und dem Jemen, unterstützt u.a. von der Bundesrepublik Deutschland – erklärten die USA, das sie ihre Zuschüsse alleine für den operativen Haushalt der UNO im Haushaltsjahr 2018 (19 um fast 300 Millionen US-Doller kürzen wird. Weitere Kürzungen der Geldmittel an die UNO sind wohl in Vorbereitung, und die UN-Botschafterin Nikki Haley hat sehr deutlich gemacht, das die USA im Verhältnis, insbesondere finanzieller Hilfen, Konsequenzen bezüglich jener Staaten ziehen wird, die der antisemitischen Resolution zustimmten.

Präsident Trump mag vielleicht, glaubt man den Medienberichten, ungehobelt und nicht ganz fein in seiner Ausdrucksweise sein – aber die Amerikaner haben ihn auch nicht dafür gewählt, den Nobelpreis in feinem Benehmen zu bekommen.

Er scheint sich aber nicht auf der Nase herumtanzen zu lassen und er scheint kein Weichei zu sein. Es ist einfach grotesk zu glauben, man könne zwar von den USA jährlich Milliarden an Zuschüssen bekommen, und dann zum Dank ihnen ins Gesicht spucken.

Neben den Milliarden, die über UN-Kanäle in antisemitische Propaganda und in Dämonisierungs-Kampagnen gegen Israel fließen, kommen seit dem verhängnisvollen Atomdeal mit der Islamischen Republik Iran (IRI) weitere Milliarden aus Teheran hinzu. Quasi eine ganze Filmindustrie – genannt Pallywood – existiert nur, um am laufenden Band „Fake News“ filmisch zu produzieren und zu verbreiten.

Es ist an der Zeit, den Extremisten endlich den Geldhahn zuzudrehen und sie nicht weiterhin, vor allem aus Europa, regelrecht zu pampern und zu verhätscheln.

PP: Wie sehen Sie die Zukunft des christlich-jüdischen Westens? Wie wird sich die sehr hohe Fortpflanzungsrate der Mohammedaner in Westeuropa und Israel auswirken? Werden Europa und Israel christlich-atheistisch und jüdisch geprägt bleiben?

Yizre´el Aharon: Das kann man nicht pauschal beantworten. Zu Israel: Es gibt zum einen eine gute Entwicklung der jüdischen Bevölkerungszahl, was sich ja auch in einem anhaltenden Wohnungsbau ausdrückt.

Zudem hat eine durchaus wachsende Zahl unter jungen arabischen Israelis eine positive Einstellung zum jüdischen Staat. Sie sehen ja, daß sie in Israel alle Chancen haben – eine erstklassige Ausbildung, freien Zugang zu einem erfolgreichen Leben, individuelle Freiheitsrechte, ein gutes soziales Leben und arabische Israelis haben natürlich die gleichen Bürgerrechte wie alle anderen Staatsbürger auch. Und da fällt es dann eben schon auf, wenn die so genannte „Vereinigte Arabische Liste“ bei den Parlamentswahlen nur 13 von 120 Mandaten erringen kann – und sie laut allen Umfragen bei den nächsten Wahlen herbe Verluste hinnehmen wird.

Im Übrigen, was viele auch nicht wissen oder sehen wollen: In Israel gilt die allgemeine Wehrpflicht – Männer dienen 3 Jahre, Frauen 2 Jahre – nur für jüdische Staatsbürger. Aber die Zahl der drusischen, beduinischen und arabischen Freiwilligen, die in den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (Zahal) diesen, nimmt konstant zu. Weil sie sich mit Israel identifizieren und bereits sind, diesen Staat, der ihnen Heimat ist und ein gutes Leben ermöglicht, auch mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Ich habe selber junge arabische Israelis gesehen, die mit Stolz und auch Tränen in den Augen die haTikva, die israelische Nationalhymne, singen.

In Europa hingegen ist die Situation anders. Nicht nur, weil hier völlig unkontrolliert Menschen in Massen einwandern konnten, von denen niemand weiß, wer sie sind, woher sie kommen und was sie eigentlich planen.

Hinzu kommt diese chronische Lust am Einknicken und Kapitulieren. Viele Probleme würde es so nicht geben, wenn man klar und deutlich seine eigenen Grundwerte und Grundsätze verteidigen würde. Wenn man klar macht: Wer hier ist oder hierher kommt, muss unsere Regeln akzeptieren:

Das Gewaltmonopol des demokratischen Rechtsstaates, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, den Respekt vor anderen Religionen, die Anerkennung unserer Mitgliedschaft in der westlichen Wertegemeinschaft, das besondere Verhältnis zu Israel und auch zu den USA, der Führungsmacht der freien Welt.

Aber mal ehrlich: Warum sollte jemand unsere Werte akzeptieren, wenn wir sie selber nicht wert erachten, verteidigt zu werden?

PP: Herr Aharon, wir danken für das Gespräch. Schalom!

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Internetempfehlungen: https://haolam.de/de/startseite.html und: http://juedischerundschau.de/

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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