Ein Gastbeitrag von A. R. Göhring
Politische Korrektheiten wie der nationalistische Militarismus des frühen 20. Jahrhunderts, der die Welt an seinem Wesen genesen lassen wollte, haben in Deutschland, Europa und der Welt Katastrophen von historischem Ausmaß ausgelöst. Eigentlich müssten wir daraus gelernt haben und heute davor gefeit sein.
Weit gefehlt: Auch die aktuelle „politische Korrektheit“ formuliert erneut widersprüchliche weltfremde Mythen, die halb-totalitär auf allen Kanälen verbreitet werden und denen nicht widersprochen werden darf. Wie damals mit erheblichen Kosten und katastrophalen Folgen.
Der britische Komiker John Cleese erklärte einmal in einem Interview, dass die heutige politische Korrektheit, die Mitte der 1980er von linken Studenten an US-amerikanischen Universitätsstandorten wie Berkeley entwickelt wurde, ursprünglich eine gute Sache gewesen sei. Die Forderung nach Nicht-Diskriminierung von gesellschaftlichen Minderheiten wie Afrikanern und Homosexuellen sei ein notwendiger zivilisatorischer Fortschritt gewesen. Heute allerdings werde die politische Korrektheit zunehmend dafür missbraucht, das Recht auf Meinungsfreiheit zu beschneiden und somit Demokratie und Pluralismus in den westlichen Staaten abzubauen.
Machtspiele à la „1984“
Was den ersten Teil seiner Einschätzung angeht, hat Cleese wahrscheinlich Unrecht: Die Forderungen der „Progressiven“ nach Minderheitenschutz ergeben sich eigentlich bereits aus der christlich-aufklärerischen Tradition des Westens. Und tatsächlich waren viele Forderungen der linken Studenten Leerformeln, da zum Beispiel der Rassismus in Nordamerika in Militär und Gesellschaft seit den 50er und 60er Jahren zu großen Teilen abgebaut wurde. So tat es nicht Wunder, dass die Linken nur noch wenig Konkretes in juristischen oder bildungspolitischen Fragen fordern, sondern sich hauptsächlich auf Sprachhygiene und Symbolpolitik konzentrieren.
Genau diese beiden Gebiete sind aber spätestens seit Orwells Roman 1984 als potente Mittel zum Machtgewinn und zur Bevölkerungskontrolle bekannt. Roland Tichy erwähnte in diesem Zusammenhang, dass die Ultralinken Mitte der 1980er den Klassenkampf wegen Erfolglosigkeit zugunsten der Minderheitenpolitik aufgegeben hätten. Diese ermöglichte es den meist akademisch-bürgerlichen Linken nun, über ihren privilegierten Zugang zu Medien und Bildungsanstalten, zumindest den Zeitgeist, die öffentliche Kultur, nach ihrem Bilde zu formen. Dabei kam ihnen sicherlich zugute, dass der Mensch eine moralische Spezies ist, die vielleicht nicht besonders moralisch handelt, sich aber leicht mit moralischen Imperativen erpressen lässt.
Macht durch Diskursherrschaft
Da die Politik eines Landes bekanntermaßen von der Kultur einer Gesellschaft abhängig ist (statt andersherum), war es nur eine Frage der Zeit, bis die linke politkorrekte Minderheit die Entscheidungen in sämtlichen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, von der Schule bis zur Universität, von der Verwaltung bis zu den eigentlich eher konservativen Volksparteien, dominieren konnte. Dies geschah unter anderem durch die Themen- und Begriffsbesetzung im öffentlichen Diskurs.
Ultralinke Denker wie der italienische Kommunist Antonio Gramsci oder der französische Philosoph Michel Foucault hatten dazu die Strategie geliefert, indem sie beschrieben, dass die Besetzung kultureller Schaltstellen und die anschließende häufige und stetige Wiederholung von bestimmten Positionen und Forderungen in den Bildungseinrichtungen und Medien mittelfristig dazu führt, dass die Bürger die Ideen der linken Minderheit allmählich als „normal“ oder „modern“, und nicht zuletzt als „richtig“ ansehen. Eines der wichtigsten Beispiele dafür ist der grassierende Glaube an die CO2-getriebene Klimakatastrophe, der hauptsächlich von der Behauptung und weniger von klaren wissenschaftlichen Beweisen lebt.
Das Schelsky-Prinzip: der Eigennutz der „Moralischen“
Der Begriff der politischen Korrektheit ist erstaunlich ehrlich, was die eigentlichen Motive der „Korrekten“ angeht: Politik ist bekanntlich ein schmutziges Geschäft, das von Täuschung und Lüge lebt und letztlich den brutalen egoistischen Interessen von Individuen und Gruppen dient.
Der konservative Soziologe Helmut Schelsky, Mitbegründer der soziologischen Fakultät der Universität Bielefeld, sagte in den 1970er Jahren voraus, dass ein wohlhabender Sozialstaat elitäre Intellektuelle geradezu magisch anlocke, die neue Probleme erfinden oder vorhandene zum Weltuntergangsszenario aufblasen würden, um damit politische Munition und gutbezahlte Jobs für sich selbst und ihre Gesinnungsgenossen zu schaffen. Kurze Zeit später traten die frisch gegründeten Grünen den Beweis für die Richtigkeit der Vorhersage Schelskys an: Seit Anfang der 1980er war das Katastrophenszenario vom „Waldsterben“ aus den Medien Westdeutschlands nicht mehr wegzudenken; ähnlich der heutigen Klima-Angst. Bis zum Jahr 2.000 sollte der deutsche Wald komplett weggestorben sein. Da die menschliche Psyche zur Aufmerksamkeit neigt, wenn jemand „Alarm!“ ruft, waren Medien, Grünen und einigen Biologen viele Wählerstimmen bzw. viel Geld sicher. Ende der 80er verschwand die Katastrophe still und heimlich aus der politisch-medialen Sphäre, weil der Wald sich dummerweise weigerte, wie vorgesehen zu verschwinden.
Im Jahre 2017 ist die Szene der professionellen Weltenretter und Moralunternehmer in den westlichen Ländern völlig unübersichtlich geworden. Neben einer enormen Anzahl von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), die zum Großteil als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für moralbewegte Bürgerkinder dienen und sehr wohl Regierungs-Gelder erhalten, gibt es eine Vielzahl von kirchlichen und staatlichen Stellen, die sich im Bereich der Gender-, Klima-, Asyl- und Sozialindustrie tummeln. Allen diesen ist gemein, dass sie, wie Birgit Kelle einmal über die Genderforscher sagte, niemals ans Ziel kommen dürfen, denn das bedeute zwingend Arbeitslosigkeit. Und so werden am laufenden Band neue zu betreuende Minderheiten ge- bzw. erfunden oder schlicht en masse importiert.
Opfer- und Mythos-Hierarchien
Der Kerngedanke der politischen Korrektheit heutiger Tage lässt sich recht einfach formulieren: Die westliche Kultur und Mehrheitsgesellschaft, darunter hauptsächlich die Männer, werden als verdächtig angesehen und bis ins Kleinste grundsätzlich kritisiert. Es gibt keinen Politkorrekten, der die eigene westliche Gesellschaft nicht für bis ins Mark antisemitisch, nationalistisch, sexistisch, rassistisch, islamophob, homosexuellen- und fremdenfeindlich hält.
Fremde Kulturen hingegen, besonders die der abgeschlagenen Moslems und Afrikaner, werden im Sinne des Rousseau’schen Edlen Wilden regelrecht idealisiert. Deren antisemitische, nationalistische, sexistische, rassistische, homo- und fremdenfeindliche Haltungen und Taten, in den patriarchalischen und archaischen Kulturen immerhin deutlich häufiger anzutreffen als im Westen, werden entweder einfach vertuscht oder wenigstens relativiert und verniedlicht. Da muss auch die größte „Minderheit“, deren Interessen die politische Korrektheit angeblich vertritt, die Frauen, zurückstehen. Weibliche Menschen, vor allem westliche, sind in der Opferhierarchie eindeutig unter den Edlen Wilden angesiedelt, wie die medial-politische Auswertung der Kölner Silvesterkatastrophe 2015 deutlich gezeigt hat.
Auch im ökologischen Bereich existieren frappierenderweise erhebliche Wertigkeitsunterschiede. Ging den Grünen in den 80er Jahren nichts über den deutschen Wald und seine Bewohner, ist die örtliche Natur heutzutage dem nun geheiligten Klima untergeordnet. So werden mit den einträglichen Windspargeln als „Klimaschutzmaßnahme“ ganze Landstriche zugepflastert, die dann dummerweise landesweit große Teile der deutschen Vogel- und Fledermauspopulation schreddern. Überhaupt ist das Naturverständnis der Politkorrekten fern jeglicher Realität. Von lokalen Effekten abgesehen ist die irdische Natur der menschlichen Technologie nach wie vor weit überlegen. Ereignen sich große natürliche Katastrophen wie zum Beispiel der japanische Tsunami 2011, stehen wir Menschen dem weitgehend machtlos gegenüber. Im linken Denken hingegen sitzt man dem naturalistischen Fehlschuss auf, der die Natur als gut, sanft und machtlos, und alle menschliche Technologie seit der Erfindung der Dampfmaschine als bösartig, brutal und übermächtig empfindet.
Elitäre Profiteure: die katastrophalen Folgen der politischen Korrektheit
Für die politisch korrekte Klasse ergeben sich aus der Umsetzung ihrer Ideologie zumindest kurz- bis mittelfristig nicht unerhebliche Gewinne politischer, sozialer, emotionaler und finanzieller Natur.
Für die breite Masse der Bevölkerung in den westlichen Ländern hingegen sind die Folgen der politischen Korrektheit zumindest unangenehm, wenn nicht geradezu katastrophal. Politisch korrekte Redeverbote und die angeschlossene Sprachhygiene mit ihren Pinker‘schen Euphemismus-Tretmühlen erzeugen einen gewaltigen und völlig nutzlosen Aufwand in der schulischen und behördlichen Dokumentenbürokratie, und schränken die Meinungs- und Redefreiheit, auf die unsere Demokratie auf Gedeih und Verderb angewiesen ist, weitgehend ein.
Die finanziellen Kosten der politisch-korrekten Industrien mit ihren für die Gesellschaft und die Wirtschaft eher schädlichen als nützlichen Jobs dürfen mittlerweile auf keinen Fall mehr unterschätzt werden. Neben den Steueraufwendungen für die zahlreichen öffentlichen Stellen für Genderforscher und Gleichstellungsbeauftragte (etc.), die jährlich bundesweit im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich zu Buche schlagen, werden vor allem die exorbitanten Kosten der illegalen Masseneinwanderung langjähriger oder lebenslanger Kostgänger in zweistelliger Milliardenhöhe ruinöse Folgen für die Sozialsysteme Deutschlands haben.
Der Widersinn: Politische und sachliche Korrektheit schließen einander wechselseitig aus
Noch um einiges gefährlicher ist die komplette Ignorierung oder wenigstens Verniedlichung der Parallel- und Gegengesellschaften, des religiös motivierten Terrors und der heftig wachsenden Immigrantenkriminalität.
Roland Tichy meinte einmal, dass wir den Immigranten sehr viel gegeben, aber versäumt hätten, auch sehr viel zu fordern. Demgegenüber gibt der Politkorrekte allen Ernstes der Mehrheitsgesellschaft die Schuld, dass sich türkische und arabische Gegengesellschaften gebildet haben. Wobei wichtig ist, zu erwähnen, dass es interessanterweise gerade die multikulti-begeisterte Klasse ist, die in ihren sanierten Wohnvierteln und an ihren akademischen Arbeitsorten besonders wenig Kontakt zu den Immigranten hat. Es scheint so, als sei die politische Korrektheit eine reine Verbal-Ideologie, die ausschließlich die Äußerung der „richtigen“ Gesinnung, niemals aber ernsthaft das „richtige“ Verhalten fordere.
Die Idealisierung des Fremden und die mangelnde Forderungshaltung gegenüber Türken, Arabern und anderen mohammedanischen Gruppen sind es gerade, die zur Entstehung und Festigung von antidemokratischen und anti-aufklärerischen Gegengesellschaften geführt haben. Der austro-türkische Politiker Efgani Dönmez, ehemals Grüner, kritisierte in diesem Zusammenhang beispielsweise, dass Medien und Politik zwar Deutschnationale verurteilten, zu türkisch-nationalen Erdogan-Anhängern hingegen seit Jahren schwiegen.
Da darf man sich nicht wundern, dass, wie vor einigen Wochen in der Presse zu lesen war, ein jüdischer Schüler in Berlin-Schöneberg fluchtartig seine Schule verließ, um dem Mobbing durch muslimische Mitschüler zu entkommen. Schon ein paar Jahre älter ist die Geschichte von einem jüdischen Holocaust-Überlebenden, der in einem Kreuzberger Gymnasium einen Vortrag hielt und von muslimischen Schülern durch Gewaltandrohung vertrieben wurde. Die Moslems erhielten keine Strafe, weil das Lehrerkollegium befürchtete, die beiden könnten sich dadurch erst recht radikalisieren.
Die Behörden folgen der medial-politischen Linie auf den Fuß. Während einheimische Steuerhinterzieher oder GEZ-Verweigerer schnell und hart bestraft werden, lässt man afrikanische Drogendealer in Berliner Parks unbehelligt walten und setzt muslimische Asylbewerber selbst nach schweren Gewalttaten und sogar Mordversuchen auf freien Fuß. So sorgte erst der Druck der Öffentlichkeit dafür, dass die beiden arabischen S-Bahn-Schubser, die beinah einen Mann in Dresden-Zschachwitz getötet hatten, bis zum Prozess wegen versuchten Totschlages in Haft kommen.
Frappierenderweise sorgt die seit Jahrzehnten andauernde politisch-korrekte Berieselung in Medien und Bildungseinrichtungen sogar dafür, dass selbst einzelne Bürger ihre ureigensten Interessen im Sinne „richtigen“ Handelns nicht mehr wahrnehmen. So haben Gymnasiastinnen aus Kassel lange Zeit zu sexuellen Belästigungen durch Immigranten auf dem morgendlichen Schulweg geschwiegen, weil sie befürchteten, damit Ressentiments gegen kulturfremde Ausländer zu fördern.
Was tun?
Wie sich an den zahlreichen Beispielen oben ablesen lässt, ist die aktuelle politische Korrektheit der westlichen Gesellschaften eine weltfremde Gesinnungsethik, die ein völlig verantwortungsloses politisches Handeln zeitigt. Lassen wir zu, dass sie weiterhin die Leitlinien unseres Lebens bestimmt, ist eine historische Katastrophe wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorprogrammiert.
Eigentlich kann es eine „politische“ Korrektheit in einer Demokratie überhaupt nicht geben, da sie per definitionem nur ein Regelwerk, ein System von Spielregeln ist. Die politischen Inhalte, die die „Korrektheit“ den Bürgern widerspruchslos abverlangt, sollten eigentlich in einem immerwährenden Diskurs laufend neu ausgehandelt werden. Daher ist die politische Korrektheit brandgefährlich – sie stülpt allen Bürgern zwangsweise einen Inhalt über. Eine funktionierende Demokratie ist aber auf die Konkurrenz vieler Inhalte angewiesen.
Die Stärke der linken Politkorrekten ist die Schwäche der konservativen Mehrheit in den westlichen Gesellschaften. Während der bodenständige Bürger in den letzten Jahrzehnten immer unpolitischer wurde, da Demokratie, Wirtschaft und Sozialstaat unter christdemokratisch-liberaler Ägide gut funktionierten, konnten die sehr linken 68er und Grünen ihre weltfremden Ideen mangels Widerstand nach und nach durchsetzen.
Nun, da die Ultralinken durch Energiewende, Genderisierung und kulturfremder Massenimmigration am Ziel ihrer (finanziellen) Träume angekommen sind, scheint es, als bewegten sich immer mehr bodenständige Bürger im Westen aus ihrer selbstgewählten politischen Trägheit. Die Wahl Donald Trumps in den USA, der Brexit in Großbritannien, oder die stetig wachsenden Stimmanteile der frontal-oppositionellen Parteien AfD, FPÖ und FN in Deutschland, Österreich und Frankreich sind klare Indizien hierfür.
Ob die konservative Gegenbewegung ausreichend schlagkräftig sein wird, die Folgen der politischen Korrektheit zu rückgängig zu machen? Jedenfalls stehen die Chancen durch verbreitetes demokratisches Bewusstsein und unkontrollierbare Internetmedien nicht schlecht. Das sind wesentlich günstigere Ausgangsbedingungen als im frühen 20. Jahrhundert.