Gastbeitrag von Herwig Schafberg
Es wird erzählt, daß Mohammeds Vater einst eine Frau begehrte, mit der er nicht verheiratet war. Doch die wies ihn ab, bis sie ein Licht zwischen seinen Augen sah und es sich anders überlegte, als ob sie ahnte, daß etwas Außergewöhnliches dabei herauskommen würde, wenn sie sich diesem Mann hingab. Inzwischen wollte der sich aber nicht mehr mit ihr einlassen und wandte sich seiner Ehefrau Amina zu, die das Licht von ihm nahm und Mohammed empfing, wie es in der Überlieferung heißt, die Slavoj Zizek in „Blasphemische Gedanken“ über „Islam und Moderne“ einfließen läßt.
Während Mohammed, der nach Wahrnehmung seiner Anhänger als Gesandter Gottes bzw. Allahs (Arabisch) ausersehen war, auf natürlichem Wege gezeugt wurde, war die Herkunft Jesu nach der christlichen Mythologie übernatürlich. Danach wurde Jesus nicht durch Geschlechtsverkehr zwischen seiner Mutter Maria und Joseph, sondern vom Geist Gottes gezeugt und kam als „Erretter“ zur Welt.
Jesus Christus, der Sohn Gottes
Unter dem nachhaltigen Eindruck der hundertjährigen Bürgerkriege im Römischen Reich und Roms Kriegen gegen die alexandrinischen Diadochenreiche im Orient (133 – 30 a. Chr.) war die Sehnsucht nach einem „Erretter“, einem göttlich begnadeten Friedensfürsten, rund um das Mittelmeer weiter denn je verbreitet.
Und nachdem Gaius Julius Caesars Erbe Octavian die Kriege beendet hatte, sahen viele Römer in diesem Mann mit dem Titel Augustus den von Orakeln vorhergesagten„Erretter“.
Die Juden, die in diesen Kriegen unter römische Herrschaft gekommen waren, glaubten jedoch, daß es Frieden auf Erden erst im „Reich Gottes“ geben würde, wie es in ihren Prophezeiungen hieß. So lehrte es auch Jesus, der „Sohn Gottes“. Das war eine im Judentum übliche Bezeichnung für Männer, die von Gott für höhere Aufgaben ausersehen schienen, sagt Karen Armstrong „Im Namen Gottes“, ihrem Buch über „Religion und Gewalt“. Und Jesus hatte anscheinend die Aufgabe, die Menschen auf das „Reich Gottes“ vorzubereiten.
„Wenn man dem Klischee glauben dürfte,“ schreibt Joseph Ratzinger – später Papst Benedikt XVI. – in seiner „Einführung in das Christentum“, müßte man sich Jesus von Nazareth „als eine Art von prophetischem Lehrer vorstellen, der in der eschatologisch erhitzten Atmosphäre des Spätjudentums seiner Zeit auftrat und die Nähe des Gottesreiches verkündete.“
Wenn man dagegen der Kirche glauben wollte, wäre Jesus kein Prophet gewesen, sondern der Messias (Hebräisch) bzw. Christos (Griechisch) und von überirdischer Herkunft.
Der Apostel Paulus lehrte, dass Jesus als himmlisches Wesen „von Anfang an bei Gott“ gewesen wäre, zum „Heil der Menschen Knechtsgestalt“ angenommen hätte und so geboren wurde. Mit den Worten zitiert Wilhelm Nestle in seinem Buch über „die Krisis des Christentums“ die Christusdeutung des Apostels.
Demnach hätte es für Paulus einen Wesensunterschied zwischen Gott, dem Vater, und Jesus, dem Sohn, gegeben. Im Laufe der Zeit setzte sich aber eine Deutung durch, nach welcher „der Sohn eines Wesens mit dem Vater“ wäre. Und so wurde es auf dem Konzil von Nicäa 325 p. Chr. dogmatisch festgelegt.
Jesus hatte das nahe „Reich Gottes“ verkündet; doch was kam, war die Kirche und mit ihr die Fiktion, daß mit der Herrschaft Konstantins „das Königreich Jesu“ errichtet wäre, wie Eusebios, Bischof von Caesarea, lehrte.
Konstantin hatte als erster römischer Kaiser den Christen Religionsfreiheit gewährt (312 p. Chr.) und wollte den universalen Geltungsanspruch der Kirche für Roms imperiale Pläne nutzen. Daher kam es ihm gelegen, daß Eusebios ihn nicht bloß als rechtmäßigen Herrscher aller Christen im Römischen Reich, sondern auch derer in Persien pries. Wie Karen Armstrong schreibt, war es allerdings einfacher, „den Glauben zu imperialisieren, als das Imperium zu christianisieren.“ Und das lag nicht zuletzt an Streitigkeiten zwischen einigen Bischöfen um Deutungshoheit. Konstantin, der gewissermaßen die „Pax Christiana“ mit der „Pax Romana“ gleichsetzte, wollte daher den Streit über das Wesen Christi beenden und setzte den oben genannten Beschluß auf dem Konzil von Nicäa durch.
Das beschlossene Dogma wurde jedoch längst nicht von allen akzeptiert: Auf einer Synode syrischer Christen in Seleukia (410 p. Chr.) wurde es verworfen und in der Mitte des 6. Jahrhunderts von Syrern ein Glaubensbekenntnis verfaßt, das Jesus lediglich als Gesandten Gottes verstanden wissen wollte.
Mohammed, der Gesandte Gottes
Mancher sieht in diesem syrischen Glaubensbekenntnis die Urfassung des Koran, die nach der Übertragung ins Arabische die Bezeichnung Islam („Übereinstimmung mit der Schrift“) erhielt, wie es „Beim Kreuze des Propheten“ zu lesen ist.
Autor dieses Essays ist Wolfgang Kaufmann, der darin außerdem berichtet, es wäre im Orient lange Zeit üblich gewesen, „das syrisch-aramäische Gerundivum ´Mahmet` (´der zu Preisende`) als Epitheton für Jesus zu verwenden“. Er weist in dem Kontext auf eine Münze aus dem 7. Jahrhundert hin, auf der Jesus als „muhammadun rasul allah“ („der zu preisende Gesandte Gottes“) bezeichnet war, und vertritt die These, daß dieses „Prädikat aus dem Bezug zu Jesus Christus gelöst und auf eine arabische Phantasiegestalt übertragen“ wurde, die unter dem Namen Mohammed als „Gesandter Gottes“ (Allahs) und Begründer des Islam in die Geschichte einging.
Zweifel an der Existenz Mohammeds wie an der Jesu Christi sind fast so alt wie die Mythen um die Person des einen und des anderen.
Solche Zweifel ändern freilich nichts daran, daß es Konfessionen gibt, die dem Wirken Mohammeds sowie Jesu Christi zugeschrieben wurden und unter verschiedenen historischen Bedingungen zu wirken begannen.
Während Jesus Christus keine politische Verantwortung zu tragen hatte und insofern unbekümmert in eschatologischer Erwartung des Gottesfriedens eine Nächstenliebe lehrte, die nicht einmal vor den Feinden Halt machen sollte, hatte Mohammed mit kriegerischen Auseinandersetzungen fertig zu werden; denn er wirkte in einer Zeit, in der die Kämpfe zwischen den arabischen Nomadenstämmen um Wasser sowie Weideland und Raubzüge auf den Handelswegen einen Höhepunkt erreichten.
Auf diesen Wegen hatten auch jüdische sowie christliche Überlieferungen arabische Kulte beeinflußt. Dementsprechend nahm die Sammlung der „Offenbarungen“ Allahs im Koran Bezug auf Inhalte der Bibel, enthält jedoch darüber hinaus ein Glaubensbekenntnis („Islam“) sowie Gebote, die von denen der anderen beiden „Buchreligionen“ (Judentum und Christentum) in vieler Hinsicht abweichen.
Mohammed ordnete ab 622 p. Chr. in der nach ihm benannten Stadt Medina (Stadt des Propheten) ein Gemeinwesen (Umma) entsprechend den Geboten des Koran, die ihm in Surenform offenbart zu sein schienen. Hätte er nicht gegen das feindselige Mekka gekämpft, wäre diese Umma vernichtet worden. Er scheute aber auch nicht vor Gewalt an Juden und Arabern zurück, die sich der von ihm begründeten islamischen Herrschaftsordnung widersetzten, und berief sich dabei auf den Willen Allahs. Nachdem sich aber das Kriegsglück zu seinen Gunsten gewandt und er die arabischen Stämme im islamischen Bekenntnis vereinigt hatte, predigte er im Einklang mit neuen „Offenbarungen“ Barmherzigkeit und Friedfertigkeit auch im Verhältnis zu Angehörigen der anderen „Buchreligionen“.
Christen und Mohammedaner im Krieg für den Frieden Gottes
Wie Christen haben auch Mohammedaner von Anfang an die Lehren ihres Religionsstifters je nach Glaubensrichtung unterschiedlich gedeutet und je nach Interessenlage verschiedene Schlüsse daraus gezogen.
Da die im Glauben vereinten Stämme nicht mehr gegeneinander um die knappen Ressourcen der arabischen Halbinsel kämpfen durften, nutzten sie unter Mohammeds Nachfolgern – den Kalifen – ihre vermeintlich religiöse Pflicht zum Krieg gegen Andersgläubige, um den Islam zu imperialisieren und andere Länder zu erobern; denn Religion ist Mohammedanern wie Christen immer „nützlich“ gewesen, um Kriege mit einer „letztgültigen Bedeutung auszustatten“, wie Karen Armstrong meint.
Die arabischen Eroberer sahen es allerdings nicht so sehr darauf ab, zu missionieren und ihr Imperium zu islamisieren, sondern wollten viel mehr anderen Ländern mit den Geboten Allahs Frieden (=Islam) bringen und sie somit ihrer Herrschaft unterwerfen. Juden und Christen wurden zwar im Verhältnis zu Mohammedanern benachteiligt, durften aber als Angehörige von „Buchreligionen“ ihre Kulte pflegen.
Den Juden wurde sogar der Wiederaufbau des von den Römern zerstörten Tempels in Jerusalem gestattet.
Obwohl diese davon gar nicht Gebrauch machten, waren sie nach dem Sieg der Araber über die Byzantiner in einer ähnlichen Lage wie einige Jahrhunderte vorher nach ihrer Befreiung von den Seleukiden. Zum Gedenken des Wunders, das nach jener Befreiung bei der Wiedereinweihung des Tempels geschehen sein soll, feiern Juden bis heute, in diesem Jahr vom 25. Dezember bis 1. Januar, Chanukka.
Während die Mohammedaner Jesus zwar nicht als Inkarnation Gottes, immerhin aber als Propheten verehrten, wurde Mohammed im christlichen Europa nicht als Prophet, sondern als Antichrist und seine Anhängerschar ebenso als „Gottesfrevler“ wie die Juden verteufelt.
Demgemäß sollten die einen wie die anderen für ihren „Frevel“ büßen und wurden etwa bei der Eroberung Jerusalems während des ersten Kreuzzuges zu Tausenden hingemetzelt (1099), bevor die blutrünstigen Kreuzritter zum Grab Christi pilgerten, der doch die Gläubigen zur Feindesliebe ermahnt hatte. Schon zuvor war es in den Herkunftsländern der Kreuzritter zur blutigen Verfolgung von Juden gekommen. Und das geschah bei jedem weiteren Kreuzzug wie auch beim Ausbruch der Pest, an der die Juden schuldig sein sollten.
Mit dem Aufruf zum ersten Kreuzzug wollte der Papst von Rom insbesondere den französischen Adel drängen, nicht länger Kirchenbesitz zu plündern sowie Bauern zu terrorisieren und lieber die „Feinde Gottes“ im „Heiligen Land“ zu bekämpfen.
Die Ausbeutung und Verarmung der Bauern bewirkten wiederholt Protestbewegungen gegen den Adel, aber auch gegen die Kirche, welche die Anhänger solcher vom urchristlichen Gleichheitsideal geprägten Bewegungen ebenso als „Ketzer“ verfolgen ließ wie später die calvinistischen sowie lutherischen Protestanten. Lange bevor es zu den Religionskriegen der Neuzeit kam, beauftragte der Papst den französischen König 1207 mit einem Kreuzzug gegen die „ketzerischen“ Katharer, die schlimmer als Mohammedaner wären und tausendfach getötet wurden.
„Versunken in die Betrachtung der Natur“, schreibt Voltaire in sein „Philosophisches Wörterbuch, „sah ich einen jener Genien, die die Intermundien bevölkern, auf mich zukommen… Dieses Wesen führte mich in eine Wüste, die… mit Bergen von Totengebein bedeckt war… ´Dies`, sagte er, ´sind… Gebeine der Christen, die sich wegen metaphysischer Streitigkeiten gegenseitig umgebracht haben. Sie sind in mehrere Haufen für je vier Jahrhunderte eingeteilt. Alle zusammen hätten sie bis in den Himmel geragt, so hat man sie teilen müssen.` ´Wie!` rief ich aus. ´So sind Brüder mit ihren Brüdern umgegangen, und ich habe das Unglück, dieser Gemeinschaft von Brüdern anzugehören!` ´Hier`, sagte der Genius, ´sind die zwölf Millionen Amerikaner, die man in ihrer Heimat ermordet hat, weil sie nicht getauft waren`…´Wenn du mich belehren willst`, sprach ich zu dem Genius, ´dann sage mir doch, ob es… noch andere Völker gegeben hat, die der… in Fanatismus verkehrte Glaubenseifer zu solchen entsetzlichen Grausamkeiten veranlaßt hat.` ´Es hat solche Völker gegeben`, antwortete er. ´Die Mohammedaner haben auch solche Unmenschlichkeiten auf sich geladen`.“
Wie Indios in Amerika millionenfach zu Tode kamen, als europäische Christen ihnen mit Kreuz und Schwert zu Leibe rückten, um ihnen den „Frieden des Herrn“, Jesus Christus, zu bringen, wurden auch „ungläubige“ Inder zu Millionen umgebracht, nachdem türkische und mongolische Eroberer Indien ihrer Herrschaft unterworfen und im Sinne des Islam befriedet hatten.
Obwohl sie als Angehörige der „Buchreligionen“ eigentlich „Schutzbefohlene“ waren, sind Juden und Christen ebenfalls wiederholt Opfer solcher Verfolgungen geworden.
Und die reichen von Massakern an Juden im mohammedanisch beherrschten Spanien – noch vor ähnlichen Pogromen im Namen Christi – bis zu den heutigen Christenverfolgungen im Irak und in Syrien. Während Christen durch den Einfluß der „Aufklärung“ größtenteils zur Räson gebracht wurden und Religionskriege seit der Verweltlichung des christlichen Abendlands zur Vergangenheit gehören, tritt der Islamismus im Orient als Reaktion auf demütigende Erfahrungen mit westlichen Kolonialmächten sowie unerfüllte Erwartungen von einer Verweltlichung wieder stärker und brutaler in Erscheinung.
Mit ihm geht im sogenannten Islamischen Staat (IS) eine Imperialisierung des Islam in Verbindung mit einer Islamisierung des Imperium einher.
Diesem Zusammenwirken fallen alle Menschen zum Opfer, die nicht „rechtgläubig“ im Sinne des Islam sind und sich nicht an die Gebote Allahs halten. Wie dieses IS-Terrorregime im Irak und in Syrien Gedenkstätten zerstören läßt, die anderen Konfessionen heilig sind, würde er ebenso zerstörerisch wirken, falls seine Glaubenskrieger jemals bis nach Bethlehem, dem Geburtsort Christi, kämen.
Es gibt aber auch Zeichen der Versöhnung zwischen den Religionen. In Berlin etwa wollen Juden, Christen und Mohammedaner gewissermaßen im Geiste Nathans des Weisen ein „House of One“ bauen – ein Haus für den einen Gott, an den sie alle glauben, obwohl sie dessen Willen unterschiedlich deuten.
Doch es reicht längst nicht mehr, daß die Angehörigen der „Buchreligionen“ zum Frieden miteinander finden. Wenn symbolische Zeichen wichtig sein sollen, wäre es angebracht, auf dem Weg zum „House of One“ Gedenksteine für Gelehrte wie Averroes, Spinoza, Galilei sowie Voltaire zu verlegen, damit die Gläubigen sinnbildlich erst einmal zur Vernunft kommen, bevor sie sich wieder im Glauben ihren litaneiartigen Gebeten und Gesängen hingeben.
Gut am Platz wäre ebenfalls ein monströses Denkmal passend zur Monströsität der Verbrechen, die im Namen Gottes an allen Menschen begangen wurden, die anders lebten, liebten, dachten und glaubten, als machtbesessene Hüter des „rechten“ Glaubens für gottgefällig hielten und teilweise auch heute noch halten.
Solange die Vertreter aller Religionen nicht aufrichtig diese Verbrechen bereuen und nicht bloß Gott, sondern auch Menschen glaubhaft um Verzeihung bitten, kann es zwischen Theismus und Humanismus keinen dauerhaften Frieden geben.
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