Dienstag, 19. März 2024

Steinmeier: So geht Präsident?

Gastbeitrag von Michael Klonovsky (JouWatch)

Der Berliner Kurier bildet auf seiner Titelseite groß Frank-Walter Steinmeier und klein daneben den amerikanischen Scheitan ab und schlagzeilt ganzseitig: „Guck mal, Trump: So geht Präsident!“

Diese Titelseite des Boulevardblattes versetze mich wieder einmal in einen jener dem konsequenteren Leser dieses Diariums bereits geläufigen Tagwachträume, in welchem ich mich mit meinem russischen Freund Boris unterhielt:

Boris: „Wer ist denn dieser Herr Steinmeier?“
Ich: „Das ist der designierte neue Bundespräsident.“
„Aber ihr habt doch schon eine Kanzlerin.“
„Der Bundespräsident ist ein eher repräsentatives Amt.“
„Was bedeutet das? Besitzt er Macht?“
„Theoretisch schon, denn er muss wichtige Gesetze unterschreiben. Praktisch aber unterschreibt er sie ohnehin, und ansonsten hält er vor allem Reden.“
„Hat Herr Steinmeier schon irgendeinen Satz gesagt, an den die Menschen sich erinnern?“
„Nicht dass ich wüsste.“
„Hat er schon mal eine Wahl gewonnen?“
„Er ist 2008 von seiner Partei mit über 95 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gekürt worden.“
„Ich meine: Hat er schon mal eine Wahl gewonnen, in der das Volk entschieden hat?“
„Er hat 2009 als SPD-Kanzlerkandidat 23 Prozent der Stimmen bekommen.“
„Hat er die Wahl damit gewonnen?“
„Nein, es war das schlechteste Wahlergebnis, das die SPD jemals erreicht hat. Sie verlor damals ein Drittel ihrer Mandate.“

„Und warum vergleicht diese Zeitung ihn dann mit Trump?“
„Sie will wahrscheinlich damit zum Ausdruck bringen, dass sie Steinmeier für einen moralisch edleren Menschen hält als Trump.“
„Aufgrund welcher Verdienste?“
„Das weiß ich nicht. Er hat 2006 dafür gesorgt, dass die EU-Sanktionen gegen Usbekistan gelockert werden. Zumindest war er dafür.“
„Und sonst?“
„Das weiß ich nicht.“

„Aber aus welchem Grund wählen die Deutschen ihn dann zum Präsidenten?“
„Sie wählen ihn doch gar nicht.“
„Nein? Aber wer wählt ihn denn?“
„Die Parteien stellen Kandidaten auf. Gewählt wird der Präsident von der Bundesversammlung, die aus Mitgliedern des Bundestages und der Landesparlamente sowie einigen sogenannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens besteht.“
„Das heißt, dort gibt es ungefähr dieselben Mehrheiten wie im Parlament?“
„Ja.“
„Dann ist doch von vornherein klar, dass nur ein Kandidat gewählt wird, den die Regierungsparteien unterstützen?“
„Ja.“

„Und gibt es wenigstens davor ein richtiges demokratisches Hauen und Stechen? Stehen verschiedene Positionen zur Wahl? Finden große öffentliche Debatten unter den Kandidaten um die Probleme des Landes statt?“
„Nein.“
„Gegen wieviele Kandidaten hat sich Steinmeier durchsetzen müssen?“
„Gegen keinen. Er ist nach Absprache der Führer der beiden Regierungsparteien nominiert worden, und ob die AfD oder die Linke einen Gegenkandidaten aufstellt, ist völlig egal, weil die sowieso nicht gewählt werden.“
„Und was ist, wenn die Bevölkerung einen dieser kleinen Kandidaten toll findet?“
„Die erfahren doch gar nicht erst, dass diese Leute überhaupt antreten.“

„Also ich fasse mal zusammen: Ein Mann mit einer reinen Funktionärskarriere, der das einzige demokratische Votum, dem er sich je stellte, mit Pauken und Trompeten verloren hat, wird am Volk und an den Oppositionsparteien vorbei …“

„… Oppositionspartei. Wir haben nur eine…“

„… zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert, weil das die beiden Vorsitzenden der Regierungsparteien so abgesprochen haben, und er steht von diesem Augenblick an als Amtsinhaber fest, weil ihn die sogenannte Bundesversammlung sowieso wählen wird? Und es gibt Medien, die diese, ich darf wohl sagen: Marionette, als demokratisches Vorbild für den neuen US-Präsidenten hinstellen, für den aus dem Nichts 60 Millionen Amerikaner gestimmt haben?“

„So ist es.“
„Ich wundere mich nun zumindest nicht mehr, dass der Herr Steinmeier die Sanktionen gegen Usbekistan gelockert hat. Dort wird der Präsident ähnlich gewählt.“

***

http://www.michael-klonovsky.de/acta-diurna

Erstveröffentlichung bei: http://journalistenwatch.com

Foto: (c) Screenshot youtube

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

Trending

VERWANDTE ARTIKEL