Ein Nachruf auf die Freiheitskämpferin Oriana Fallaci 10 Jahre post mortem – von Herwig Schafberg
„Die Wut und der Stolz“ heißt das Buch, mit dem sich Oriana Fallaci 2002 nach Jahren des Schweigens wortgewaltig zurück meldete. Es sollte eigentlich nur ein Brief über den Krieg werden, „den die Söhne Allahs dem Westen erklärt haben, doch während ich es schrieb, ist es nach und nach eine Predigt an die Italiener und alle anderen Europäer geworden“, bekannte Fallaci.
Sie setzte sich kritisch mit den Ursprüngen des Terrorismus im Islam auseinander und rief in ihrer „Predigt“ den Westen zum Widerstand gegen den Dschihad auf, den sie mit dem Mut, der zur Einsicht gebraucht wird, früher als andere nicht bloß als Projekt einiger Terroristen, sondern auch als Vehikel einer islamischen Massenbewegung begriff:
„Aufstehen, Leute, aufstehen! Wacht auf! . . . Ihr begreift nicht oder wollt nicht begreifen, dass der Dschihad gewinnen wird, wenn wir uns dem nicht entgegenstellen, wenn wir uns nicht verteidigen, wenn wir nicht kämpfen.“
Ausschlaggebend für ihre „Kriegspredigt“ waren die Terroranschläge einiger durchgeknallter Moslemfanatiker am 11. September 2001 auf die beiden Türme des World Trade Center nicht weit von ihrer Wohnung in New York und die Gehässigkeit der Hintermänner sowie deren Anhänger:
„Sie sagen: ‚Wunderbar. Recht geschieht es ihnen, den Amerikanern.‘ Und ich bin wütend, sehr wütend. Ich spüre eine hellsichtige, rationale Wut. Eine Wut, die jeden Abstand, jede Nachsicht ausschließt, die mir befiehlt zu antworten und vor allem, auf diese Leute zu spucken.“
Mit ihrer Predigt begeisterte sie Millionen Menschen, brachte viele andere jedoch gegen sich auf. Sowohl das eine als auch das andere hatte sie schon in den Jahren zuvor nicht bloß mit schonungslosen Kriegsberichten, sondern auch mit offenen Bekenntnissen in ihren Büchern sowie scharfzüngigen Interviews bewirkt.
Wie Alan Posener schrieb, war Oriana Fallaci – u.a. Autorin des „Briefs an ein nie geborenes Kind“ – beispielsweise mit Feministinnen aneinander geraten, als sie bekannt hatte, dass „der schlaffe Sofa-Chauvinismus der gezähmten Männer des Okzidents… nicht so schlimm wie die mörderische Frauenfeindlichkeit der Islamisten“ wäre. Und in manchen Interviews konnte sie ihre Gespächspartner – wie etwa den amerikanischen Außenminister Henry Kissinger – zu Äußerungen verleiten, die diese hinterher bereuten, oder sie sogleich in Verlegenheit bringen – wie den iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, als sie sich beim Gespräch mit ihm enthüllte und das mit den Worten ankündigte:
„Ich nehme den Tschador ab, der für mich ein dummer Lumpen aus dem Mittelalter ist.“
Das unterscheidet wohl eine stolze Frau wie Oriana Fallaci von Claudia Roth sowie anderen Personen weiblichen Geschlechts, die sich mit vorauseilendem Gehorsam brav unter Tüchern ducken, wenn sie unser Land auf Reisen in den muslimischen Orient vertreten, und bei der Gelegenheit schon mal vorführen, was die muslimische Religionslehrerin Lamya Kaddor für ausgemacht hält:
„Deutschsein bedeutet in Zukunft… nicht autochthon blaue Augen und helle Haare, sondern ein Kopftuch zu tragen…“
Was Lamya Kaddors sich in Zukunft vorstellt, entspricht teilweise bereits heute der Realität im Land. Während vor 20, 30 oder 40 Jahren allenfalls ein paar alte Frauen türkischer und arabischer Herkunft Kopftücher trugen, sind es inzwischen massenweise kleine eingebürgerte Mädchen, die derartig „sittsam“ eingekleidet werden. Für die alten Frauen war es Tradition, die sie aus freien Stücken pflegten; heute ist es die Religion, die es den Mädchen vorschreibt. Und das ist nur ein Beispiel für die schleichende Islamisierung in der „bunten“ Republik, zu der sich die Bundesrepublik Deutschland entwickelt hat.
Was Lamya Kaddor möglicherweise für die Utopie einer schönen neuen Welt hält, gehörte für Oriana Fallaci zu den Horrorvorstellungen, um die es in ihrem Buch über „Die Wut und der Stolz“ geht. Hinter ihrer Wut stand ihre Verzweiflung an einem Europa im allgemeinen sowie einem Italien im besonderen, das sich fast nur noch als Standort und Kultur als Standortfaktor begriff, aber kaum noch als Wirkungsstätte herkömmlicher Ideale sowie einer Leitkultur, die sich an diesen Idealen orientiert – Verzweiflung an Ländern, die stattdessen voller Scham und Nachsicht multikulturelle Entwicklungen mit verheerenden Folgen zulassen:
„Anstelle der Kirchenglocken ruft dann der Muezzin, anstelle der Miniröcke tragen wir den Tschador oder vielmehr die Burka, anstelle eines kleinen Cognacs trinken wir Kamelmilch. Nicht einmal das versteht ihr, … wollt ihr verstehen, ihr Idioten?!?“
Das Buch hat nicht bloß eine „Polemik und Abrechnung, Selbstvergewisserung und Utopie“ zum Inhalt, sondern auch „eine Liebeserklärung an das real exisitierende Amerika und an das Ideal eines patriotischen Italien, eines selbstbewussten Europa,“ schrieb Alan Posener und hielt es für das wichtigste politische Buch des Jahres 2002; denn es handelte sich bei dem „ungeduldigen, ungerechten, einseitigen, zuweilen kleinlichen, frei assoziierenden und… ausgesprochen kritisierenswerten Pamphlet um das Gründungsdokument eines europäischen Liberalismus.“ Endlich redete jemand – eine Atheistin sowie Feministin – von dem Stolz, den man empfinden könnte, sogar müsste, wenn man sich nicht aufgeben wollte:
„Vom Stolz auf jene Kultur, die Osama Bin Laden, Mohammed Atta & Co, Ayatollah Khomeini und die vielen kleinen Khomeinis, Saddam Hussein und die vielen kleinen Saddams bis hinunter zu Jassir Arafat… zerstören wollten und wollen. Eine Kultur, deren höchste Errungenschaft eben der Liberalismus ist, die Doktrin und Praxis der individuellen Freiheit als Zweck gesellschaftlichen Lebens und staatlichen Handelns…“
Doch mit ihren Ausfällen gegen „Eindringlinge“ aus dem islamischen Orient sowie ihren Schimpfkanodaden auf „Terroristen, Diebe, Vergewaltiger, ehemalige Sträflinge…, Bettler, Drogenhändler, Menschen mit übertragbaren Krankheiten“ hat sie vermutlich nicht so sehr bei Liberalen Zustimmung gefunden, sondern mehr bei Leuten, mit denen sie als antifaschistische Kämpferin allenfalls die Geringschätzung des Islam und dessen Anhängern gemein hatte:
„Ihre Ahnen haben uns nichts als ein paar schöne Moscheen und eine Religion hinterlassen, die gewiss nicht zur Geistesgeschichte beigetragen hat. Und die in ihren akzeptabelsten Aspekten ein Plagiat der christlichen und der jüdischen Religion und sogar der hellenistischen Philosophie ist.“
Symptomatisch für das bis dahin erreichte Maß westlicher Selbstaufgabe wäre, dass wir weit schärfere Urteile über das Christentum mit einem Achselzucken quittierten, aber bei diesen Sätzen zusammenführen, klagte Alan Posener und kritisierte, dass die Mullahs nicht bloß in ihrem Land direkt, sondern auch bei uns indirekt eine Zensur ausübten, seitdem Ayatollah Khomeini eine Fatwah gegen Salman Rushdie wegen der „Satanischen Verse“ ausgesprochen und europäische Intellektuelle dafür „Verständnis“ geäußert hätten.
Wahrer Mut dagegen läge „nicht in der Aufführung eines Stückes, in dem Jesus und seine Jünger als Schwule dargestellt werden, so spaßig das épater les bourgeois sein mag, sondern in der öffentlichen Lesung und Diskussion der ´Satanischen Verse` Rushdies – und der Tiraden Fallacis.“
Dass im freiheitlich-demokratischen Europa damals ebenso wie heute Mut dazu gehört, etwas wie die „Satanischen Verse“ zu publizieren, zu rezitieren und zu diskutieren, hätten wir uns einige Jahrzehnte vorher kaum vorstellen können. Wir hätten uns damals auch nicht vorstellen können und wollen auch heute noch nicht so recht wissen, wie viel religiöser Fanatismus in den muslimisch sozialisierten Milieus unserer Großstädte gedeiht; denn die meisten von uns wollen partout „weltoffen und tolerant“ erscheinen und mögen nicht zugeben, dass ihnen eine kritische Auseinandersetzung mit Problemen der Islamisierung unbehaglich ist und es ihnen an Wut, aber auch am Stolz einer Oriana Fallaci mangelt:
„Ich bin Atheistin, Gott sei Dank. Eine unverbesserliche, stolze Atheistin. Und ich hege nicht die geringste Absicht, mich dafür bestrafen zu lassen von den Söhnen Allahs, das heißt von denen, die anstatt zur Verbesserung der Menschheit beizutragen, ihre Zeit damit verbringen, mit dem Hintern in der Luft fünf Mal am Tag zu beten.“
Nein, bestrafen lassen wollte sie sich nicht, identifizierte sich aber mit Mastro Cecco, der zur Strafe für eine Abweichung von der kirchlichen Lehrmeinung 1328 auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war, und präsentierte sich in einer weiteren Publikation als Mastra Cecca. Eigentlich hatte sie sich nur ein Postskriptum für „Die Wut und der Stolz“ vorgenommen, als die dreißigste Auflage der italienischen Ausgabe dieses Bestsellers anstand. Doch als sie mit Schreiben fertig war, stellte sich heraus, dass sie ein weiteres Buch geschrieben hatte: „Die Kraft der Vernunft“ (2004), die sie allerdings Europa im Kampf gegen den Islam nicht mehr zutraute.
Mit ihren wütenden Tiraden fand sie nicht nur Freunde, sondern auch Feinde – vor allem unter Muslimen – und erhielt sogar Morddrohungen. Nachdem der Vorsitzende des italienischen Islamrates sie verklagt hatte, drohte ihr wegen Religionsverunglimpfung eine zweijährige Haftstrafe. Der Kläger wollte sie ferner nach „dem Gesetz Allahs“ verurteilt sehen. Papst Benedikt dagegen lud sie zu einer Privataudienz ein, obgleich sie seinen Vorgänger heftig kritisiert hatte:
„Ist es wahr, dass Sie die Söhne Allahs vor einiger Zeit um Verzeihung gebeten haben für die Kreuzzüge, die Ihre Vorgänger unternahmen, um das Heilige Grab zurückzuerobern? Haben die Söhne Allahs sich denn je bei Ihnen dafür entschuldigt, dass sie es sich genommen hatten? Haben sie sich je bei Ihnen dafür entschuldigt, dass sie fast acht Jahrhunderte lang die erzkatholische Iberische Halbinsel unterjocht haben?“
Ihre kirchenkritische Haltung hielt die bekennende Atheistin aber nicht davon ab, kurz vor ihrem Tode – am 15. September 2006 – ihren literarischen Nachlass der päpstlichen Lateranuniversität zu vermachen.
Wer weiß, was Oriana Fallaci alles geschrieben und in ihrem Nachlass hätte, wenn sie noch am Leben gewesen wäre, nachdem der Islamische Terrorstaat entstanden, eine wachsende Millionenschar an „Flüchtlingen“ aus dem muslimischen Orient in Europa eingewandert und es zu den Anschlägen in Paris, Brüssel sowie Nizza gekommen war.
Wir haben es erlebt und viele von denen, die Fallaci früher ablehnten, haben ihr inzwischen allein in aller Stille oder gemeinsam in aller Öffentlichkeit Abbitte geleistet: So hat sich etwa im Internet unter dem Hashtag „#scusacioriana“ (Verzeih uns, Oriana!) eine Schar Reuiger zusammengetan.
Die Gemeinde Oppeano am Gardasee ging ein paar Schritt weiter, kaufte das Grundstück der örtlichen Moschee, riss das Gebäude ab und legte ausgerechnet an der Stelle einen Platz an, der zum Gedenken der Verstorbenen „Piazza Oriana Fallaci“ heißt.
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Fotos: (1) Oriana 1987 – (c) von GianAngelo Pistoia (Eigenes Werk) [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons (2) Oriana in den 50er Jahren (c) von Dominio Público [CC0], via Wikimedia Commons
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