Sonntag, 17. November 2024

Meinen Hass bekommen Sie nicht, Frau Merkel, aber auch nicht meine Achtung

Gastbeitrag von Jürgen Fritz

A. Was ist Hass?

Hass ist eines der intensivsten Gefühle, die es überhaupt gibt; genauer: eine der intensivsten negativen, destruktiven Emotionen. Der Hassende verabscheut nicht nur den Gehassten, er möchte ihm auch schaden. Er trachtet nach Vergeltung, nicht selten sogar nach Vernichtung dessen, den er hasst. Er will diesem wehtun, im Schmerz zufügen, will ihn leiden sehen. Hass geht immer mit Gewaltphantasien einher. Das ist das zentrale Motiv des Hassenden. Und diese scharfe Antipathie zielt immer auf Menschen ab. Dinge kann man nicht hassen. Man kann eine starke Abneigung gegen sie empfinden, eine Abscheu vor ihnen bis hin zum Ekel. Im Extremfall will man Dinge zerstören. Das aber ist etwas anderes als der Wunsch, Leid zuzufügen. Dasselbe gilt in Bezug auf Tätigkeiten. Diese kann man verabscheuen, eine extreme Aversion gegen sie hegen – so ergeht es mir beispielsweise beim Ausfüllen von Steuerformularen, die ich nicht verstehe und mit denen ich mich nicht befassen möchte -, aber auch das ist etwas anderes als Hass.

B. Liebe und Hass

Hass sei das Gegenteil von Liebe, wird oft gesagt. Das ist richtig und falsch zugleich. Denn Liebe hat in Bezug auf Menschen stets zwei Motive: a) Wenn man liebt, möchte man dem Geliebten nahe sein, fühlt sich zu ihm hingezogen (das ich-bezogene Eros-Motiv). Das gilt generell, auch in Bezug auf geliebte Dinge, Tätigkeiten usw. b) Wenn man einen Menschen oder überhaupt ein fühlendes Wesen liebt, dann will der Liebende aber auch, dass es dem Objekt der Liebe gut geht, dass es nicht leidet, sondern so glücklich wie möglich ist (das wir-bezogene Philia- und das du-bezogene Agape-Motiv). Und man ist bereit, etwas dafür zu tun, dass es dem Geliebten gut geht.

Fehlt eines der beiden Motive, fühlt man sich nicht hingezogen oder ist es einem egal, wie es dem anderen geht, ist es keine Liebe. Im ersten Fall ist es dann vielleicht Sympathie, Wohlwollen oder Zuneigung. Manchmal wissen wir selbst nicht, ob es „nur“ tiefe Zuneigung ist oder schon Liebe. (Alin Coen hat das wunderbar besungen. Unbedingt anhören:  

Deswegen gibt es strenggenommen übrigens auch keine „Nächstenliebe“, sondern nur ein Wohlwollen dem Nächsten gegenüber. Im zweiten Fall, wenn man sich zu dem anderen stark hingezogen fühlt, es einem aber nicht wirklich wichtig ist, wie es dem anderen geht, ist es oft reines körperliches, sexuelles Begehren (Eros), aber keine Liebe.

Lieben kann man auch Dinge (z.B. seine Wohnung, sein Auto oder ein Bild), Tätigkeiten (Lesen, ins Kino, Theater oder Museum gehen) und sogar Ideen oder abstrakte Dinge (Heimatliebe, den Fußballsport, die Aufklärung, den Humanismus oder die Philosophie). Man fühlt sich dann zu diesen hingezogen und möchte vielleicht auch, dass die beiden Letztgenannten sich verbreiten, dass auch andere und immer mehr Menschen sie mögen oder gar lieben. Der Unterschied zwischen Mögen und Lieben besteht auch hier darin, dass man ohne das geliebte Ding oder die geliebte Tätigkeit diese schrecklich vermisst, sich nach ihr sehnt und unter diesem Fern-sein vom geliebten Objekt leidet. Lieben und Leiden gehen immer einher. Das Eine ist nicht ohne das Andere zu haben.

Somit wird klar, in welchem Verhältnis Hass zur Liebe steht. Jener ist das Gegenteil des zweiten Motivs der Liebe – dem Anderen Gutes tun wollen –, nicht das Gegenteil des ersten. Das Gegenteil von ‚sich hingezogen fühlen‘ ist: etwas oder jemanden als extrem unsympathisch, als abstoßend empfinden. Wenn so jemand den Raum betritt und uns näher kommt, dann wollen wir weg. Wir hassen ihn nicht, sondern wir suchen, wenn möglich, das Weite. Wir wollen ihm kein Leid zufügen, sondern einfach nicht in seiner Nähe sein.

C. Wie entsteht Hass?

Hass entsteht zumeist, wenn nicht sogar immer, wenn tiefe, andauernde Verletzungen a) nicht abgewehrt und b) nicht zurückgezahlt, nicht abgerechnet werden können. Diese Verletzungen können unterschiedlicher Art sein. Wenn mir jemand beispielsweise ständig etwas wegschnappt, was ich gerne gehabt hätte (Eigennutz), dann kann ich anfangen, ihn dafür zu hassen. Oder ich missgönne – negative Variante des Neids – jemand etwas, weil ich finde, dass er es nicht verdient hat. Wenn er mit der Zeit immer mehr Dinge bekommt, die ihm nach meiner Ansicht nicht zustehen, kann auch aus Missgunst Hass entstehen. Ebenso wenn mir jemand genau den Menschen wegschnappt, den ich unbedingt als Partner haben wollte (Eifersucht) oder wenn mich dieser Mensch von sich aus zurückweist, meine Zuneigung und/oder mein Begehren nicht erwidert (verschmähte Liebe). Das Gemeinsame bei all diesen Dingen ist: jemand hat mir Schmerz zugefügt und ich möchte ihm das heimzahlen.

D. Hass ist das Gefühl des Unterlegenen

Der Hassende ist also immer in der Position des Unterlegenen. Der Sklavenhalter hasst seine Sklaven nicht, auch nicht, wenn er sie auspeitschen lässt. Er will eher ein Exempel statuieren, damit alle wissen, was sie erwartet, wenn sie sich gegen ihn auflehnen. Er will sein Unternehmen nicht gefährden oder seinen Gewinn steigern und setzt dies brutal durch, aber er hasst nicht. Bei dem Sklaven kann aber Hass auf seinen Herrn entstehen, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Oder die Frau des Sklavenhalters kann ein junge hübsche Sklavin hassen, weil sie spürt, dass ihr Mann diese mehr begehrt als sie selbst, weil sie also in puncto Schönheit oder Attraktivität respektive Begehrenswert-sein der Sklavin unterlegen ist. Hass basiert also immer auf einer Asymmetrie.

Das Empfinden, dass der Hassende in sich trägt, ist das des Ausgeliefertseins, der Gefangenschaft, der Wehrlosigkeit, der Ohnmacht. Wer sich wehren, wer zurückschlagen kann, in dem bauen sich keine Hassgefühle auf. Das unterscheidet den Hass auch von der Empörung, vom Zorn oder der Wut. Der Zorn braust auf und verschwindet wieder, wenn man sich Luft verschaffen, wenn man seinen Ärger rauslassen kann, sei es verbal oder dass man körperlich zurückschlägt. Wer überhaupt keine Möglichkeit hat, sich adäquat zu wehren, und immer wieder Schläge, Kränkungen, Verletzungen einstecken muss, bei dem werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann Hassgefühle einstellen. Und der Hass hat anders als der Zorn kein Maß in sich. Er zielt zumindest tendenziell auf die Vernichtung des anderen, zumindest aber auf ein extremes Ihn-leiden-Lassen. Hass ist quasi die Aufbewahrung, das Ansparen, die Kapitalisierung des Zorns inklusive Zinsen und Zinseszinsen.

E. Der eine und einzige Gott als metaphysische Projektion der Rache

Dem Gott der drei monotheistischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – kommt übrigens primär genau diese Funktion einer Weltbank des Zorns und der Rache zu. Die Juden wurden über lange Zeiten von den Ägyptern, den Babyloniern und anderen unterdrückt, ähnlich die frühen Christen und ähnlich Mohammed, so es diesen tatsächlich gab. Alle hatten keine Möglichkeit, sich adäquat zu wehren oder an den ihnen Überlegenen zu rächen. Für die menschliche Seele sind solche Zustände, zumal wenn sie als völlig ungerecht empfunden werden, auf Dauer kaum auszuhalten. Der eine und einzige Gott dient hier als ideale Projektionsfläche, der am Ende der irdischen Zeit die große Abrechnung vornehmen wird und die, die einem immer wieder schreckliches Leid zugefügt haben, furchtbar strafen wird. Lesen Sie nur im Alten Testament oder im Koran. Sie werden entsetzt sein über die dort geschilderte Brutalität dieses Gottes. Mit diesen Vorstellungen aber konnten die frühen Juden, Christen und Muslime in ihren Seelen wieder ein Gleichgewicht herstellen, inneren Frieden und Ruhe finden: dafür werden meine Peiniger eines Tages fürchterlich zur Rechenschaft gezogen. Gott, der Welt-Bilanzbuchhalter aller Taten, sieht alles und vergisst nichts. Und er wird am Ende der Zeit die Waage wieder ins Gleichgewicht bringen, indem er einige schrecklich leiden lassen wird, die zuvor andere haben leiden lassen. So die Vorstellungen der „Gläubigen“.

F. Der Kommunismus als vorgezogenes Endgericht und der Hass der Linken

Der Kommunismus war im Grunde nichts weiter als die Fortführung dieses Gedankens nur ohne Gott. Die große Abrechnung wurde jetzt nicht mehr in die Zeit nach der irdischen Zeit vertagt. Man wollte die Dinge nunmehr selbst in die Hand nehmen und andere, die es vermeintlich verdient hätten, sofort leiden lassen.

Das Ressentiment gegen die Besser-Weggekommenen, die Überlegenen, die Schönen, die Reichen, die Klugen etc. verbindet übrigens Christen, Muslime, Kommunisten, Sozialisten, Linke, Sozialdemokraten und Grüne. Alle diese sehen sich primär als Interessenvertreter der Benachteiligten dieser Welt und tragen einen latenten oder manifesten Hass auf die besser Weggekommenen in sich. Ursprung dieses Hasses oder dieser Aversion ist der falsch verstandene Gleichheitsgrundsatz. Sie verwechseln permanent Gleichberechtigung mit Gleichheit.

G. Hass macht unfrei, kann dem Leben aber auch eine Ausrichtung geben

Generell gilt: Der Hassende ist dabei gewissermaßen an den Verhassten gebunden. Dieser nimmt viel Raum in ihm ein. Der Hassende misst dem Gehassten eine große Bedeutung bei. Dies macht ihn einerseits innerlich unfrei, kann aber zum anderen seinem ganzen Leben eine Ausrichtung geben. Der Hassende, der sich unbedingt rächen will, empfindet sein Leben niemals als sinnlos. Er weiß genau, was er will und wofür er lebt. Denken Sie an all die Rachewestern, ganz besonders an Mundharmonika (Charles Bronson) in ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘ und das perfekte, opernhaft gestaltete Zelebrieren des Auslebens der Rache.

H. Hass als gesunde Reaktion auf Hass

Hass kann auch eine sehr gesunde Reaktion sein, beispielsweise dann, wenn jemand mein Leben, meine Sicherheit, meine Ideale oder von mir geliebte Personen angreift mit dem Ziel der Vernichtung. Wenn er hier bereits massiven Schaden angerichtet hat, kann in meinem Gegenhass eine positive Einstellung zum Leben, zu anderen Menschen und zu Idealen zum Ausdruck kommen. „Wer stark lebensbejahend ist, wird entsprechend reagieren, wenn sein Leben bedroht ist“, formulierte Erich Fromm einmal. So wird aus zunächst einseitigem Hass gegenseitige Feindschaft, wenn ein Rückzug vom Hassenden, der einem schweres Leid zufügen möchte, nicht möglich ist.

I. Der Unterschied zwischen Hass und Verachtung

Während also Hass das Gefühl des Unterlegenen ist, ist die Verachtung zumeist dasjenige des Überlegenen. Auch sie ist eine negative Emotion, die sich anders als die Empörung und der Zorn weniger auf bestimmte Verhaltensweisen als vielmehr auf die ganze Person, Gruppe oder Institution bezieht und dieser eine grundsätzlichen Abwertung zukommen lässt. Verachten kann man also nicht nur Menschen, sondern auch Denkweisen, Weltanschauungen, Organisationen etc. Im Gegensatz zum heißen Hass ist die Verachtung eine kalte Emotion. Während der Hassende dem Verhassten am liebsten ins Gesicht schlagen möchte, weigert sich derjenige, der den anderen verachtet, diesem auch nur die Hand zu geben. Er will mit ihm nichts, rein gar nichts zu tun haben.

Die starke Geringschätzung basiert auf der Überzeugung des Unwertes des Verachteten. Dem Objekt der Verachtung wird im Unterschied zum Hass keine große Wichtigkeit beigemessen. Der oder das Verachtete nimmt wenig Raum im Innern dessen ein, der dieses Gefühl in sich trägt. Während das Ziel des Hasses im Extremfall der physische Tod des Gehassten ist, kann das letzte Ziel der Verachtung die soziale Ausgrenzung, aber auch die durch die Abwertung anderer miteinhergehende Aufwertung der eigenen Person sein.

Der Verachtete kann auf die ihm entgegengebrachte Verachtung mit Scham reagieren, mit Verlust der Selbstachtung, aber auch mit Empörung, Zorn oder eben mit Hass, weil der Entzug der Achtung wiederum eine Kränkung darstellt und er sein Gesicht nicht verlieren möchte. Eher selten reagiert er mit Selbstreflexion und Veränderung seines Seins, so dass dies keinen Anlass mehr bietet zu der ihm entgegengebrachten negativen Emotion.

J. Die sanfte Variante der Verachtung

Verachtung kann aber auch noch andere Gründe haben als das Sich-selbst-aufwerten-Wollen, indem der Andere abgewertet wird. Sie kann auch beruhen auf einer ethisch-moralischen Verurteilung des Anderen, die einhergeht mit der Überzeugung, dass dieser über Kritik nicht erreichbar und nicht fähig ist, sich in seinem Wesen, in seinem Charakter zu ändern. Wenn dann hinzu kommt, dass man sich nicht dem Hass hingeben will, darum wissend, dass diese Emotion viel Raum in einem einnehmen und die eigene Seele gleichsam verändern würde und das nicht zu ihrem Vorteil, ferner darum wissend, dass Ästhetik nicht allein auf das Äußerliche bezogen ist, sondern es auch so etwas wie eine schöne Seele gibt und niemand freiwillig hässlich sein möchte, auch und gerade nicht innerlich, so kann eine rationale Schlussfolgerung sein, dass es das Beste ist, bestimmten Menschen, wenn immer möglich, aus dem Weg zu gehen. Damit wird ihnen nicht die Möglichkeit eingeräumt, die eigene Seele in eine Richtung zu beeinflussen, die von einem selbst nicht gewollt werden kann.

K. Hate-Speech-Parolen und Angriffe auf die Grundrechte

Nun hört man diese Tage allenthalben, dass unsere Regierung und deren Verbündete Hassreden (Hate Speeches) fortan nicht mehr dulden wollen. Allein ich frage mich, ob die, die so reden, überhaupt wissen, wovon sie reden. Ja mehr noch, ob es sie überhaupt interessiert oder ob es ihnen um ganz anderes geht. Von einem „humanitären Imperativ“ wurde die letzten elf Monate immer wieder gesprochen, um dann Leute in unser Land einreisen zu lassen, die unsere Kultur teilweise verachten oder hassen, auf jeden Fall aber dieser oftmals keine besondere Achtung entgegenbringen. Währenddessen wird behauptet, diejenigen, die unsere Kultur, die Humanismus und Aufklärung, die Menschenrechte und eine freie Gesellschaft lieben und all das gefährdet sehen, würden Hass in ihren Herzen tragen. Sie seien fremdenfeindlich. Feindschaft bedeutet aber im Gegensatz zur Gegnerschaft, dass man bereit ist, den Feind mit allen Mitteln, auch mit unfairen zu bekämpfen. Ferner beruht Feindschaft nahezu immer auf Hass. Wer sich dagegen ausspricht, Fremde aus anderen Kulturkreisen mit teilweise diametral entgegengesetztem Menschen- und Weltbild bei sich aufzunehmen, womöglich sogar noch unbegrenzt und unkontrolliert, will in der Regel die Fremden weder vernichten, noch ihnen unsägliches Leid zufügen, sondern zumeist einfach nur die eigene Kultur, die er besonders wertschätzt, vielleicht sogar liebt, bewahren und schützen.

Wenn ich höre, dass jemand von einem „humanitären Imperativ“ spricht, der sich zehn Jahre lang niemals um Flüchtlinge gekümmert hat, der zehn Jahre lang Griechenland und Italien in dieser Angelegenheit völlig alleine ließ, dann werde ich skeptisch. Wenn ich dann noch weiß, dass dieselbe Person im Falle Edward Snowden, der publik machte, wie die US-Regierung uns Bürger systematisch und verfassungswidrig ausspioniert, keinerlei Anstalten machte, diesem zu helfen, nachdem dieser uns Bürgern zuvor einen freundschaftlichen Dienst erwiesen hatte, dann werde ich noch skeptischer. Wenn ich dann auch noch feststelle, dass diese Person mit grund- und menschenrechtswidrigen Weltanschauungen keinerlei Probleme hat, sofern diese nur irgendwie religiös begründet sind, dann schlägt meine Skepsis um in Zorn. Wenn ich dann noch höre, dass diese Person unsere gesamte Kultur auf das Christentum zu reduzieren sucht, dann frage ich mich, ob sie überhaupt jemals die richtige Besetzung für das höchste Regierungsamt sein konnte. Wenn sie dann auch noch über ihre entsprechenden Minister und Gefolgsleute gegen alle scharfen Kritiker an ihrem Kurs mit solchen Parolen wie „Hassreden“ vorgeht, dann kippt mein Gefühl nochmals in ein anderes.

L. Meinen Hass bekommen Sie nicht, Frau Merkel, aber auch nicht meine Achtung

Hassgefühle sind mir selbst eigentlich weitgehend fremd. Den Wunsch, jemanden zu vernichten, ihm extrem weh zu tun, ihn richtig leiden zu lassen, kenne ich nicht. Was mir aber, abgesehen von ein wenig Schadenfreude, die ich hin und wieder mal empfinde, nicht fremd ist, ist, dass es mir manchmal extrem schwer fällt, dem Verhalten von bestimmten Personen Achtung (Respekt) entgegenzubringen, ja, manchmal sogar der Person selbst in ihrem ganzen Sein.

Natürlich weiß ich mit Kant, dass jeder Person allein auf Grund der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung Achtung zusteht, eine gattungsmäßige Achtung quasi, die nicht verloren gehen kann, weil sich die Menschheit selbst in jedem Einzelnen abbildet oder konkretisiert. Dazu stehe ich auch innerlich, intellektuell wie emotional, zu hundert Prozent. Aber es gibt ja noch eine andere Achtung, nicht die vor dem Mensch-sein selbst, welches niemals verloren gehen kann, egal was jemand getan hat, sondern vor dem konkreten So-sein. Und da fällt es mir, das gebe ich zu, bisweilen schwer, dieses Gefühl der konkreten Achtung in mir zu finden.

Achtung ringt mir ab, wenn jemand nicht nur in Machtsicherungs- und Nützlichkeitskategorien denkt, sondern bestimmte ethische Prinzipien und moralische Normen in sich trägt und versucht, sich diesen aus innerer Einsicht zu unterwerfen und danach zu handeln.

Ja, ja, ich weiß, in der Politik geht das nicht immer, vielleicht sogar selten. Wenn das aber jemand trotzdem machen würde, obwohl es nicht geht, vor dem hätte ich sogar Hochachtung. Und irgendwie würde ich mir so jemanden in der Führung unseres Landes wünschen. Ach, ich weiß, ich bin ein schrecklich unrealistischer, viel zu idealistischer Träumer. Bitte nur belächeln dafür, nicht hassen.

13871909_150971948663150_2137919545_nZum Autor: Jürgen Fritz studierte Philosophie (Schwerpunkte: Erkenntnistheorie und Ethik), Erziehungswissenschaft, Mathematik, Physik und Geschichte (Lehramt). Für seine Abschlussarbeit wurde er mit dem Michael-Raubal-Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet. Er absolvierte zusätzlich eine Ausbildung zum Financial Consultant, arbeitete etliche Jahre als unabhängiger Finanzspezialist und ist inzwischen als freier Autor tätig. 2007 erschien sein Buch „Das Kartenhaus der Erkenntnis – Warum wir Gründe brauchen und weshalb wir glauben müssen“.

Hier geht es zur Homepage des Autors: https://juergenfritzphil.wordpress.com/

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© Foto: By Olaf Kosinsky (Own work) [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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