Der Beschluss zur Einführung des „Internationalen Tags gegen Islamfeindlichkeit“ ist kein nebensächlicher Akt symbolischer Politik. Er ist ein politischer Marker. In ihm verdichtet sich der Zustand einer Union, die ihren ordnungspolitischen Kompass verloren hat und Politik zunehmend als reine Macht-Klempnerei betreibt: geräuschlos, konfliktvermeidend, prinzipienarm. Ein Gastbeitrag von Frank-Christian Hansel.
Dass Diskriminierung immer mal wieder vorkommt, ist wohl unstrittig. Allerdings steht das in keiner Relation zu der manifesten und krassen Form, wie sie jüdische Mitbürger in bestimmten “Stadtbildern” zu erwarten haben. Der nun beschlossene Aktions- und Gedenktag ist weder notwendig noch geeignet, reale Probleme zu lösen. Er schützt niemanden konkret, er stärkt keine Sicherheit, er verbessert keine Integration. Sein Zweck ist ein anderer: Er setzt ein moralisches Signal und verankert einen politisch aufgeladenen Deutungsbegriff staatlich. Genau diesen Schritt trägt die CDU mit – ohne erkennbare Distanz, ohne begriffliche Präzisierung, ohne ordnungspolitische Einhegung.
Weg vom Recht, hin zur Gesinnung
Der Begriff „Islamfeindlichkeit“ ersetzt dabei bewusst rechtliche Kategorien. Er unterscheidet nicht zwischen legitimer Kritik, polemischer Zuspitzung, strafbarem Verhalten oder extremistischen Tendenzen. Er bündelt unterschiedliche Phänomene in einem moralischen Verdachtsraum. Wird ein solcher Begriff staatlich institutionalisiert, verschiebt sich der Maßstab politischer Auseinandersetzung: weg vom Recht, hin zur Gesinnung. Dass ausgerechnet die Union diesen Schritt mit-vollzieht, markiert einen Bruch mit ihrem eigenen Selbstverständnis als Partei staatlicher Neutralität und rechtlicher Klarheit.
Hier zeigt sich die CDU nicht als ordnende Kraft, sondern als anpassungsbereite Verwaltungspartei. Sie verzichtet auf begriffliche Souveränität, um konfliktfrei regieren zu können. Macht wird nicht mehr durch Haltung legitimiert, sondern durch Vermeidung. Politik reduziert sich auf das Abdichten möglicher Empörungsflächen. Der Preis dieser Strategie ist hoch: Mit jeder solchen Zustimmung verliert die Union ein weiteres Stück ihrer Fähigkeit, Ordnungspolitik überhaupt noch zu begründen.
Schwache Partei ohne klare Linie
Der zeitgleiche Konflikt um die Enquete-Kommission zum gesellschaftlichen Zusammenhalt wirkt in diesem Zusammenhang wie eine Kontrastfolie. Dort verweigert sich die CDU – ausnahmsweise – der vollständigen Vereinnahmung durch das Narrativ eines allgegenwärtigen strukturellen Rassismus. Prompt eskaliert der Konflikt. Rücktritte, öffentliche Vorwürfe, politische Blockaden. Was hier sichtbar wird, ist keine neu entdeckte Standhaftigkeit, sondern die Inkonsistenz einer Partei ohne klare Linie. Die CDU gibt dort nach, wo Anpassung billig ist – und stößt dort an Grenzen, wo die moralische Zumutung zu offen, zu total wird.
Diese Widersprüchlichkeit ist kein Zufall. Sie ist das Ergebnis einer Politik ohne inneren Maßstab. Wo kein Kompass mehr existiert, wird jede Entscheidung situativ. Mal Unterwerfung, mal Widerstand – aber nie aus Überzeugung. Die Zustimmung zum Internationalen Tag gegen Islamfeindlichkeit ist deshalb kein Betriebsunfall, sondern der Normalfall. Die Eskalation in der Enquete ist die Ausnahme, die das Problem erst sichtbar macht.
Macht ohne Richtung
Der Staat wird durch solche Entscheidungen schrittweise umgebaut. Er verlässt die Position der Neutralität und wird zum Akteur im identitätspolitischen Raum. Er beginnt, Betroffenheiten zu hierarchisieren, Symbole zu setzen und moralische Loyalität einzufordern. Die Union trägt diesen Umbau mit – nicht aus innerer Überzeugung, sondern aus der Angst heraus, im kulturellen Machtgefüge anzuecken.
Was bleibt, ist Macht ohne Richtung. Eine Partei, die regiert, aber nicht mehr weiß, wofür. Der Internationale Tag gegen Islamfeindlichkeit ist in diesem Sinne mehr als überflüssig. Er ist das sichtbare Zeichen einer Union, die ihre konservative ordnungspolitische Substanz preisgibt, nur um im Betrieb, im Mandat oder im Amt zu bleiben, wofür auch immer.
Darum sollte Jeder, der 2023 im Zuge der von der AfD erstrittenen Wiederholungswahl noch einmal sein Kreuzchen bei der CDU gemacht hat, wissen: Von dieser Berliner CDU mit Kai Wegner ist in wesentlichen politischen Fragen nichts mehr zu erwarten.
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https://philosophia-perennis.com/2025/11/30/adventsgabe-2025/
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