Mittwoch, 10. Dezember 2025

Was soll nur aus der Jugend werden? Die künftigen Erwachsenen!

Gastbeitrag von Meinrad Müller

In den Achtzigern lag etwas in der Luft, das man fast greifen konnte. Eine leise Spannung, ein Gefühl von „es geht vorwärts“. Wer zupackte, konnte sich etwas aufbauen. Heute hat sich dieser Ton verändert. Über Jahre hat die Politik den jungen Leuten den Mut förmlich ausgetrieben. Die Wirtschaft schwankt wie ein Tisch, bei dem ein Bein fehlt. Und man kann es den Jungen nicht übelnehmen, wenn sie sich fragen, wie man da überhaupt anfangen soll. Die meisten wollen ja loslaufen, neugierig und voller Energie. Doch ein WG-Zimmer für 750 Euro monatlich frisst diese Energie schneller, als sie wachsen kann. Und ein Land, das seine jungen Leute so ausbremst, verliert Stück für Stück seine Zukunft.

Wenn ich heute junge Menschen in Berlin sehe, mit Rucksack und Plänen im Kopf, erinnere ich mich manchmal an meine ersten Schritte 1975 in einer neuen Stadt. Man will ja nicht viel. Nur einen Platz, an dem man die Taschen abstellen kann, bevor man sich ins Leben wirft. Diese Frage ist nicht neu. Vor über 175 Jahren standen unzählige junge Leute in den USA an genau diesem Punkt. Voller Tatkraft, aber ohne Anker.

Ein Lied aus 1978 erinnert uns an eine Lösung von 1844

Die Antwort hieß YMCA, übersetzt in etwa: Verein christlicher junger Männer. Ein Zuhause auf Zeit, das nicht viel versprach, außer dem Wichtigsten. Ein Bett. Eine Dusche und Menschen, die solche Häuser zur Ersatzfamilie werden lassen. Das ist auch nur in den USA möglich, aus einem Sozialprojekt einen Welthit zu entwickeln.

Ich selbst habe vor 52 Jahren drei Monate im Kolpinghaus in Augsburg gewohnt. Kein Luxus, Bett, Dusche auf dem Gang, Frühstück für 150 Mark pro Monat. Am Abend saßen wir am langen Tisch, Studenten, Gesellen, welche, die einfach irgendwo anfangen wollten. Ich höre heute noch das leise Klirren der Teller, sehe die leicht abgewetzten Stühle vor mir. So etwas bleibt hängen, auch wenn das Leben längst in alle Welt und jetzt nach Berlin führte.

1978 kam dann dieses Lied, YMCA. Jeder kennt die vier Buchstaben. Doch die meisten vergessen, dass der Refrain eine kleine Ermutigung ist. Young man, there’s no need to feel down. Frei übersetzt: Kein Grund niedergeschlagen zu sein, da ist ein Platz für dich. Und dann dieser fröhliche Ruf, it’s fun to stay at the YMCA, es macht Spaß im YMCA zu sein. Dieser Song hat etwas, das man nicht erklären muss. Wie ein freundlicher Klaps auf die Schulter. Vielleicht wurde der Song deshalb zum Welthit. Weil er ein Gefühl in Musik fasst, das jeder kennt, der einmal mit leeren Taschen in einer neuen Stadt stand.

Heute gibt es weltweit über 2600 YMCA-Häuser. Fast 10.000 Städte haben eines. Jedes Jahr finden rund 20 Millionen Menschen dort einen Anfang. Alles finanziert durch Spenden und Menschen, die weitergeben, was ihnen selbst einmal geholfen hat. Auch in Deutschland stehen solche Häuser. Sie heißen Christlicher Verein junger Männer. CVJM. Der Gedanke ist derselbe. Ein Zimmer, ein Tisch, ein Gespräch. Und der Moment, in dem ein junger Mensch merkt, dass er seinen Weg finden kann.

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Meinrad Müller
Meinrad Müllerhttps://www.amazon.de/-/e/B07SX8HQLK
Meinrad Müller (Jg. 1954), Unternehmer im Ruhestand, kommentiert mit einem zwinkernden Auge Themen der Innen-, Wirtschafts- und Außenpolitik für Blogs in Deutschland. Seine humorvollen und satirischen Taschenbücher sind auf Amazon zu finden. Eine Zusammenstellung all seiner Blogbeiträge findet sich unter B

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