Sonntag, 21. September 2025

Besuch bei den Wurzeln der EU in Aachen

Aachen ist die Stadt Karls des Großen. Sein Name, seine Bildnisse und Statuen sind in der Stadt allgegenwärtig. Aachen und die Berufung auf Karl den Großen spielen eine große Rolle im offiziellen Narrativ der EU von den Anfängen nach dem zweiten Weltkrieg bis heute.

Vor kurzem besuchte ich die Stadt, neben dem Dom insbesondere das historische Rathaus mit seinem imposanten Kaisersaal. Nachstehend anläßlich dieser Reise einige Fakten und Überlegungen zu den Wurzeln der EU und ihren Auswirkungen bis heute.

Der Karlspreis

Seit 1950 wird jedes Jahr im imposanten Kaisersaal des historischen Rathauses in Aachen in einer feierlichen Zeremonie der Karlspreis verliehen – an Personen oder Institutionen, die sich im Verständnis der EU um Europa verdient gemacht haben.

Eine Auswahl der Preisträger aus jüngerer Zeit und einiger heute noch bekannter Namen aus früheren Jahrzehnten:

2025 Ursula von der Leyen

2023 Wolodymyr Selenskyj

2018 Emmanuel Macron

2016 Papst Franziskus

2008 Angela Merkel

2004 Papst Johannes Paul II.

2002 Der Euro

2000 Bill Clinton

1988 Helmut Kohl und François Mitterand

1987 Henry Kissinger

1969 Europäische Kommission

1955 Winston Churchill

1954 Konrad Adenauer

Ein Muster wird deutlich.

Wie fing das alles an?

Der erste Karlspreis wurde im Jahr 1950 verliehen, und zwar an Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894-1972). Der Name ist heute kaum noch bekannt, war es eigentlich nie in einer breiteren Öffentlichkeit. Als Sohn eines österreichischen Grafen und Diplomaten und einer Japanerin in Tokio geboren, verfaßte er die Schrift Paneuropa – eine Art Manifest –und begründete die Paneuropa-Union.

Coudenhove-Kalergi war damit Vordenker der EU, der dem Projekt die Richtung vorzeichnete. Es war also kein Zufall, daß Coudenhove-Kalergi den ersten Karlspreis erhielt und dabei eine programmatische Rede hielt. Sie ist ganz offiziell im Internet abrufbar.

Die Rede von Nikolaus Coudenhove-Kalergi

Das Reich Karls des Großen wurde unter dessen Enkeln aufgeteilt. Aus dem westlichen Teil wurde Frankreich, aus dem östlichen Deutschland. Der mittlere Teil war über die Jahrhunderte zwischen dem östlichen und dem westlichen umstritten. (Den mittleren Teil bekam ein Mann namens Lothar. Von diesem Namen leitet sich die Bezeichnung Lothringen ab.)

Coudenhove-Kalergi faßt vor diesem Hintergrund seine Zielsetzung zusammen:

„Unserer Generation bleibt es vorbehalten, dieser Kette von Kriegen, dieser Erbfeindschaft, für immer ein Ende zu setzen; den unglückseligen Teilungsvertrag von Verdun des Jahres 843, der das europäische Kaiserreich zerrissen hat in eine deutsche, eine französische und eine italienische Nation, von Grund auf zu revidieren und die Einheit des Abendlandes im Geiste des 20. Jahrhunderts zu erneuern. Der Europäische Rat in Straßburg, die Frucht der Paneuropa-Bewegung, ist der erste Schritt zu diesem großen Ziel.“

Soweit hört sich das gut an. Es entspricht auch der offiziellen Erzählung, die die EU, ihre Anhänger und Vorläufer seit fast 80 Jahren verbreiten. Wie sollte dieses Ziel erreicht werden? Wie konnte es dazu kommen, daß heute eine große Unzufriedenheit unter den europäischen Völkern mit der EU und ihrer Politik besteht? An welchem Punkt ging da etwas schief? Gab es vielleicht von Anfang an problematische Züge dieses Projekts, die die heutigen Probleme präformierten?

Der europäische Bundesstaat von der Ostsee bis Katanga

Coudenhove-Kalergi spricht selbst die beiden unterschiedlichen Konzeptionen eines vereinten Europa an, die es damals – im Jahr 1950 – schon gab:

 „Heute ist es nicht möglich, sich in Straßburg auf ein radikales Programm zu einigen, weil die Mehrzahl der dort vertretenen Regierungen die Idee eines europäischen Bundesstaates ablehnt und Europa organisieren will als losen Staatenbund souveräner Völker. Dies ist vor allem der Standpunkt unserer englischen Freunde … Indessen drängt die Mehrheit der in Straßburg versammelten Parlamentarier, unter französisch-italienischer Führung, auf einen Bundesstaat, unter einer Bundesverfassung und einer Bundesregierung. Sie sind sich bewußt, daß diese Lösung allein den Frieden sichern kann, die Freiheit und den Wohlstand der europäischen Völker.“

 Er spricht weiter von einem „einigen Europa, von Island bis zur Türkei…“.

Die Erneuerung des Karolinger-Reiches im Geiste des Zwanzigsten Jahrhunderts wäre ein entscheidender Schritt vorwärts zur Einigung Europas. Ein neues Weltreich würde entstehen, dessen Bevölkerung größer wäre als die Vereinigten Staaten von Amerika und dessen Territorium, von der Ostsee bis Katanga, nur der Sowjetunion an Größe nachstehen würde.

Die Ostsee als nördliche Begrenzung macht Sinn. Weiter im Norden gibt es niemanden, den man einbeziehen könnte. Aber die Türkei? Karl der Große ist dort nie gewesen, hat dort keinen politischen oder kulturellen Einfluß ausgeübt. Katanga? Das ist die südlichste Provinz des Kongo! Dazwischen liegen noch die nordafrikanischen und arabischen Länder, die Sahara und mehrere afrikanische Staaten. Die sollen alle zu Europa gehören? Das kann man vielleicht mit irgendwelchen kolonialen Grenzen und Einflüssen begründen. Aber kulturell ist das doch eine andere Welt. Deshalb gab es schon zur Zeit von Coudenhove-Kalergi die afrikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen, die bald zur Entkolonialisierung führten. Das war ja auch gut so.

Die „eurasisch-negroide Zukunftsrasse“

Coudenhove-Kalergi hatte schon 1922 geschrieben:

 „Der Mensch der fernen Zukunft wird Mischling sein. Die heutigen Rassen und Kasten werden der zunehmenden Überwindung von Raum, Zeit und Vorurteil zum Opfer fallen. Die eurasisch-negroide Zukunftsrasse, äußerlich der altägyptischen ähnlich, wird die Vielfalt der Völker durch eine Vielfalt der Persönlichkeiten ersetzen.“[i]

Kein EU-Kritiker dürfte so etwas sagen, er würde sofort als ganz böser Rassist gebrandmarkt, unabhängig vom konkreten Inhalt, nur weil er die Wörter R**** und M******* gebraucht. Da Coudenhove-Kalergi aber zu den ganz Guten gehört, macht das bei ihm natürlich nichts. Wir dürfen ihn immerhin bis auf weiteres zitieren und kritisch kommentieren, wovon hier Gebrauch gemacht werden soll.

Es wurde diskutiert, welche Bedeutung diesen Aussagen im Rahmen von Coudenhove-Kalergis Schriften und der „europäischen Einigung“ zukommt. Manche wollten darin einen „Kalergi-Plan“ sehen, der Mainstream tut dies als Verschwörungstheorie ab. Es handelt sich sicher nicht um einen ausgefeilten Plan. Daß die Aussage von der „eurasisch-negroiden Zukunftsrasse“aber sehr wohl ernstgemeint war, sehen wir heute jeden Tag in der Werbung der Privatwirtschaft wie öffentlicher Institutionen. Der millionenweise Import vorgeblicher Flüchtender aus Afrika, Arabien und Afghanistan beweist, daß wieder einmal eine vermeintliche Verschwörungstheorie wahr geworden ist.

Noch bemerkenswerter als diese Aussagen Coudenhove-Kalergis ist der Umstand, daß sie zwar öffentlich zugänglich sind, aber nie in der Öffentlichkeit verbreitet oder gar diskutiert wurden. Wer sucht schon im Internet nach den Reden bei der Verleihung des Karlspreises? Welcher Zeitgenosse Coudenhove-Kalergis ging in eine große Bibliothek, um diese Reden und Schriften nachzulesen?

Es handelte sich bei den Aussagen von Coudenhove-Kalergi nicht um theoretische Überlegungen eines Schöngeistes, wie man bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht meinen könnte, sondern um ganz handfeste Politik. Das zeigte nicht nur Coudenhove-Kalergis Nähe zur Macht. Vielsagend ist auch folgende Aussage in seiner Rede:

„Die neuen Verfassungen Deutschlands, Frankreichs und Italiens haben den Charlemagne-Bund bereits vorbereitet durch Gesetze, die eine Übertragung von Souveränitätsrechten auf übernationale Instanzen vorsehen.“

Die Gesellschaftsutopie der Sozialingenieure

Hier soll keineswegs bestritten werden, daß Coudenhove-Kalergi und andere Vertreter ähnlicher Auffassungen subjektiv gute Absichten hegten. Wir sehen allerdings – exemplarisch an den Ausführungen Coudenhove-Kalergis -, daß die Entwicklung der EU und ihrer Vorläuferorganisationen wie EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) und EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) von Anfang an im Verständnis ihrer Vordenker und Spitzenpolitiker in Richtung des umfassenden Superstaates vorgezeichnet war, mit dem wir es jetzt zu tun haben. Das hat sich nicht später irgendwie zufällig oder unbeabsichtigt so entwickelt. Bei der EU und ihren Vorläuferorganisationen handelt es sich um eine Form des utopischen Social Engineering in dem Sinne, wie Karl Popper den Begriff in seinem Buch über „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ von 1945 geprägt hat.[ii] Popper wandte den Begriff hauptsächlich auf den Marxismus an. In der Tat gibt es – bei allen Unterschieden – Parallelen zwischen der Gesellschaftsutopie, wie sie in der DDR und anderen Ostblockstaaten versucht wurde und krachend gescheitert ist, und dem Treiben der Sozialingenieure in der EU: Zentralistische Planung durch eine Bürokratenkaste, die sich selbst im exklusiven Besitz des Guten und absoluter Wahrheiten wähnt und daher die uneinsichtigen Menschen gängeln und bevormunden will. Das bedingt Überwachung, Verbote und Kontrolle, wenn die Leute sich nicht fügen wollen.

Allerdings war es geplant, dieses Großprojekt nicht auf einmal, sondern in vielen kleinen Schritten umzusetzen. Dadurch konnte Widerstand minimiert werden. Am Anfang waren auch durchaus positive wirtschaftliche Effekte mit dem Freihandel innerhalb Westeuropas verbunden. Die Idee, daß wir Deutsche uns mit den Franzosen und anderen Europäern aussöhnen statt weiter bekriegen wollen, war nach dem Krieg richtig und nachvollziehbar. Das ist sie bis heute. Deshalb wurde dies in der Propanda in den Mittelpunkt gestellt. Allerdings hatte die EU von Anfang an ihre dunkle Seite, die uns bzw. unseren Vorfahren lange verschwiegen wurde, aber im Lauf der Zeit immer stärker hervortrat, bis sie schließlich dominierend wurde.

Die von Coudenhove-Kalergi erwähnte und abgelehnte Organisation Europas als loser Staatenbund souveräner Völker – beschränkt auf das Territorium der abendländischen Kultur – wäre die bessere Alternative gewesen.

Kann es für uns Europäer eine gute Zukunft geben?

Wenn der zentralistische Superstaat der EU bestehen bleibt, wird sich an diesen grundsätzlichen Problemen auch dann nichts ändern, wenn andere Politiker dort in Machtpositionen kommen sollten. Die Struktur ist das Problem.

Wenn wir als Europäer eine gute Zukunft haben wollen, müssen wir uns von dem zentralistisch-utopischen Sozialingenieurstum der EU befreien und doch – vielleicht im Rahmen eines losen Staatenbundes souveräner Völker – friedliche Beziehungen unter den europäischen Ländern bewahren.

Quellen / Links:

https://www.karlspreis.de/de/

https://www.karlspreis.de/de/preistraeger-innen/alle-preistraeger/preistraeger-in/richard-nikolaus-graf-coudenhove-kalergi

[i] Adel, S. 17

[ii] Daß Popper selbst das utopische Social Engineering der EU nicht kritisch benannt hat, ist eine andere Geschichte, ebenso wie diverse fragwürdige Argumentationen in seinem Buch.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Bestseller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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