Wie die Katholikin Rose Hu zweimal das Überleben lernen mußte.
Am 16. April 1949 wurde Meiyu Hu, damals war sie 16 Jahre alt, in Shanghai katholisch auf den Namen Rose getauft. Sie ist eine von Millionen, die in China an Christus glauben, die sich dem kommunistischen Regime in Peking nicht beugen wollen, die den alten kirchlichen Traditionen Heiligkeit zumessen, und zwar so konsequent, wie das hierzulande kaum vorstellbar ist. Und die deswegen zu Märtyrern werden – zu Hunderttausenden, auch heute. Die Autobiographie von Rose Hu ist jetzt auf Deutsch erschienen.
Roses Tauftag jährt sich damit dieser Tage zum 75. Mal. Ihre Bekehrung zum Christentum geschah über eine enge Beziehung zur Gottesmutter. Folgerichtig trat sie nach dem Empfang des Taufsakraments der aus Irlands stammenden Gebetsgemeinschaft Legion Mariens bei. Auch starker Druck aus ihrer eigenen Familie konnte sie nicht abhalten – ganz im Gegenteil: bald schon wurde ihr Bruder, der sie bespitzeln sollte, selbst zum überzeugten Nachfolger Christi. Dies alles geschah vor dem Hintergrund der Machtübernahme von Mao Tse Tung, der alsbald sein mörderisches kommunistisches Regime in China errichten sollte. Noch heute hat diese menschenverachtende Diktatur in Rotchina Bestand.
Was bedeutete die Machtübernahme der Linksextremisten, der Kommunisten also, für Menschen wie rose Hu? Beispielhaft seien ihre Eingangssätze aus Kapitel 10 zitiert: „Der Kommunismus und der Katholizismus stehen sich als unversöhnliche Feinde gegenüber. Die Kommunisten unternehmen alles, um die Katholiken zu vernichten. In den Augen der Kommunisten sind alle Priester und Nonnen, aus welchem Land sie auch kommen, Imperialisten.“ Von 1955 bis 1957 saß Rose Hu erstmals zwei Jahre in Haft, davon ein Jahr in Einzelhaft. Ihre Isolation, in der sie nur in ihrer Zelle saß, niemanden sah, nichts arbeiten durfte, beantwortete sie mit diesem Gedicht: „Gefesselt sein bedeutet frei sein / verlieren bedeutet gewinnen / So viele Gnaden wurden meiner Seele geschenkt!“
1958, nach wenigen Monaten außerhalb der Haft, aber in einem von ständig steigender kommunistischer Gewalt geprägten Umfeld, wurde Rose Hu abermals festgenommen. Der einzige Vorwurf war, dass sie an Jesus Christus glaube, dass sie nicht kommunistisch sein wolle. Was sie in schlichten Worten über die nun folgenden Torturen aufschreibt, ist für mitteleuropäischen Erfahrungshorizont fast nicht zu fassen, ist wortwörtlich kaum zu glauben – es ist der Bericht über Qual und Folter aus mehreren chinesischen Umerziehungslagern. 24 Jahre Arbeitslager ohne Unterbrechung.
In insgesamt 28 Kapiteln, auf 130 Seiten, beschreibt Rose Hu ihr Martyrium in den chinesischen Lagern. Unfassbar grausame Schilderungen, mit quasi lakonischen Worten aufgezählt – schwerste Folter, immer wieder Todesfälle von Weggefährten, täglich neue Grausamkeiten. Was der Mensch dem Menschen um Gottes willen antut – Herr, erbarme Dich! Exemplarisch sei Kapitel 42 genannt, überschrieben mit: „Eine Perle im Lager Dangshan“ – die Geschichte der Ordensfrau Yicheng, einer Nonne der „Kongregation der Helferinnen der Armen Seelen im Fegefeuer“.
Unglaublich die Folter, der man Schwester Yicheng aussetzt, nur weil sie an Jesus Christus glaubt. Sie stirbt an einer Blinddarmentzündung, die nicht behandelt wird – auf indirekte Weise wird sie qualvoll ermordet durch wissentliches Unterlassen von Hilfeleistungen. Parallelen zu schlimmsten Menschheitsverbrechen des 20. Jahrhunderts tun sich wie Abgründe auf. Klar und offen benennt Rose Hu die Namen etlicher Priester und katholischer Ordensleute, die in den chinesischen Arbeitslagern ihren Dienst an Menschen wie Schwester Yicheng taten.
1982 endete Roses Martyrium. Sie wurde 1989 in die USA ausgeflogen, wobei das aber nur unscharf erwähnt wird. Offenkundig ist es die Intention von Autorin, Übersetzer und Verlag, einen spirituellen Weg hin zu Gott zu beschreiben. Denn während sie in Haft war, durchlief die katholische Kirche eine tiefgreifende Reform. Mit den Zweiten Vaticanum setzte eine Entwicklung ein, nach der die Mundkommunion nicht mehr üblich war. Die Handkommunion, verbunden mit „Modernisierungen“, aber war Rose Hu zu wenig. Eine verweltlichte Kirche – war sie dafür 26 Jahre im Arbeitslager gewesen?
Mit der Schilderung dieses zweiten Exils, in das Rose Hu, offiziell befreit, nun aber im geistlichen Sinne entwurzelt, nun ging, handelt es sich bei diesem Buch nicht um eine durchgängige, klassische Biographie. Stattdessen wird, dem geistlichen Lebensweg der Autorin folgend, die Suche nah den traditionellen Werten des Katholizismus durchgängig thematisiert. Begegnungen mit chinesischen Priestern, die sich noch aus dem 1950er Jahren kannte und nun in den USA wiedertraf, bilden hierfür den biographischen Rahmen. Exakt festgehalten ist auch, das Rose Hu im Jahre 2003 das Gelübde als Mitglied des Dritten Ordens der Bruderschaft FSSPX ablegte. Als Ordensfrau lebte sie dann bis 2012 in den USA; 79jährig starb sie an einer Krebserkrankung.
Welch gewaltige, zutiefst christliche Idee ist es aber bei alledem, mit einer Vergangenheit von 26 Jahren in ganz unterschiedlicher, immer grausamer, immer schrecklicher chinesischer Haft der eigenen Autobiographie den Untertitel „Freude im Leiden“ zu geben! Ihre Stärke dieses Vorbild wird nicht nur gläubige Christen erschüttern und zu tiefem Nachdenken anregen. Das ist ein wichtiges Thema, denn Millionen von Menschen, Christen und Nichtchristen, erleiden genau das in China – bis zum heutigen Tag. Die bestechend klare Sprache macht diesen Tatsachenbericht authentisch, insgesamt sehr glaubwürdig und damit nur noch spannender. Was Rose Hu in schlichten Worten aufschreibt, ist für den mitteleuropäischen Erfahrungshorizont wortwörtlich kaum zu fassen – es ist der Bericht über fürchterliche, menschenverachtende, massenhafte Qual und Folter aus mehreren chinesischen Arbeits-, Umerziehungslagern.
Der Sarto-Verlag vertritt innerhalb der katholischen Kirche die konservative Schiene. Das ist vor allem wegen der Klarheit dieses Standpunktes im Bezug auf die Eucharistiefeier und die Tradition generell sehr interessant. Verlagsseitig geht es dabei erkennbar um die Förderung der Feier der Heiligen Messe nach tridentinischem Ritus. Das ist, für sich genommen, interessant und nachdenkenswert. Doch dieses Buch hat einen weit größeren Bedeutungsradius. Eine Frau, die unfassbar viel Gottvertrauen hat, gibt uns ein Beispiel. Eindrucksvoll lebt sie das Prinzip der Nachfolge stellvertretend für alle Christen vor, das ist – auf ihre jeweilige Konfession übertragen – für alle Christen gleichermaßen bedeutsam. Über konfessionelle, innerchristliche Fragen braucht im Bezug auf China, diese nach wie vor maximal menschenverachtende Diktatur, sowieso nicht gesprochen werden. Das „Vater Unser“ führt dort, egal aus welchem Mund es kommt, zur Lebensgefahr für alle, die es aussprechen. Über die Form der Eucharistie nachzudenken – das stünde allen Katholiken hierzulande gut an.
Rose Hu, Mit Christus im chinesischen Straflager – Freude im Leiden, Bobingen 2024, übersetzt und mit einem Vorwort versehen durch Franz Kronbeck, broschiert, 261 Seiten, ISBN 978-3-96406-077-8, 14,80 Euro. Hier bestellen.
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