Sollte eine russische Frühjahrsoffensive erfolgreich sein, stünde die NATO vor der Frage, ob sie ihre eigenen Soldaten in den Krieg schicken will. Die Amerikaner würden dies zwar nicht in Betracht ziehen. In Europa werden aber solche Überlegungen durchaus erwogen, obwohl dann aber die betroffenen Länder zerstört werden, wenn der Krieg weiter eskaliert. Ein Gastbeitrag von Elmar Forster
Vor einigen Tagen empfing Viktor Orbán, anlässlich einer privaten Konferenz des „Mathias Corvinus Collegiums“ (MCC), zwei Stunden lang ausländische Journalisten. Der Gastredner und Journalist von „The American Conservative“, Rod Dreher, berichtet in einem ausführlichen Artikel über die Themen, welche der ungarische Premierminister konkret angesprochen hatte. Auch polnische Journalisten waren zugegen und stellten überaus kritische Fragen. (vadhajtasok, index)
„Putin kann es sich nicht leisten, den Krieg zu verlieren“
Da er nächstes Jahr die Wahlen gewinnen will. Außerdem werde Russland niemals die Präsenz der NATO in der Ukraine akzeptieren. Allerdings hätte dieses aber auch nicht die Kraft, die Ukraine zu besetzen oder dort eine Marionettenregierung zu installieren.
„Die Ukraine ist wie Afghanistan ein Niemandsland“ – so der Premierminister über die Ukraine. Und weiter: Deshalb sei es jetzt Russlands Ziel, die Ukraine in ein „unregierbares Wrack“ zu verwandeln, und das ist gelungen.
Außerdem stünde die Zeit auf Putins Seite, da Russland jederzeit mehr Personal für seine Armee rekrutieren könne, während den Ukrainern dieses ausgehe. Und niemand weiß, was passieren wird, wenn sie völlig erschöpft sind.
Sollte eine russische Frühjahrsoffensive erfolgreich sein, stünde die NATO vor der Frage, ob sie ihre eigenen Soldaten in den Krieg schicken will. Die Amerikaner würden dies zwar nicht in Betracht ziehen. In Europa werden aber solche Überlegungen durchaus erwogen, obwohl dann aber die betroffenen Länder zerstört werden, wenn der Krieg weiter eskaliert.
„Wir befinden uns im Krieg mit Russland.“
„Das ist die Realität. Tag für Tag engagieren wir uns mehr und mehr.“ – sagte der ungarische Premierminister und machte deutlich: Dass er diesen Krieg überhaupt nicht wolle. Trotzdem wären sich die Westler im Unklaren, was gerade passiert und was in naher Zukunft passieren könnte. Er verglich sich mit „einer Ziege unter den Schafen der NATO“.
Obwohl es also verrückt wäre, bestehe weiterhin die Gefahr, dass NATO-Soldaten mit den Russen in der Ukraine zusammenstoßen könnten.
„Atomwaffen könnten eingesetzt werden“
Orban schloss sogar dieses Schreckensszenario nicht aus, allerdings nur den Einsatz taktischer Atomwaffen auf dem Schlachtfeld. Den Abwurf von Atombomben, etwa über Warschau oder Berlin schloss er aus.
Die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes könnte dann gegeben sein, wenn etwa die ukrainische Armee international anerkannte Grenzen überschreitet und in russisches Territorium eindringt.
Dass das bisher schlechte Abschneiden der russischen Armee zunehmend korrigiert werde, sei zwar nicht überraschend gewesen, wenn man ähnliche historische Beispiele betrachte. Der Anfang des Kriegsverlaufs verlief schlecht, dann aber korrigierte Russland seine Fehler. Zwar hätte die Ukraine bisher Erfolge erzielt, auf lange Sicht könnte sie aber nicht gegen Russland gewinnen, auch nicht mit Hilfe des Westens.
EU-Führer von Washington und den Medien manipuliert
Die Tatsache, dass er als einziger Führer der 27 EU-Länder gegen den Krieg wäre, bezeichnete er als sehr frustrierend. Jene würden nämlich den Konflikt moralisch bewerten, nicht im Hinblick auf die Interessen ihres eigenen Landes. Um immer wieder zu betonen, dass sie auf der richtigen Seite der Geschichte stünden. Aber dieses Narrativ wird ihnen tatsächlich von Washington und den liberalen Medien in den Mund gelegt.
Im Gegensatz dazu vertrete Orban die Interessen Ungarns und des ungarischen Volkes. Nur der französische Staatschef Macron könnte eine eigene fundierte Position formulieren. Viktor Orbán zufolge vertreten Brüssel und Budapest sehr unterschiedliche Ideologien, was das Menschsein selbst und das Funktionieren der Gesellschaft betrifft. Alle Meinungsverschiedenheiten, etwa Migration oder Geschlechterfragen betreffend, sind auf diese ideologische Differenz zurückzuführen.
„Alles Schlechte kommt aus Brüssel“
„In den letzten 30 Jahren kamen alle schlechten Dinge in der europäischen Geschichte aus Brüssel“ wie der Ministerpräsident sagte.
Und gerade deshalb würde Ungarn wegen seiner Erfolge im Zentrum der EU beneidet und dämonisiert.
„Es ist nicht einfach für mich, da rauszugehen und von alle verdammt zu werden zu tolerieren“ fügte er hinzu.
Obwohl freilich die EU-Mitgliedschaft und die viele Kritik „schmerzhaft“ wäre, ist es keine Frage, dass Ungarn Teil der Union bleiben werde. Davon hänge auch das wirtschaftliche Wohlergehen des Landes ab, und es ist Ungarns nationales Interesse, dass es EU-Mitglied bleibt.
„Europa steht vor dem Zusammenbruch“
Auf die Frage nach der Bedeutung von Religion im Allgemeinen und deren Lage in Ungarn sagte der Ministerpräsident: Zwar würden heute nur wenige Menschen in Ungarn die Kirche besuchen, allerdings müsse auch Europa zur Religion zurückkehren, weil jede Zivilisation darauf aufgebaut wurde.
„Die soziale Struktur, die in den letzten dreißig Jahren aufgebaut wurde, ist völlig gegen die menschliche Natur ist. Ich bin mir sicher, dass es zusammenbrechen wird, und ich hoffe nur, dass es nicht zu einem Armageddon wird.“ – wie Viktor Orban meinte.
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