Die AfD-Fachfrau für Digitales, Joana Cotar verlässt die AfD. Nicht der „Rechtsaußen-Rand“ habe sie dazu motiviert, sondern dass die Alternative zur Altpartei geworden sei, voll mit Opportunisten und einer „großen Nähe“ zu Russland, China und Iran.
Wir dokumentieren hier ihr Abschiedsschreiben:
Ich bin ein lebenslustiger und gut gelaunter Mensch, der sich in die Verantwortung nehmen ließ, um der Heimat etwas zurückzugeben. Nicht selten wurden meine Bundestagsanträge durch die jeweilige Regierung kopiert bzw. umgesetzt. Darauf bin ich stolz. Genauso wie auf die vielen persönlichen, positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung.
Ich stehe für eine konstruktive, freiheitlich – konservative Politik. Im Gegensatz zu vielen Kollegen, war und bin ich finanziell nicht auf Partei oder Bundestag angewiesen und daher gab es für mich immer einen klaren Kurs und immer rote Linien für den Umgang miteinander.
Die AfD hat zu meinem tiefsten Bedauern diese Linien mehrfach überschritten und den einstigen Kurs – einer von ideologischen Einflüssen befreiten Realpolitik zum Wohle Deutschlands – aufgegeben. Daher habe ich mich nach fast zehn Jahren Parteizugehörigkeit dazu entschieden, die AfD zu verlassen. Es ist mir nicht leichtgefallen, denn ich habe diese Partei in Hessen mit aufgebaut.
Doch von der 2013 gegründeten Partei, die eine Alternative zur linken Politik sein sollte, die die Freiheit und die Unabhängigkeit in den Mittelpunkt stellte und die den schlanken Staat, das Recht und die Eigenverantwortung propagierte, ist wenig übriggeblieben.
Statt um Inhalte geht es hauptsächlich um bezahlte Mandate und Ämter. Die Alternative ist zur Altpartei geworden. Im Kampf gegen innerparteiliche Gegner ist Dauermobbing an der Tagesordnung – angefeuert von der Spitze der Partei und ihrer Netzwerke. Der Kampf um ein besseres Deutschland ist in den Hintergrund gerückt, Anstand spielt in den korrupten Netzwerken innerhalb der Partei keine Rolle mehr.
Nicht der extreme Rechtsaußen-Rand der AfD war und ist das Problem, der war immer in der Minderheit. Es sind die Opportunisten, die für Mandate ihre Überzeugungen aufgeben, sich kaufen lassen und morgen das Gegenteil dessen vertreten für das sie heute noch stehen. Das war und ist mit mir nicht zu machen. Ich habe meine Überzeugungen seit 2013 nicht geändert und verlasse die Partei mit dem Wissen, mir meine Integrität bewahrt zu haben.
Ich stehe für die Freiheit, die ich auch denen zubillige, die nicht meiner Meinung sind. Meine Basis war und ist das Grundgesetz. Ich stehe für die Eigenverantwortung und einen Staat, der die Bürger in Ruhe lässt. Zensur, Massenüberwachung (vor allem durch neue Technologien), Nudging und Einschüchterungen durch den Staat lehne ich ab. Trotzdem stehe ich für eine moderne Zukunft, eine Gesellschaft, die keine Angst vor der Digitalisierung hat, sondern sie als Chance begreift.
Ich wünsche mir echte Entlastungen der Bürger, Steuersenkungen, einen schlanken Staat und eine Politik, die nicht versucht, Wählerstimmen durch soziale Wohltaten zu erkaufen. Die wenigen Leistungsträger dieser Gesellschaft müssen endlich wieder die Anerkennung erfahren, die sie verdienen.
Ich stehe für eine Politik, die die Souveränität anderer Staaten achtet und ihnen diese nicht aberkennt, wenn sie sich gegen den Überfall durch ein verbrecherisches Regime wehren. Ich bin Patriot und verstehe es, wenn Patrioten um ihr Land kämpfen.
Die große Nähe führender AfD-Funktionäre zum Präsidenten der Russischen Föderation Vladimir Putin kann und werde ich nicht mehr mittragen. Die Anbiederung der AfD an die diktatorischen und menschenverachtenden Regime in Russland, China und jetzt auch den Iran sind einer aufrechten demokratischen und patriotischen Partei unwürdig. Zu oft habe ich in den letzten Jahren mitbekommen, wie führende Funktionäre gerade für diese Länder Lobbypolitik betrieben haben. Ich dagegen will Politik für Deutschland machen. Für mich haben russische Fahnen bei einer Demonstration unter dem Motto „Deutschland zuerst“ nichts zu suchen.
Ich will weder von Russland noch von China oder den USA abhängig sein. Dazu müssen wir die deutsche Wirtschaft stärken, die Industrien zurück ins Land holen, Steuern und Abgaben massiv senken und Fachkräfte ausbilden. Selbstverständlich gehört dazu auch ein intelligentes Einwanderungsgesetz.
Die Aufrüstung der Bundeswehr halte ich nicht für irre, wie es der Parteichef sagte, sondern für dringend geboten. Wenn junge Männer und Frauen bereit sind, zum Schutz des Rechtes und der Freiheit des deutschen Volkes das eigene Leben aufs Spiel zu setzen, ist es für mich selbstverständlich, sie im Einsatz modern auszurüsten.
Deutschland steuert im Moment ungebremst auf den Abgrund zu. Doch anstatt sich um die wirklichen Probleme zu kümmern, beschäftigt sich die Politik mit wokem Unsinn, diskutiert über sogenannte „Aktivisten“, die sich in Windeln auf Straßen festkleben und darüber, wie oft man im Jahr das Geschlecht wechseln sollte.
Dieser Wahnsinn muss aufhören.
Es braucht jetzt den Zusammenhalt der Menschen im Land, die die Freiheit lieben, die Werte und Wohlstand retten möchten und sich Anstand und gesunden Menschenverstand bewahrt haben. Und vor allem braucht es den Mut, offen zu den eigenen Überzeugungen zu stehen und Spaltungen zu überwinden. Nur so ändert sich etwas in diesem Land. Es braucht eine Vernetzung der konservativ/liberalen Kräfte im Land, um von außen etwas im Inneren der Politik zu verändern. Daran arbeite ich.
Ich bin fest entschlossen, im Deutschen Bundestag weiter eine konstruktive Politik für Deutschland und die Menschen in unserer Heimat zu machen – auch über den bisherigen Rahmen meiner digitalpolitischen Kompetenz hinaus. Immer für die Freiheit.
Soweit die Stellungnahme Cotars.
Fragmentierung des Mitte-Rechts-Lagers wird zum Problem
Lukas Steinwander kommentiert: „Für die AfD hat der Weggang von Leuten wie Cotar kurzfristig keine Auswirkungen. Zum einen gibt es keine Alternative, zum anderen sind ihre Erfolge im jetzigen Entwicklungsstand ohnehin nur getrieben von externen Faktoren. Und die werden die nächsten Jahre nicht verschwinden.
Anhaltende Masseneinwanderung, wirtschaftlicher Abschwung, der das Land als Ganzes aber v.a. die privaten Haushalte trifft, eine immer radikaler werdende links-grüne Politik, die auch unpolitische Menschen aufregt – das alles spricht für ein positives Umfeld für die AfD.
Langfristig hat die Fragmentierung des Mitte-Rechts-Lagers negative Auswirkungen. Ob die bundesrepublikanische Politlandschaft mehrere rechte Parteien zuläßt, wage ich zu bezweifeln, weshalb es eine Art „rechte Sammlungspartei“ braucht, um eine relevante Größe zu erreichen.“
Austritt war schon länger abzusehen
Analysiert man den Twitteraccount Zeitgeschehen näher, so war dieser Schritt Cotars freilich schon länger absehbar. Schon am 13. November war dort zu lesen: „Tritt Cotar nicht vielleicht am 18. oder am 20.11. aus der AfD aus, wenn Scheer und Co die Gründung ihrer neuen superbürgerlichen Partei bekannt geben? Wäre das nicht vielleicht eine Erklärung für ihre zurückhaltende Aktivität in der BT-Fraktion?“
Tritt #Cotar nicht vielleicht am 18. oder am 20.11. aus der #AfD aus, wenn Scheer und Co die Gründung ihrer neuen superbürgerlichen? Partei bekannt geben? Wäre das nicht vielleicht eine Erklärung für ihre zurückhaltende Aktivität in der BT-Fraktion?
Mehr Feng Shui wagen! https://t.co/svuIVK3xfk pic.twitter.com/cReTlJjrqf— Zeitgeschehen (@Zeitgeschehen_) November 13, 2022
Tilman Steffen von der „Zeit“ sieht das so ähnlich: „AfD-MdB Joana Cotar verlässt die Partei. Das war ein langer Ausstiegsprozess, schon seit dem Sommer hatte Cotar ihre Webpräsenz von allen AfD-Spuren bereinigt.“
Büroleiter durch eine zu hohe Abrechnung an Überstunden Geld zugeschanzt?
Die für gewöhnlich stets gut unterrichtete „Junge Freiheit“ berichtet unterdessen: „Sie war immer wieder in Streit mit anderen Parteikollegen geraten. Zuletzt war ihr vorgeworfen worden, sie habe falsche Angaben bei der Zahl der Überstunden ihres Büroleiters gemacht, damit dieser mehr Geld vom Bundestag kassiere. Cotar dementierte dies. Ihr Büroleiter hat die Partei indes ebenfalls verlassen.“