Donnerstag, 21. November 2024

Papst Benedikt XV.: Der Krieg ist eine grauenhafte Schlächterei!

(David Berger) Kardinal Ratzinger wählte sich – zur Überraschung vieler den Papstnamen Benedikt. Dabei spielte nicht nur die Rolle des heiligen Benedikt von Nursia an der Wende von der untergehenden Antike hin zum Mittelalter eine entscheidende Rolle, sondern auch der letzte seiner Vorgänger, der diesen Namen trug: Giacomo della Chiesa, der 1914 als Papst Benedikt XV. den Thron des hl. Petrus bestieg und dessen 100. Todestag wir im März begehen konnten.

Aus diesem Anlass hat der bekannte Historiker Michael Feldkamp (Foto l.) das Wirken dieses Papstes im Zusammenhang auch im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg sehr anschaulich beschrieben. Um den folgenden Text besser einordnen zu können, sei hier Feldkamp zitiert:

In seiner Antrittsenzyklika vom 1. November 1914 stellte der Papst, der kirchenpolitisch in der Tradition von Kardinal Mariano Rampolla (1843–1913) und Papst Leo XIII. (1878–1903) stand, seinen Schmerz über das grausame Kriegsgeschehen heraus. Er beklagte, dass ausgerechnet hochstehende Kulturen im Krieg gegeneinander stünden. Benedikt sah im Weltkrieg den Selbstmord der europäischen Nationen. Er ließ keine Gelegenheit aus, zum Frieden aufzurufen und eine gerechte Friedensordnung einzufordern. Das Papsttum gerierte sich als „moralische Großmacht“, so der Kirchenhistoriker Georg Schwaiger.

Obwohl von absoluter Neutralität und Überparteilichkeit gekennzeichnet, wurde der Papst von den Franzosen als „Pape boche“ diffamiert und von den Deutschen wiederum als „Franzosenpapst“ verachtet. Das lag wohl auch daran, dass der Papst einen Großteil seiner diplomatischen Korrespondenz mit den Regierungen in aller Welt sowie den internationalen Organisationen und Verbänden durchweg in Französisch hielt. Umgekehrt hatte aber der Papst vor allem bei der deutschen und der österreich-ungarischen Regierung intensiv für Friedensverhandlungen geworben. Die deutsche Regierung verzichtete unter Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg (1909–1917), Kriegsziele festzulegen, um bei Friedensangeboten einen größeren Spielraum zu haben […]

Nachdem der Heilige Stuhl vergeblich bemüht war, auch die anderen Kriegsgegner zu Friedensverhandlungen zu bewegen, überraschte er mit seiner päpstlichen Friedensnote vom 1. August 1917, dem dritten Jahrestag des Kriegsbeginns. Auch die Mittelmächte waren von den Friedensbemühungen des Papstes wenig überzeugt, wollten aber nicht gleich in Fundamentalopposition gehen. Kaiser Karl lehnte die päpstlichen Vorschläge zur Lösung der Trient-Frage ab. Hatten die Diplomaten sich noch in vertraulich-wohlwollender Weise zusammengerauft, wechselten die Staaten in der öffentlichen Debatte zu schroffen Tönen über. Die päpstliche Friedensinitiative war gescheitert. Der Vatikan konzentrierte sich fortan nur noch auf Hilfsleistungen, schickte Verbandsmaterial und Lebensmittel und richtete einen Suchdienst für Vertriebene und Vermisste ein.“ (Quelle)

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Papst Benedikt XV.: An die kriegführenden Völker und deren Oberhäupter!

Als wir ohne unser Verdienst auf den Apostolischen Stuhl berufen wurden zur Nachfolge des friedliebenden Papstes Pius X., dessen heiliges und segensreiches Leben durch den Schmerz über den in Europa entbrannten Bruderzwist verkürzt wurde, da fühlten auch wir mit einem schaudernden Blick auf die blutbefleckten Kriegsschauplätze den herzzerreißenden Schmerz eines Vaters, dem ein rasender Orkan das Haus verheerte und verwüstete. Und wir dachten mit unausdrückbarer Betrübnis an unsre jungen Söhne, die der Tod zu Tausenden dahinmähte, und unser Herz, erfüllt von der Liebe Jesu Christi, öffnete sich den Martern der Mütter und der vor der Zeit verwitweten Frauen und dem untröstlichen Wimmern der Kinder, die zu früh des väterlichen Beistands beraubt waren. Unsre Seele nahm teil an der Herzensangst unzähliger Familien und war durchdrungen von den gebieterischen Pflichten jener erhabenen Friedens- und Liebesmission, die ihr in diesen unglückseligen Tagen anvertraut war. So faßten wir alsbald den unerschütterlichen Entschluß, all unsre Wirksamkeit und Autorität der Versöhnung der kriegführenden Völker zu weihen, und dies gelobten wir feierlich dem göttlichen Erlöser, der sein Blut vergoß, auf daß alle Menschen Brüder würden.

Die ersten Worte, die wir an die Völker und ihre Lenker richteten, waren Worte des Friedens und der Liebe. Aber unser Mahnen, liebevoll und eindringlich wie das eines Vaters und Freundes, verhallte ungehört! Darob wuchs unser Schmerz, aber unser Vorsatz wurde nicht erschüttert. Wir ließen nicht ab, voll Zuversicht den Allmächtigen anzurufen, in dessen Händen Geist und Herzen der Untertanen und Könige liegen, und flehten ihn an, die fürchterliche Geißel des Krieges von der Erde zu nehmen. In unser demütiges und inbrünstiges Gebet wollten wir alle Gläubigen einschließen, und, um es wirksamer werden zu lassen, sorgten wir dafür, daß es verbunden wurde mit Übungen christlicher Buße. Aber heute, da sich der Tag jährt, an dem dieser furchtbare Streit ausbrach, ist unser Herzenswunsch noch glühender, diesen Krieg beendigt [172] zu sehn; lauter erhebt sich unser väterlicher Schrei nach Frieden. Möge dieser Schrei das schreckliche Getöse der Waffen übertönen und bis zu den kriegführenden Völkern und ihren Lenkern dringen, um die einen wie die andern mildern und ruhigern Entschlüssen geneigt zu machen.

Im Namen des allmächtigen Gottes, im Namen unsres himmlischen Vaters und Herrn, bei Jesu Christi benedeitem Blute, dem Preis der Menschheitserlösung, beschwören wir euch, euch von der göttlichen Vorsehung an die Spitze der kriegführenden Völker Gestellte, endlich dieser grauenhaften Schlächterei ein Ende zu setzen, die nun schon ein Jahr Europa entehrt. Bruderblut tränkt das Land und färbt das Meer. Die schönsten Landstriche Europas, des Gartens der Welt, sind besät mit Leichen und Trümmern; da, wo kurz zuvor noch rege Tätigkeit der Fabriken und fruchtbare Feldarbeit herrschten, hört man jetzt den schrecklichen Donner der Geschütze, die in ihrer Zerstörungswut weder Dörfer noch Städte verschonen, sondern überall Gemetzel und Tod säen. Ihr, die ihr vor Gott und den Menschen die furchtbare Verantwortung für Krieg und Frieden tragt, erhört unser Gebet, hört auf die väterliche Stimme des Stellvertreters des ewigen und höchsten Richters, dem auch ihr über euer öffentliches und privates Tun Rechenschaft ablegen müßt.

Die großen Reichtümer, mit denen der Schöpfer eure Länder gesegnet hat, erlauben euch, den Kampf fortzusetzen; aber um welchen Preis! Das sollen die Tausende der jungen Menschen beantworten, die täglich auf den Schlachtfeldern dahinsinken. Das sollen die Trümmer so vieler Flecken und Städte beantworten, die Trümmer so vieler der Frömmigkeit und dem Geist der Vorfahren geweihter Monumente. Und wiederholen nicht die bittern, in häuslicher Verschwiegenheit oder an den Stufen der Altäre vergossenen Tränen, daß dieser Krieg, der schon so lange dauert, viel kostet, zu viel?

Niemand sage, daß dieser grausige Streit sich nicht ohne Waffengewalt schlichten ließe. Möge doch jeder von sich aus dem Verlangen nach gegenseitiger Vernichtung entsagen, denn man überlege, daß Völker nicht sterben können. Erniedrigt und unterdrückt tragen sie schaudernd das Joch, das man ihnen auferlegte, und bereiten den Aufstand vor. Und so überträgt sich von Generation zu Generation das traurige Erbe des Hasses und der Rachsucht.

Warum wollen wir nicht von nun ab mit reinem Gewissen die Rechte und die gerechten Wünsche der Völker abwägen? Warum wollen wir nicht aufrichtigen Willens einen direkten oder indirekten Meinungstausch beginnen, mit dem Ziel, in den Grenzen des Möglichen diesen Rechten und Wünschen Rechnung zu tragen, und so endlich dieses schreckliche Ringen zu beendigen, wie das in andern Fällen unter ähnlichen Umständen geschah? Gesegnet sei, wer als erster den Ölzweig erhebt und dem Feind die Rechte entgegenstreckt, ihm den Frieden unter vernünftigen Bedingungen anbietet! Das Gleichgewicht der Welt, die gedeihliche und gesicherte Ruhe der Völker beruht auf dem gegenseitigen Wohlwollen und auf dem Respekt vor Recht und Würde des andern, viel mehr als auf der Menge der Soldaten und auf dem furchtbaren Festungsgürtel.

Grab Benedikts XV. (c) CanonLawJunkie, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

Dies ist der Schrei nach Frieden, der an diesem traurigen Tage besonders laut aus uns herausbricht; und alle Freunde des Friedens in der Welt laden wir ein, sich mit uns zu vereinen, um das Ende des Krieges zu beschleunigen, der, ach, schon ein Jahr lang Europa in ein riesiges Schlachtfeld verwandelt hat. Möge Jesus in seiner Barmherzigkeit durch die Vermittlung seiner schmerzensreichen Mutter bewirken, daß still und strahlend nach so entsetzlichem Unwetter endlich die Morgenröte des Friedens anbreche, das Abbild seines erhabenen Antlitzes. Mögen bald Dankgebete für die Versöhnung der kriegführenden Staaten emporsteigen zum Höchsten, dem Schöpfer alles Guten; mögen die Völker, vereint in brüderlicher Liebe, den [173] friedlichen Wettstreit der Wissenschaft, der Künste und der Wirtschaft wiederaufnehmen, und mögen sie sich, nachdem die Herrschaft des Rechts wiederhergestellt ist, entschließen, die Lösung ihrer Meinungsverschiedenheiten künftig nicht mehr der Schärfe des Schwertes anzuvertrauen, sondern den Argumenten der Billigkeit und Gerechtigkeit, in ruhiger Erörterung und Abwägung. Das würde ihre schönste und glorreichste Eroberung sein!

In dem sichern Vertrauen, daß sich diese ersehnten Früchte zur Freude der Welt bald am Baum des Friedens zeigen werden, erteilen wir unsern Apostolischen Segen allen Gliedern der uns anvertrauten Herde; und auch für die, die noch nicht der römischen Kirche angehören, beten wir zum Herrn, daß er sie mit uns vereinen möge durch das Band seiner unendlichen Liebe.

Rom, Vatikan, 28. Juli 1915.

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