Samstag, 27. Juli 2024

Siegfried und Hagen in Madrid

Madrid findet einen mutigen, kreativen Ansatz zur Bewältigung der Corona-Krise, während die BRD weiter auf das Einsperren ihrer Bürger setzt. Das Opernhaus wagt sich sogar an eine Inszenierung des Siegfried. Derweil ist in der BRD ein weiteres Opfer der politischen Inquisition zu beklagen. Ein Gastbeitrag von Dr. Bernd Fischer

Während in der BRD das kulturelle Leben unter Inkaufnahme der Vernichtung unzähliger Existenzen und der Verödung unseres elementaren Bedürfnisses, schöne Dinge zu erfahren und mit anderen zu teilen, fast gänzlich auf null gefahren wurde, hat Madrid couragiert einen anderen Weg beschritten, einen nicht trivialen. Dort blieben die kulturellen Institutionen weitgehend geöffnet, und insbesondere auch das Teatro Real. Nicht nur werden dort durchgehend Opern im Stagione-System gegeben (in den Monaten März bis Juli folgen u.a. noch Peter Grimes, Orlando Furioso (Vivaldi) und Tosca), im Februar/März wagte man sich sogar an den Siegfried von Richard Wagner heran. Zwar kommt im Siegfried, wie auch in den anderen Teilen des Rings des Nibelungen (mit Ausnahme der Götterdämmerung), kein Chor vor, was für die „Corona-Tauglichkeit“ spricht, aber die Platzierung des vollen Orchesters mit circa 90 Musikern stellt eine größere Herausforderung dar. Und es war das volle Orchester, das man aufbot! Um dies alles —die Platzierung des Orchesters, die Sicherheitsvorkehrungen für die Sänger, die Angestellten der Oper und die Zuschauer— zu realisieren, erarbeitete man ein umfangreiches Konzept. Ein Teil der Musiker wurde in den Seitenlogen platziert, während der Dirigent durch Plexiglasumfassung abgeschirmt wurde. Ferner wurde die Lüftungsanlage optimiert und bei den Zuschauern bei Eintritt die Temperatur gemessen. Ja, man hatte selbst daran gedacht, nach dem zweiten Akt neue Masken zu verteilen, da die medizinischen Masken nicht für die Dauer der gesamten Oper genügten! Wie wohltuend war es zu erkennen, wie man sich den Herausforderungen couragiert stellte!

Scheinbar hat dieses Konzept Erfolg, denn bislang wurden keine Ansteckungen unter den Musikern und Zuschauern bekannt. Warum ist so etwas in der BRD nicht möglich? Warum geht da nur Einsperren und abermals Einsperren? Durch die Corona-Krise wird einmal mehr schmerzhaft aufgedeckt, zu wie Wenigem die BRD noch imstande ist. Immer wieder wird der einfache aber unehrenhafte Weg der bedingungslosen Kapitulation vor dem Virus gewählt. Zwar gab es im Spätfrühling 2020 Aufführungen in den Opernhäusern der BRD, doch diese waren hasenfußartig mit völlig überzogenen Sicherheitskonzepten und resultierten in einer künstlerischen Atmosphäre (mit vielleicht 30% vergebener Sitze), die eher der in einem Kühllager glich als an einem Ort der künstlerischen Inspiration und Freude! Schließlich wurden sogar diese Notveranstaltungen ganz untersagt. Vielleicht benötigen die Bürger der BRD mittlerweile solche herabwürdigen, im „Kampf“ gegen Corona reichlich nutzlosen Maßnahmen, sei es, weil es ihnen per Autosuggestion den Glauben an diesen Kampf einflößt, sei es, weil die Propaganda der Verbotsparteien mittlerweile so erfolgreich war, dass ihnen die Abschaffung der Grundrechte als allzu natürlich erscheint!? Ein kurzes historisches Faktum sei einmal nur so zum Vergleich angefügt. Die Berliner Philharmoniker gaben ihr letztes Konzert vor Ende des Zweiten Weltkriegs im April 1945 und das erste Konzert nach Kriegsende bereits wieder im Mai. Andere Zeiten…

Sieht man einmal von den leeren Plätzen (es konnten nur etwas über 50% der Sitze vergeben werden) und der durchgängigen Maskenpflicht ab, dann lässt einen ein solcher Abend in der Oper für eine kurze Zeit die Pandemie vergessen, da es sich beinahe wie ein normaler Abend in der Oper anfühlte. Selbst die Bewirtungsbereiche in der Oper hatten geöffnet, denn auch dafür konnte ein Konzept auf der Basis von Voranmeldungen erarbeitet werden, bei dem Speisen nur an einem Tisch verzehrt werden durften. Es war übrigens auch musikalisch ein gelungener Abend. Das Orchester, unter der Leitung von Pablo Heras-Casado, war gut disponiert, auch wenn es natürlich nicht ein Niveau vergleichbar mit jenem in Berlin oder München erreichte. Insbesondere fehlte es ein wenig an der dynamischen Auffächerung der Partitur. Piano-Stellen klangen nicht immer piano, sodass die dynamischen Effekte nicht die Wirkung erzielen, die man bei wirklich beseelten Vorführungen erlebt. Die Sänger spiegelten das wider, was heutzutage beim Wagnergesang erreicht werden kann. Es handelte sich um die üblichen Verdächtigen, auf die man auch in den anderen großen internationalen Opernhäusern (Andreas Schager, Andreas Conrad, Ricarda Merbeth) setzt. Wirklich herausragend war lediglich Tomasz Konieczny, der mit seiner schönen Bassbaritonstimme die Rolle des Wotans mittlerweile auch in sprachlicher Hinsicht souverän meistert. Er muss diszipliniert an der Diktion gearbeitet haben, denn früher war sein Deutsch doch sehr von den polnischen Vokaldehnungen beeinträchtigt. Diese waren an diesem Abend kaum mehr vernehmbar. Bei der Inszenierung handelte es sich übrigens um die alte Kölner Inszenierung von Robert Carsons. Die beiden Klippen dieses Stückes (Drachenszene und Feuerwall) wurden geschickt gelöst (als Drache diente eine von oben einschwebende Baggerschaufel). Abgesehen von diesen Stellen bietet der Siegfried kaum besondere Profilierungsmöglichkeiten für den Regisseur, da die Schmiedeszene musikalisch genau ausgeformt ist und es sich ansonsten eigentlich um ein Konversationsstück handelt. Ach ja, im ersten Akt kam mal wieder der Wohnwagen vor, mittlerweile eine der Lieblingsrequisiten der Regisseure.

Ketzerjagd in der BRD – Der Fall Stefan Mickisch

Passend zu Wagner ereilte mich in Madrid die Nachricht vom Tod Stefan Mickischs, des begnadeten Musikerklärers und Pianisten. Ich dachte an die vielen wunderbar inspirierten Vorträge, die Mickisch während der Festspiele in Bayreuth gegeben hatte. Vor zwei Jahren traf ich ihn noch im Hotel Anker. Vorbei! Es hieß zuletzt, er habe an Depressionen gelitten. In der Presse liest man gar über Gerüchte, er hätte Selbstmord begangen. Im letzten Jahr machte ihn eine allerdings sehr törichte Bemerkung auf Facebook zum Nichtberührbaren in der BRD. Er hatte es gewagt sich mit Hans Scholl zu vergleichen und das politische System der BRD mit dem des Nationalsozialismus! Dabei wollte er lediglich seine Kritik an der Corona-Politik in der BRD zum Ausdruck bringen. Ja, er hat maßlos überzogen, er hätte es anders formulieren müssen. Aber rechtfertigte dies wirklich die Wucht des Inquisitionsprozesses, der über ihn hereinbrach? Gehört man zum (links-grünen) Juste Milieu, dann wird einem in der BRD so manches verziehen. Dann darf man Polizisten als Müll bezeichnen, AFD-Mitgliedern das Menschsein absprechen und vieles mehr. Es findet sich dann stets ein Winkeladvokaten-Kniff, der die Entgleisung als einen Akt des Idealismus, der Satire oder als etwas Vergleichbares erscheinen lässt.  Als Höchststrafe erhält man maximal eine Einladung beim Bundespräsidenten (eine allerdings nicht unerhebliche Strafe). Aber für Mickisch gab es keine Aussicht auf Erlösung mehr. Zu absolut war die Verdammnis durch das Juste Milieu. „…so bist nun ewig du verdammt! Wie dieser Stab in meiner Hand nie mehr sich schmückt mit frischem Grün, kann aus der Hölle heißem Brand Erlösung nimmer dir erblühn!“ Die linken Aktivisten und der überwiegende Teil der Presse leisteten ganze Arbeit bei der Vernichtung von Mickischs (beruflicher) Existenz.

Zu beobachten war bei der Behandlung des Falls Mickisch auch das Phänomen des politischen Opportunismus, in Form von besonders öffentlichkeitswirksamen Bannsprüchen. Dies hat in Deutschland ja auch eine lange Tradition. Man denke etwa an den offenen Brief, den eine Reihe bedeutender Münchener Bürger (u.a. Hans Pfitzner, Richard Strauss und  Olaf Gulbransson)  unter Führung von Hans Knappertsbusch 1933 gegen Thomas Mann gerichtet hatten. In seinem Essay „Leiden und Größe Richard Wagners“ hatte es Mann gewagt, vom Dilettantismus‘ Wagners zu sprechen, womit er wohl in erster Linie auf Wagners Vision abzielte, ganz unterschiedliche Kunstformen in einem Gesamtkunstwerk zu vereinen. Dieser Brief trug zum einen nicht unerheblich dazu bei, dass Manns Position in Nazi-Deutschland zunehmend unhaltbar wurde, zum anderen hatte es aber auch den Effekt, dass einige der Unterzeichner, die Manns Essay womöglich gar nicht richtig kannten, sich bei dieser Gelegenheit bei den neuen Machthabern als sehr gefügig erweisen konnten. (Näheres darüber in: Hans Rudolf Vaget, „Wehvolles Erbe“, Richard Wagner in Deutschland, S. Fischer)

In der Causa Mickisch tat sich insbesondere der Direktor des Richard-Wagner-Museums in Bayreuth, Sven Friedrich, hervor. Er erteilte Mickisch umgehend über Facebook(!) Hausverbot für Wahnfried. Zudem entzog er seinem langjährigen Duzfreund das vertrauliche „Du“. Hierzu ist generell anzumerken, dass man sich immer gut überlegen sollte, mit wem man sich duzt — also zumindest galt dies einmal so, sagen wir: in der Welt der alten BRD; heutzutage in der Welt des rasanten Werteverfalls ist es ja nichts Besonderes mehr, sich zu duzen —, denn die Rücknahme dieser Vertraulichkeit hat immer etwas stark Peinliches, etwas Loriothaftes. („Herr Müller-Lüdenscheid! Ab jetzt bitte: Sie Arschloch!“) Besonders affektiert und unsäglich peinlich ist es aber, das „Du“ öffentlich zu entziehen, noch dazu über ein soziales Netzwerk. “Schau her! Ich, entziehe dir nun das ‚Du‘ und das ist aus meiner Sicht die Höchststrafe, denn ICH bin wichtig und bedeutsam, sodass es für DICH (bzw. Sie) ein großer Verlust ist. Und ich —im Gegensatz zu dir nunmehr Verdammten— stehe nun umso fester auf der Seite des Juste Milieus, indem ich mich von Dir abstoße, wie ein Schwimmer vom Beckenrand!“ Mickisch schien offensichtlich krank zu sein und an der Welt und an sich selbst zu leiden. Mit Kranken sollte man anders umgehen, auch wenn es schwerfällt. Man sollte ihnen gewiss nicht wie Hagen den Speer in den Rücken rammen.

Reisen bildet bekanntlich, und so dienten auch die Erlebnisse in Madrid dazu, die Absurdität mancher Vorgänge auf dem Narrenschiff BRD, vor denen es auch im Ausland kein Entrinnen gibt, besser zu begreifen. Ich tröstete mich mit diesem Gedanken: „Noch muss ich nicht wieder zurück!“

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Zum Autor: Dr. Bernd Fischer hat viele Jahre in leitenden Positionen in der Finanzindustrie gearbeitet. Er ist ausgebildeter Physiker und promovierter Mathematiker.

Seit ca. einem Jahr auch freiberuflicher Schriftsteller.

Mehr von ihm finden Sie auf seinem Blog www.philippicae.de.

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