Rassismus und Klimarettung: Was päpstliche Wappen verraten

Theologische Wappenkunde. Eine Satire von Frank Steinkron

Vielfach hat die moderne Theologie Fortschritte erzielt: nicht nur, weil es ihr gelungen ist, mithilfe der kritischen Exegese tradierte Mythen zu dekonstruieren, sondern auch, weil sie endlich zu ihren eigentlichen Kernthemen gefunden hat: Anti-Rassismus, soziale Diskriminierung, Feminismus, Klimarettung, Interkulturalität und Gendergerechtigkeit.

Ein Feld indes hat sie sich noch nicht erschlossen, obwohl dieses gleichfalls ein hohes Erkenntnispotential birgt: die päpstliche Heraldik, die viel über das Selbstverständnis der jeweiligen Amtsträger aussagt. Hier der erste Ansatz einer kritischen Aufarbeitung.

Das Wappen von Benedikt XVI.

(c) Piotr Michał Jaworski; PioM EN DE PL for Commons. / CC BY-SA 3.0

Traditionell-mythische Deutung:

Das linke (heraldisch gesehen rechte) goldene Feld zeigt den sogenannten Freisinger Mohren, ein heraldisches Motiv des Bistums München-Freising, dem Joseph Ratzinger als Erzbischof vorstand. Möglicherweise handelt es sich bei dem Mohren um einen getauften äthiopischen König, vielleicht auch um einen der drei Weisen aus dem Morgenland.

In beiden Deutungsvarianten spielt der Mohr auf die Bekehrung der Heiden zum Christentum an. Das rechte (heraldisch linke) goldene Feld enthält den Bären des heiligen Korbinian, des ersten Bischofs von Freising. Der Legende nach wollte der Bär den Heiligen auf dessen Pilgerfahrt nach Rom töten, trug dann aber, von Korbinian gezähmt, dessen Gepäck über die Alpen. Das untere Feld trägt eine Muschel: Zeichen für die irdische Pilgerschaft aller Gläubigen, aber auch für die Unergründlichkeit der göttlichen Natur, die sich Augustinus zufolge durch den menschlichen Geist noch weniger fassen lässt als die Wasser der Weltmeere in einer Muschel.

Kritische Deutung:

Die Darstellung eines ‚Mohrenkopfes’ spielt nicht nur auf eine wahrhaft geschmacklose Süßspeise an, mit der Menschen schon im Kindesalter rassistisch vergiftet werden. Im Sinne des noch immer stark verbreiteten katholischen Klerikalimperialismus steht das – ganz offensichtlich abgeschlagene – Haupt eines hochpigmentierten Menschen auch für Zwangsmissionierung, Versklavung und Ausrottung der indigenen Bevölkerung Afrikas. Die dicken Lippen und der große Ohrring bedienen übelste Stereotype. Der als Packtier missbrauchte Bär, der unter der schweren Last bereits hechelnd die Zunge heraushängen lässt, verweist auf die grausame Ausbeutung und nicht artgerechte Haltung von Wildtieren.

Dies wiederum ist bezeichnend für eine reaktionäre Schöpfungstheologie, die davon ausgeht, dass der Mensch sich die Erde untertan machen soll. In diesem Sinne verweist die Muschel auf einen global tätigen Ölkonzern, der nicht nur Raubbau an Mensch und Natur betreibt, sondern auch in hohem Maße die Umwelt und das Klima schädigt. Nicht zuletzt sind Gold und Rot klassische Herrscherfarben, die jedem Verständnis von Demokratie und Gleichheit entgegenstehen.

Das Wappen von Franziskus

 

Traditionell-mythische Deutung

Auf blauem Grund befindet sich das Emblem des Jesuitenordens, dem Jorge Maria Bergoglio angehört: das griechische Monogramm Jesu (mit den Buchstaben I für Jota, H für Eta, S für Sigma) wird von einer himmlischen Strahlenglorie hinterfangen. Der mittlere Buchstabe trägt in Anspielung auf die Vision von La Storta, die Ignatius von Loyola zur Gründung des Jesuitenordens veranlasste, ein Kreuz als Sinnbild dafür, dass Jesus im Gehorsam zu Gott die Last des Kreuzes auf sich nahm.

Auf die Passion Christi spielen ferner die drei Eisennägel an. Der untere Teil des Schildes ist mit einem achtzackigen Stern und einer Nardenähre besetzt. Letztere ist in der hispanischen Ikonographie ein Attribut des heiligen Josef, des Nährvaters Jesu und des Patrons der Weltkirche. Der (Meer-)Stern steht für Maria, die Mutter Christi und Patronin der Kirche. Außerdem spielt er auf Bergoglios zweiten Vornamen an. Zusammen erinnern die Christus-, die Marien- und die Josephsattribute an die Heilige Familie.

Kritische Deutung

Der blaue Grund steht für einen klaren Himmel und damit für eine saubere Umwelt. Die von keiner Wolke verdeckte Sonne erinnert an die Solarenergie, die drei Buchstaben bezeichnen, was Kirche von heute ist: eine International Human Society. Die Nägel und das Kreuz erinnern daran, dass Jesus der Sohn eines Zimmermanns war und sich im Sinne der Befreiungstheologie mit den Leiden der werktätigen Bevölkerung solidarisch zeigte. Die Narde stammt aus dem Himalaya, wo sie zur Gewinnung ätherische Öle genutzt wird.

Somit steht sie für eine die engen Grenzen des katholischen Dogmas überwindende interkulturelle Spiritualität. Ferner verkörpert sie den in diesen Regionen noch üblichen biologischen Anbau. Nicht zuletzt impliziert ihre Darstellung einen Aufruf zur politischen Autonomie Tibets. Mit dem Stern schließlich bekennt Papst*in Franziskus sich zur gendergerechten Sprache und – in Verbindung mit Maria – zur feministische Theologie (Maria 2.0). 

Fazit

Es bestätigt sich, was man schon immer ahnte: Benedikt wollte die Kirche auf geradem Wege ins finstere Mittelalter zurückführen, wohingegen Franziskus sie über die verschlungenen Windungen des Amazonas in eine lichte Zukunft führt.

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