Donnerstag, 21. November 2024

CDU am Scheideweg

Nach der gescheiterten Ära Kramp-Karrenbauer steht die Volkspartei erneut vor einer Kampfkandidatur – und einer Richtungsentscheidung. Ein Gastbeitrag von René Nehring

Nun herrscht also Klarheit, zumindest personell. Nach dem angekündigten Rückzug Annegret Kramp-Karrenbauers vom Vorsitz der CDU war in den vergangenen Wochen ungeduldig spekuliert worden, wer ins Rennen um die Nachfolge „AKKs“ – und eines Tages auch Angela Merkels als Bundeskanzlerin – eintreten würde. Spätestens nach der Wahlklatsche in Hamburg am vergangenen Sonntag war klar, dass der von der scheidenden Vorsitzenden angestrebte Zeitplan hinüber war.

Mit den Ankündigungen des Duos Armin Laschet/Jens Spahn sowie des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz, auf einem Sonderparteitag im April für den CDU-Vorsitz zu kandidieren, ist klar, dass die wichtigste deutsche Partei erneut vor einer Kampfkandidatur steht. Zuvor hatte bereits Norbert Röttgen seinen Hut in den Ring geworfen, ihm werden jedoch nur geringe Chancen eingeräumt.

Dass die CDU nicht nur vor einer Personalfrage steht, sondern auch vor einer Richtungsentscheidung, machte vor allem Friedrich Merz deutlich. Bei der Verkündung seiner Bewerbung sprach er davon, dass die Partei die Wahl habe zwischen der „Kontinuität“ zur Ära Merkel – für die seine Mitbewerber stünden – und dem „Aufbruch“ aus der Lethargie der letzten Jahre, für den er selbst stehe. Scharf kritisierte er insbesondere den Kontrollverlust über die Grenzen des Landes seit 2015 und erklärte, dass eine Regierung, die dies zulasse, sich nicht zu wundern brauche, wenn sie das Vertrauen der Wähler verliert. Ausdrücklich erklärte Merz, die abgewanderten konservativen und liberalen Wähler zurückgewinnen zu wollen.

Ganz anders präsentierten sich Laschet und Spahn, die mit der Verkündung ihrer Kandidatur Merz eine Stunde zuvorgekommen waren und somit einen ersten Coup landeten. Dass der mächtige Ministerpräsident von NRW und der ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen stammende Gesundheitsminister als Duo – der eine für den Vorsitz, der andere für den Stellvertreterposten – antreten, war das zweite Überraschungsmoment. Während Merz lediglich vage ankündigte, zum Parteitag „eine Frau“ als Generalsekretärin vorschlagen zu wollen, können sich Laschet und Spahn schon jetzt als Duo präsentieren, das für die Einheit der CDU stehe. In einer hoch verunsicherten Volkspartei ist das durchaus ein Wert an sich

Wer das Rennen um den Vorsitz gewinnen wird, ist derzeit noch offen. Merz ist zweifellos der Wunschkandidat all derjenigen, die der Union in der Ära Merkel den Rücken gekehrt haben oder in eine Art innere Emigration gegangen sind. Und doch darf bezweifelt werden, dass er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen würde.

Neben der Skepsis, dass ein noch so populärer Vorsitzender im Alleingang die Koordinaten einer Partei neu ausrichten könnte, hat Merz – wie schon 2018 bei seiner Kampfkandidatur gegen AKK, als er die Stimmen der Jungen Union auf seiner Seite wähnte – auch diesmal taktische Fehler gemacht. So kokettierte er wiederholt öffentlich damit, der geschundenen Partei helfen zu wollen, wenn dies gewünscht sei – und zögerte doch mit der offiziellen Bekanntgabe seiner Kandidatur. Viel schwerer wiegt sein Schweigen am Wahlabend von Hamburg. Hätte er sich am vergangenen Sonntag vor die Mikrofone gestellt und eine aufmunternde Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede gehalten – das Rennen um den CDU-Vorsitz wäre entschieden gewesen, bevor es überhaupt begonnen hat. Gleichwohl sprechen für Merz noch immer seine rhetorischen Fähigkeiten und seine hohe Popularität an der Parteibasis.

Für Laschet und Spahn sprechen andere Faktoren. Mit ihrer überraschenden Einigung und dem Zeitpunkt ihrer Kandidatur-Bekanntgabe eine Stunde vor Merz bewiesen die beiden nicht nur ein Geschick für das richtige Timing, sondern auch einen klaren Willen zur Macht. Nicht zu unterschätzen ist, dass es einem als „Merkelianer“ geltenden Kanzler Laschet eher möglich wäre, politische Kursänderungen vorzunehmen als einem permanent unter „Rechtsruck“-Verdacht stehenden Friedrich Merz. Einem Armin Laschet könnte die SPD, die als Koalitionspartner für die Neubesetzung des Kanzleramts ein Wort mitzureden hat, die Zustimmung kaum verweigern. Nicht zuletzt hätte das einflussreiche Duo Laschet/Spahn deutlich mehr Macht, die Ära Merkel vorzeitig zu beenden, um mit dem Amtsbonus in die nächste Bundestagswahl zu gehen. Friedrich Merz hingegen bliebe als Parteivorsitzender wie seine Vorgängerin AKK ein König ohne Land.

Der Beitrag erschien zuerst bei PREUSSISCHE ALLGEMEINE

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