Donnerstag, 21. November 2024

Wie uns die Angst vor dem linken wie rechten Faschismus ausgetrieben wird

Bisher hatte ich Angst vor Faschismus, war bis vor wenigen Jahren eher links orientiert und ein Gegner dieser Herrschaftsform, dem Schreckensregime der Nationalsozialisten. Wenn nun auch AfD-Leute zu Faschisten erklärt werden, laufe ich Gefahr, die Angst vor wirklichem Rechts- oder Links-Faschismus zu verlieren. Damit stehe ich vermutlich nicht alleine. Ein Gastbeitrag von Albrecht Künstle

Die erneute Wahl von Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten von Thüringen wäre schon rechnerisch schwierig gewesen, denn seine rot-rot-grüne Koalition hat bei der letzten Wahl die Mehrheit im Landtag verloren. Die stärkste Kraft wurde die LINKE, die aber mit den dortigen Splitterparteien SPD und Bündnis-Grüne mit nur 8 und 5 Sitzen gemeinsame Sache machen will.

Die drittstärkste Partei CDU könnte den Ministerpräsidenten stellen, gäbe es nicht ihren Beschluss „nicht mit den Rändern“. Das Problem ist, dass die CDU ausgerechnet die beiden stärksten Parteien LINKE und AfD zu den Rändern erklärt hat, nicht etwa die Splitterparteien SPD, FDP und Bündnis-Grüne. Alle drei zusammen bringen es auf weniger Stimmen als die AfD.

Die mediale Schmutzkampagne nahm ihren Lauf

Insofern war die Wahl des FDP-Kandidaten Kemmerich nicht weniger ausgefallen, weil diese Partei wie die Bündnis-Grünen die kleinste Fraktion stellt. Und so kam es, dass die Wahl im dritten Wahlgang auf Kemmerich fiel – und die unterlegenen Fraktionen aus allen Wolken.Von dieser Minute an nahm die mediale Schmutzkampagne ihren Lauf. Und die Steigbügelhalterin von Ramelow warf dem gewählten Ministerpräsidenten ihren Blumenstrauß vor die Füße. So ein Benehmen kennt man eigentlich nur aus den USA, wo die Rede des Präsidenten von der Chefin der „Demokraten“ vor laufender Kamera demonstrativ zerrissen wurde.

Tabubruch

Hier soll aber der Sprachgebrauch hinterfragt werden, zu dem sich die Medien und die selbsternannten Saubermänner der Nation hinreißen lassen:

Tabubruch. Soll heißen, von bestimmten Abgeordneten lässt man sich nicht wählen? Dann könnte man diesen doch einfacher das Wahlrecht entziehen? Oder noch einfacher wie es Hitler machte, gegnerische Partei verbieten? Oder solche Leute wie in Indien zur Kaste der Unberührbaren erklären?

Unverzeihlich. So ein Vorwurf könnte z.B. nicht aus einer „christlichen“ Partei kommen, da Vergebung zu deren Anspruch gehört. Aus welcher Partei kam das noch und von wem?

Führungsmangel. Der Ruf nach Führung macht nur Sinn, wenn einem selbst nichts mehr einfällt und man sich lieber führen lassen will. Ist es wieder soweit, dass wir einen Führer/in brauchen?

Krise. Dieses Wort wird geradezu inflationär für alles gebraucht. Brauchen wir denn wieder einmal eine wirkliche Krise, um wieder angemessener mit diesem Begriff umzugehen?

Katastrophe. Kinder und Jungwähler, die in der Zeitung im Zusammenhang mit Wahlergebnissen solche Titulierungen lesen, könnten den Respekt vor einer wirklichen Katastrophe verlieren.

Erdbeben. Ist es ein Erdbeben, wenn eine Wahl anders ausgeht als die Parteistrategen aus Berlin das vorher abgesprochen hatten? Dann könnte man doch einfach die Wählerei abschaffen?

Rechtssichere Lizenz zum Rufmord für Linksextreme

Faschisten. Seit ein Richterlein (nicht in einem Hauptsacheverfahren, sondern im Rahmen einer Einstweiligen Anordnung) Demonstranten erlaubte, bestimmte Personen einer bestimmten Partei Faschisten zu nennen, wird davon hemmungsloser Gebrauch gemacht. Jetzt gibt es anscheinend für „jedermann“ eine rechtssichere Lizenz zum Rufmord. Kaum ein Politiker und Meinungsmacher der Medien lässt diese neue Gelegenheit aus, ihr verbales Gift zu verspritzen.

(c) Twitter

Bisher hatte ich Angst vor Faschismus, war bis vor wenigen Jahren eher links orientiert und ein Gegner dieser Herrschaftsform, dem Schreckensregime der Nationalsozialisten.

Wenn nun auch AfD-Leute zu Faschisten erklärt werden, laufe ich Gefahr, die Angst vor wirklichem Rechts- oder Links-Faschismus zu verlieren. Damit stehe ich vermutlich nicht alleine.

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