(David Berger) „Er hat nichts gegen Juden in dem Sinne. Er hat was gegen die Leute, die hinter der finanziellen Macht stehen – wer hat das nicht?“ soll die Mutter des Halle-Attentäters dem „Spiegel“ gesagt haben. Damit hat sie nur zum Ausdruck gebracht, was im extrem rechten Sumpf und bei Verschwörungstheoretikern Grundüberzeugung ist.
Als ich das gestern zum ersten mal las, wurde mir auf einmal klar: Das sind genau die Sprüche, die innerhalb neurechter Kreise und bei rechtsradikalen Verschwörungstheoretikern (unter ihnen selbst Rechtsanwältinnen und Ärzte) zum Grundrepertoire ihrer Äußerungen „unter Patrioten“ gehören.
Ich habe in den letzten Jahren als PP-Macher hunderte an Mails bekommen, immer wieder Kommentare löschen müssen, die genau diese These immer wieder vertreten haben. Zum völligen Unverständnis der Antisemiten, die immer wieder argumentierten: sie würden doch nur das schreiben, was ohnehin alle denken und daraufhin spekulierten, ob ich von der „Juden-Mafia“ erpresst oder vom Mossad und den jüdischen Freimaurern finanziert werde… Inzwischen bin ich allerdings bei diesen Leuten aufgrund meiner Sympathien für Israel und meiner kompromisslosen Ablehnung des Antisemitismus zum „Feindzeugen“ aufgestiegen.
Nicht immer so ordinär, sondern auch schon mal intellektuell parfümiert
Mal so ordinär, mal intellektuell parfümiert und kompliziert umschrieben. Die Juden seien eine „ökonomische und intellektuelle Elite“, die es darauf abgesehen habe, den kleinen, einfachen Menschen, die nicht zu dieser Elite gehören zu schaden. Die mit ihrem Geld den verhängnisvollen Kosmopolitismus einsetzten zur „Schwächung der Mehrheitsvölker“. Solch eine Zersetzung der „deutschen Volksgemeinschaft“ müsse notwendig „angst- und hasserfüllte Überreaktion“ hervorrufen.
In einer perfiden Täter-Opfer-Umkehr werden so die Juden selbst zu den eigentlich Schuldigen des Terrors gegen sie erklärt und die systematische Vernichtung des europäischen Judentums als Folge genau dieser Rolle der Juden gesehen.
Wer könnte das einer Mutter übel nehmen?
Hier ist es eine Mutter, die ihren Sohn entschuldigt – wer könnte ihr das übel nehmen? Sie wäre keine Mutter, würde sie nicht ihren Sohn auch in dieser Situation bedingungslos lieben. Das Tragische: Sie bringt eben jenes Denken zum Ausdruck, das nach wie vor in bestimmten Kreisen der deutschen Gesellschaft hoffähig ist. Und das in Halle gezeigt hat, zu was es fähig ist.
Und noch ein klares Wort an eine Gruppe der (ehemaligen) PP Fans: Dass solche Sprüche auch in der Linken weit verbreitet sind und dass Deutschland auch ein wachsendes Problem mit importiertem Antisemitismus muslimischer Provenienz hat, macht das ganze nicht besser oder weniger schlimm. PP weist seit seinem Bestehen genau auch auf dieses Problem hin und hat sich dadurch manche Hasskampagne antisemitischer und islamfreundlicher Neurechter eingefahren.
Das, was in Halle geschehen ist, stellt – ähnlich wie der Mordfall Walter Lübcke – einen Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik dar, nach dem vieles nicht mehr so bleiben darf, wie es war.
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