Der Evolutionsbiologe, Künstler und Philosoph Ernst Haeckel , international als „German Darwin“ bekannt, starb am 9. August 1919 in seinem Wohnhaus in Jena. In diesem Beitrag zum 100. Todestag dieses genialen Mannes sollen Haeckels bleibende Verdienste gewürdigt werden – mit Bezug zu aktuellen politischen Debatten. Ein Gastbeitrag von Prof. Ulrich Kutschera
Der 1834 in Potsdam geborene Juristen-Sohn Ernst Haeckel entwickelte bereits während seiner Jugendjahre eine Leidenschaft für die Naturkunde. Auf Anordnung des strengen Vaters musste er trotz dieser „Bio-Manie“ zunächst Arzt werden; erst nach Abschluss dieses „Brotstudiums“ (Dr. med., 1857) erwarb Haeckel seine zoologische Fachqualifikation (Dr. phil., 1865). Drei Jahre zuvor (1862) war Haeckel bereits, in Anerkennung seiner „Radiolarien-Forschungen“, an der Universität Jena zum außerordentlichen Professor ernannt worden.
Erst nach der zweiten Promotion (1865) erfolgte dann die Berufung zum ordentlichen Professor für Zoologie. Haeckel arbeitete bis kurz vor seinem Tod in dieser Funktion an der Universität Jena, wobei er während der vorlesungsfreien Zeit zahlreiche Auslands-Forschungsreisen unternahm.
Der politisch inkorrekte Naturwissenschaftler
Dieser außergewöhnliche akademische Aufstieg („ der Prof. als Doktorand“) symbolisiert den Charakter des „geborenen“ Naturforschers Haeckel, der als „Sonderling“, heute würden wir sagen, „Politically incorrect scientist“, weit über seine Fachdisziplin hinaus bekannt geworden ist.
Seine malerische Hochbegabung ermöglichte es ihm, tausende von Tierarten, viele davon selbst entdeckt, in originellen „Kunstformen der Natur“ festzuhalten, die bis heute unübertroffene Darstellungen geblieben sind. Haeckels künstlerisches Lebenswerk hätte mehr als ausgereicht, ihm einen Ehrenplatz in der deutschen Kulturgeschichte einzuräumen, aber „die Evolution zeichnete ihn mit einer Doppel-Begabung“ aus – Haeckel war Biologe und bildender Künstler in einer Person, wobei sich, darüber hinaus, seine „philosophische Ader“ immer mehr herausbildete.
„Generelle Morphologie der Organismen“
Der streitbare Professor und Darwin-Freund legte sich mit „Gott und der (kirchlichen) Welt“ an– ein damals in hohem Maße „politisch inkorrektes“ Thema!
In seinem im Alter von 32 Jahren publizierten Hauptwerk, der „Generellen Morphologie der Organismen“,führte Haeckel (1866) neben den Begriffen Ontogenese und Phylogenese (Individual- bzw. Stammesentwicklung) die „Ökologie“ ein.
Er definierte dieses aus den griechischen Begriffen „oikos“ (Haushalt) und „logos“ (Lehre) zusammengesetzte Wort als Disziplin, welche „die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt“ umfasst. Da Haeckel (1866) die Biologie auf der Grundlage der Darwin‘schen Evolutionstheorie neu begründete und daher z.B. Anpassungen der Lebewesen an die herrschenden Umweltbedingungen thematisierte, können wir heute seine damalige Definition in etwa mit jener Disziplin gleichsetzen, die 2019 als „Evolutionary Ecology“ bezeichnet wird.
Neben der Formulierung des „Biogenetischen Grundgesetzes“, der Begründung der Stammbaum-Analytik (Phylogenetik), der Entdeckung, dass alle Lebewesen von Bakterien abstammen, der Etablierung der Meeres-Mikrobenforschung und der Schlussfolgerung einer natürlichen (nicht „Göttlichen“) Herausbildung des Menschen im Verlauf der Jahrmillionen kommt Haeckel ein weiterer Verdienst zu, der im Zusammenhang mit der aktuellen „Klimadebatte“ steht. In seinem Nachfolgewerk, der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“, führte Haeckel (1868) den Begriff „Anthropozoisches Zeitalter“ ein, heute als „Anthropozän“ bezeichnet. Der Biologe beklagte die Natur-zerstörerischen Aktivitäten der Menschheit und verwies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Wälder.
Haeckel und die linksgrünen Pseudowissenschaften
Was würde der „Urvater der Ökologie“ 2019 zur politischen Vereinnahmung seiner Wissenschaftsdisziplin von Seiten der „Links-Grünen“ sagen? Haeckel war ein Gegner aller drei monotheistischer Religionen (er bezeichnete den biblischen Gott einmal als „gasförmiges Wirbeltier“) und vertrat ein logisch-rationales evolutionäres Weltbild, wofür er als „Affenprofessor“ usw. beschimpft und von den Kreationisten massiv angegriffen worden ist.
Haeckel setzte sich daher massiv für „Freie Wissenschaft und freie Lehre“ ein, war immer konsequent an der Wahrheit interessiert und verabscheute politische Ideologien (seine in späteren Jahren verbreitete „Monistische Philosophie“ kann hier nicht thematisiert werden). Begriffe wie “Öko-Steuer“, „Öko-Lebensmittel“, die „Frau-gleich-Mann-(Gender)-Ideologie“, der Glaube an eine „Geschlechter-Vielfalt“, wie auch die „Klimawandel-Hysterie“ hätte er entrüstet als politische Propaganda unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Begrifflichkeiten abgelehnt.
Der philosophierende Affenprofessor und die Wahrheitsfindung
In seinem philosophisch „unterfütterten“ Spätwerk, dem Bestseller „Die Welträtsel“, verwies Haeckel (1899) u. a. auf die Schriften des Aristoteles, dessen Erkenntnisse er sehr schätzte. Als Freidenker und Demokrat hätte es Haeckel sicherlich begrüßt, dass – pünktlich zu seinem 100. Todestag – ein neues Buch zu Thomas von Aquin erschienen ist.
Dieser „Aristoteles des Mittelalters“ kann in vielen seiner allgemeinen Thesen zur Wahrheitsfindung als Vordenker von Haeckel gesehen werden, trotz der Tatsache, dass Thomas an den biblischen Schöpfergott glaubte, während der „Jenaer Affenprofessor“ ein Atheist war.
Allgemeine Literatur:
Hoßfeld, U. (2010) Ernst Haeckel. Orange Press, Freiburg i.Br.
Kutschera, U. ( 2015) Evolutionsbiologie. Ursprung und Stammesentwicklung der Organismen. 4. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
Spezielle Literatur zu Haeckel 2019–Publikationen (http://evolutionsbiologen.de/haeckel-papers.html)
Video zu Ernst Haeckel -100: Evolution und Engel-Glaube
Allgemeine Infos zum Thema „Naturwissenschaft und Glaube“ s. AK Evolutionsbiologie, (www.evolutionsbiologen.de)