Tatverdächtiger im Fall Lübcke: Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz bei Stephan Ernst?

Waffenlager bei Compat 18 (c) Screenshot YT

(David Berger) Im Mordfall Lübcke gibt es auch- nachdem sich nun Verfassungsschutz und Generalbundesanwaltschaft um die Sache kümmern – mehr Rätsel als Informationen. Rätsel auch über die Rolle, die der Verfassungsschutz im Vorfeld der Tat spielte. „Bild“ und PP sind dabei bereits auf einige seltsame Details gestoßen.

Auch wenn eine DNA-Spur die Ermittler zu dem bereits wegen extremistischer Verbrechen vorbestraften Neonazi Stephan Ernst aus Kassel führte und damit die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass er es war, der Regierungspräsident Walter Lübcke mit einem Kopfschuss getötet zu hat, stellt sich bereits jetzt die Frage nach der Rolle, die der Verfassungsschutz hier spielte.

„Letzte Eintragung 2009“

Besonders gibt die lange Zeit zwischen den früheren Verbrechen und dem Mord an Lübcke einige Rätsel auf. „Letzte Eintragung 2009. Ich kann nicht ausschließen, ob er woanders auffällig war. Wir recherchieren mit den Landesämtern des Verfassungsschutz.“ – so Thomas Haldenwang (59), Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, gestern sichtlich überfordert von der Aufgabe.

Einer seiner Kollegen äußert sich dazu gegenüber der Bildzeitung: „Wenn der Verfassungsschutz nicht in der Lage ist, solche Typen rechtzeitig zu identifizieren, dann kommt er in arge Not! Das Parteiprogramm der AfD oder Zahlencodes und Symbole der Neonazis können auch Politikwissenschaftler untersuchen, dazu braucht man keinen Geheimdienst. Nach dem NSU war das eigentlich Konsens – die Entwicklung der letzten Monate geht leider genau in die andere Richtung.“

2015 Datensatz zu Ernst aus der digitalen Terror-Kartei der Nato gelöscht

Auch im NSU-Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag fiel mehrfach der Name „NPD-Stephan“. Umso erstaunlicher das, was in diesem zeitlichen Zusammenhang geschah: Bereits vor vier Jahren wurde offensichtlich der Datensatz zu Ernst aus der digitalen Terror-Kartei der Nato (NABIS) gelöscht. So die Bild. Warum das geschah, ist völlig unklar.

Warum laut Haldenwang der im Fall Lübcke dringend Tatverdächtige „in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr so deutlich wie früher als Rechtsextremist“ aufgefallen ist, könnte vielleicht an einer weiteren Merkwürdigkeit liegen, die unserem PP-Rechercheteam aufgefallen ist:

Obwohl Spezialkräfte die Bundespolizei und die GSG 9 bei einer Kontrolle im Herbst 2017 Kraftfahrzeuge deutscher Neonazis nach der Einreise aus der Tschechischen Republik kontrollierten und dabei Munition fanden, sich dann herausstellte, dass es sich dabei um Angehörige der neonazistischen Organisation „Combat 18 Deutschland“ („C18 Deutschland“) aus mehreren Bundesländern handelte, gab man Entwarnung:

Compat 18 nur eine Spielwiese für ungefährliche Wichtigtuer?

Der Bezug deutscher Neonazis zur gewalttätig agierenden internationalen C18 diene nur „der eigenen Aufwertung und sollte nach außen den Eindruck von Gefährlichkeit vermitteln“, die derzeit nicht gegeben sei.

Trotz Munitionsfund lägen „keine Erkenntnisse zur Umwandlung von „C18 Deutschland“ zu einer „militanten“ oder gar bewaffneten Gruppierung vor, wenngleich den Anhängern von C18 eine gewisse Waffenaffinität und grundsätzliche individuelle Gewaltbereitschaft zu unterstellen sei.

Steht da den deutschen Behörden ein neues Fiasko nach dem Vorbild des NSU-Skandals und des Staatsversagens im Fall Anis Amri ins Haus?

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