Dienstag, 19. März 2024

Ist das Strache-Gate ein Kronen-Gate?

(Patrizia von Berlin) Der FPÖ Ex-Chef Heinz-Christian Strache hat es mit seiner Bereitschaft zur Korruption möglich gemacht in eine illegale, hinterlistige und extrem professionelle Falle zu tappen. Seit Juli 2017, also fast zwei Jahre lag ein belastendes Video dann im Panzerschrank und platzte jetzt in die Endphase des Europawahlkampfs. Wem nutzt das? Wer tut so etwas?

Um die Antwort vorwegzunehmen: Wir wissen es natürlich nicht. Was bisher an Erklärungsversuchen unternommen wird, erscheint mir nicht oder nur bedingt brauchbar. Aber genau das verlangt nach weiteren Fragen, deren Beantwortung uns näher an das „cui bono“ der Aktion gegen Strache bringen können. Begeben wir uns also auf eine Spurensuche:

Bisherige Erklärungsversuche: Ungenügend

Die Europawahl scheidet für mich als Erklärung aus. Österreich ist nicht wichtig genug, die AfD ist auf keinem Höhenflug und andere Parteien, wie FN oder Lega werden von diesem österreichischen Skandal wohl nicht tangiert werden.

Wahrscheinlicher finde ich die These, dass der ordentlich agierenden blau-schwarzen Koalition damit ein Ende bereitet werden sollte. Aber auch hier spricht der lange Zeitraum dagegen.

Noch am Besten finde ich die Spekulation der New York Times, dass es eine Aktion westlicher Geheimdienste sei, da es den Verdacht gäbe, die FPÖ würde ihre Regierungskontrolle über alle drei österreichischen Geheimdienste missbrauchen und geheime Informationen an Russland weiterreichen. Was dagegen spricht ist der zeitliche Abstand zum Dreh und der anscheinend monatelange Zeitraum, in dem das Video „am Markt“ war, bevor es öffentlich wurde. Für so unprofessionell halte ich Geheimdienste nicht.

Zudem halte ich die Wahrscheinlichkeit für hoch, dass man in diesem Fall lediglich über einen diskreten Hinweis auf die Existenz des Videos, nicht nur das mögliche Problem eines Informationsflusses nach Russland gelöst hätte, sondern gleich noch Einflussmöglichkeiten für die Zukunft gehabt hätte. Man erinnere sich an Josef Fischer, der von linksradikal scheinbar aus dem Nichts zu einem Mann Madeleine Albrights wurde.

So richtig rund erscheint mir keiner der bisherigen Ansätze.

Meine Arbeitshypothese ist, dass das Video für einen völlig anderen Zweck gedreht wurde und dafür aus einem Grund, den wir noch nicht kennen, nicht mehr nötig war. Dann lag das Video unter Verschluss und wurde zum jetzigen Punkt quasi „zweitverwertet“. Das Charmante an dieser These ist, dass es praktisch die einzige Möglichkeit ist, den langen zeitlichen Zwischenraum logisch zu erklären. Doch schauen wir uns zunächst im nächsten Schritt die Akteure des Dramas an.

René Benko und Sebastian Kurz – Doppelteam?

Ein möglicher Immobilienskandal bringt mich auf die Fährte von René Benko. „Die Presse“ berichtet am 30.3.19 von einer parlamentarischen Anfrage durch den Bundesgeschäftsführer der SPÖ. Er will die Rolle von Kanzler Kurz beleuchtet sehen in dem Notverkauf einer Immobilie der bekannten Firma Kika/Leiner.

Grund der Anfrage: Die Immobilie soll angeblich für 60 Mio. € an die Signa Holding des Immobilieninvestors René Benko gegangen sein. Verdacht der Plattform „Addendum“ und der SPÖ: Die fragliche Immobilie war mehr wert. Als Indiz nennen sie: Kurz nach Kauf wurde ein Pfandrecht über 95 Mio. € eingetragen. Nun nennen Experten als Höhe des Sicherungswertes einer Immobilie normalerweise Sätze zwischen 60 und 80% des Verkehrswertes der Immobilie. Was bei 95 Mio. € einen Verkehrswert für diesen Fall zwischen 120 Mio. € und 160 Mio. € ergibt. Kein Wunder, dass die SPÖ Opposition das genauer erklärt haben möchte. 60 Mio. € Gewinn für einen Deal, das weckt natürlich Misstrauen der Opposition.

Die ÖVP ist darüber ebenso natürlich pflichtgemäß entsetzt und hält dagegen. Das alles soll uns im Moment nicht weiter interessieren. Wenn man dann zu Benko ein bisschen stöbert, dann horcht man auf, weil man auf den Namen Gusenbauer stößt. Alfred Gusenbauer, so berichtet „Capital“ in einem Portrait Benkos, zähle zu den „engen Freunden“ Benkos. Grund sei, so berichtet „Capital“, dass Gusenbauer Benko bei einem danebengegangenen Immobiliendeal vor der Insolvenz rettete. Das erzähle Benko selbst so, schreibt „Capital“. Sie wissen bereits, warum man an dieser Stelle hellhörig wird? Richtig. Der Name „Gusenbauer“ wird von Strache im berüchtigten Video genannt.

Alfred Gusenbauer – Spinne im Netz?

Gusenbauer ist SPÖ Urgestein, Mitglied seit den 80ern, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend, SPÖ Vorsitzender 2000-2008. Man kann ihn aufgrund seiner Verbindungen durchaus als „schillernde Persönlichkeit“ beschreiben. Zu diesen gehört der ehemalige Moskauer Oberbürgermeister Luschkow. Die Frau des bekennenden Schwulenhassers ist laut Presseberichten die einzige Milliardärin Russlands. In einem Spiegelinterview vom 4.7.2015 antwortet sie auf den Vorwurf bestochen zu haben:

„Baturina: Ich meinte nur: Man soll nicht denken, dass es in Russland jemanden gab, der gar keine Bestechungsgelder gegeben hat. Ich habe nur so gehandelt, wie damals die ganze Wirtschaft funktionierte.“

Wen finden wir noch auf der Liste? Z.B. Nursultan Nasarbajew, den Milliardär, der bis 2019 Präsident von Kasachstan war. Gusenbauer ist auch im Aufsichtsrat und „Experte“ des „Dialogue of Civilizations Research Institute“ in Berlin. Die Berliner Zeitung berichtet über dieses Institut am 1.Juli 2016 unter der Schlagzeile:

Wladimir Jakunin – Putin-Freund eröffnet russische Denkfabrik in Berlin

Neben seinen vielen anderen Posten und Pöstchen sind zwei besonders interessant:
Gusenbauer, so „meedia“ berät seit 2009 die WAZ Gruppe. Und diese, heute in Funke-Gruppe umbenannte, Firma besitzt über die WAZ Ausland Holding (Essen) 50% an der „Kronenzeitung“ und 50% am „Kurier“. Die Kronenzeitung ist, was „Bild“ für Deutschland ist, nur ein bisschen stärker.

Wer die „Kronen-Zeitung“ hat, ist der bestimmende Faktor am Zeitungsmarkt

…sagt Heinz-Christian Strache im Video.

Der „Kronen-Zeitung“ unterstellt das, chronisch linkslastige, wikipedia „Tendenziöse Berichterstattung“ und zwar nach rechts. Also auch hier eine Analogie zur Bildzeitung, als „Enteignet Springer“ noch der Kampfruf zahlreicher Linker und Linksradikaler war.

WAZ und Benko

Das Leben ist spannender als ein Krimi es sein könnte. Denn im November 2018 übernimmt René Benko über seine Immobilienholding Signa, die Muttergesellschaft -bekannt als Eigentümerin von „Karstadt“-, einen 49% Anteil der WAZ Auslands Holding. Also auch der „Kronen-Zeitung“, die in Strache’s Strategie ein Schlüsselelement zu politischer Macht darstellte. Etwas ungewöhnlich, denn Signa ist spezialisiert und sehr fokussiert in der Unternehmensstrategie.

Immobilien und Handel, zwei Sektoren, die sich ergänzen und extrem hohe Synergieeffekte aufweisen und traditionell häufig unter einem Unternehmensdach anzutreffen sind. Medien passen genauso gut dazu wie eine Panzerfabrik. Außer man will politischen Einfluß. Und wen trifft man im Beirat, dem strategischen Beraterkreis wie signa das bezeichnet? Richtig geraten: Dr. Alfred Gusenbauer.

Wieder zurück zu Benko – Kurz

Fassen wir zusammen, was wir bisher wissen:

  • Punkt 1: Es gibt den Verdacht, dass Kanzler Kurz René Benko bei einem fragwürdigen Immobiliendeal unterstützt hat. Es lohnt die Recherchen der Kollegen von addendum zum möglichen Einfluss von Bundeskanzler Kurz beim Erwerb der eingangs erwähnten Immobilie zu lesen und sich diesen Sachverhalt nochmal zu vergegenwärtigen.
  • Punkt 2: Benko erwirbt erheblichen Einfluss auf ein Schlüsselelement der österreichischen Presselandschaft und zwar unter Bruch einer 20-jährigen Unternehmenskultur als Immobilien- und Handelsfirma. November 2018
  • Punkt 3: Benko soll, so kontrast.at, zum „inneren Kreis“ um Kanzler Kurz gehören. „Der Börsianer“ spricht anlässlich einer gemeinsamen Reise in die Emirate im März 2019 von einem „boys trip“, auch der Spiegel meldete jüngst, Benko sei mit Kurz „befreundet“.

Was hat das alles mit dem Video zu tun?

Funke hatte 2017 mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wie meedia am 10.3.17 den eben veröffentlichten Abschluss 2015 kommentierte: 1,3 Mrd. € mehr Umsatz, aber ein Fehlbetrag von 5,6 Mio. €. Zu dem Zeitpunkt war bereits bekannt, so meedia, die Erwartung für das Geschäftsjahr 2016 sinkende Umsätze zu generieren. Auch 2017 meldete Funke, dass man bei fast 9% Umsatzverlust „in der Verlustzone“ sei. Auch wenn man es nicht weiß: es ist eine berechtigte Spekulation, das Funke offen für Verkäufe war.

War also die Spekulation Straches im Video komplett aus dem Augenblick geboren oder hatte er über ein Szenario eines (Teil)Verkaufs der beiden österreichischen Topzeitungen schon vorher nachgedacht? Und siehe da: Das Handelsblatt meldete bereits am 25.5.2009 Verkaufsgespräche zwischen WAZ und der zweiten Inhabergruppe der Kronen-Zeitung, der Familie Dichant. „Wenn die Konditionen stimmen“, so WAZ-Geschäftsfüher Hombach damals laut Handelsblatt.

Die WAZ Auslandsbeteiligungen waren also bereits 2009 auf dem Markt und es ist vernünftig anzunehmen, dass es keinen österreichischen Spitzenpolitiker gab, der das nicht wußte und nicht eigene Ideen oder Hoffnungen hatte. Dass die Idee des Verkaufs zwischendurch ad acta gelegt wurde, kann meines Wissens nicht belegt werden. Da WAZ/Funke aber mit der Familie Dichand, wie z.B. „Die Presse“ am 12.11.2018 berichtete, im „jahrelangen Streit“ lagen, ist dies eher unwahrscheinlich.

Zwei zutiefst zerstrittene, gleich starke Eigentümer sind keine zukunftsträchtige Konstellation. Und so kam, anscheinend ohne Gegenspieler, Benko ins Spiel um die Medienherrschaft in Österreich.

Was wir nicht wissen, ist dabei sogar spannender als unser Wissen: Wann wurde der Funke – Benko Deal eingefädelt? Rechnen wir einmal: Für die reine Abwicklung nach Einigung würde ich 3-6 Monate veranschlagen. Was den Sommer 2018 ergeben würde. Völlig unbekannt: wie lange war die Verhandlungszeit, d.h. wann begann sie? In jedem Fall jedoch vor Juli 2017, dem Zeitpunkt der Honeypot Falle, dazu weiter unten. Ebenso unbekannt: gab es Mitbieter, Gegenangebote zu Benko? Und wenn ja: wer war das?

Warum kauft Benko diese Medienbeteiligung und will sie -Stand aktuell – komplett übernehmen?

Er selbst sagt: Weil er damit „unser starkes Know-How in der Digitalisierung traditioneller Geschäftsmodelle“ einbringen könne. Das ist m.E. ehrlich gesagt zu seicht. Einer der erfolgreichsten österreichischen Unternehmer verlässt sein Kerngeschäft, Immobilien & Handel, und geht in Medien? Man weiß natürlich nicht, was er für die Beteiligung gezahlt hat, aber gehen wir von dem Wert aus, den trend.at am 2.7.2010 schätzte, dann liegt sein Anteil bei rund 80-100 Millionen € Wert. Das passt nicht zusammen.

Signa, Benkos Holding hat rund 7,5 Mrd. € Umsatz, 14 Mrd. € Immobilienvermögen. Und da will man wegen einer Größenordnung von unter 100 Mio. € einen eigenen, dritten strategischen Geschäftsbereich führen? Auch dagegen spricht, dass seither nicht mehr viel passiert ist in diesem strategischen Geschäftsbereich Nr. 3. Es passt nicht zu diesem Top Unternehmer so ein Schrittchen zu machen und dann scheinbar keine weiteren Schritte abzuarbeiten. Zudem sollte man erwägen, dass man mit 100 Millionen € disruptiv den ganzen österreichischen Medienmarkt mit einem rein digitalen Start Up aufrollen könnte, also dass es für dieses Ziel erheblich sinnvollere Alternativen geben würde. „Make“ statt „buy“. Wer das für unrealistisch hält: bitte die Geschichte von Breitbart ansehen.

Ein schneller, lukrativer Deal scheidet m.E. auch aus. Funke war, das ist heute relativ sicher zu beurteilen, zur Zeit des Verkaufs zwar nicht besonders gut unterwegs, aber grundsätzlich putzmunter und ohne Zwang zu einem sog. „Firesale“, d.h. einem Notverkauf unter Zeitdruck. Aber nur so ein Szenario könnte zu einem Kauf unter einem normalen Marktpreis und damit einem schnellen Ertrag führen. Fällt also auch aus.

Ein Investment in der Höhe um das eigene Kerngeschäft „journalistisch“ abzusichern? Diese These sollte man erstmal nicht leichtfertig von der Hand weisen. Das von der SPÖ aufgeworfene Thema rund um einen Immobilienkauf Benkos zeigt, um welche Summen es dabei geht. Der Vorwurf der SPÖ scheint auf eine politische Entscheidung von Kanzler Kurz zugunsten Benkos hinzuweisen. Und politische Entscheidungen werden von der Presse beeinflusst.

Wer hier auf unabhängige Redaktionen verweist, soll sich bitte den, von vielen als radikal empfundenen, Kurswechsel bei Springer gegenüber der Ägide von Axel Springer ansehen.
Eine spannende Spekulation, wie ich finde. Aber hat das Video damit etwas zu tun? Was wissen wir dazu?

Eine Analyse von „Der Standard“ vom 21.5.2018 zeigt, dass Strache auf seinem Facebookauftritt mit fast 800.000 Followern in erster Linie „Krone“ teilt. 111 von 232 Postings verlinken darauf, so Autor Muzayen Al-Youssef.

Für Strache ist die Kronen-Zeitung also ein strategisches Medium. Es ist vernünftig anzunehmen, dass dies aufgrund einer ihm genehmen politischen Linie und der Reichweite so ist. Ist es also auch vernünftig anzunehmen, dass Strache ein hohes Interesse daran hatte, dass dies so bleibt? Ich denke ja.

Dass Strache wusste, dass Benko an dem Deal dran war, passt zum oben errechneten Zeitrahmen und wird aufgrund des Videos zusätzlich abgesichert. „Der Nächste, der auf alle Fälle kommt, ist der Benko, der will nämlich sowieso die Krone haben“, sagt er.
Jetzt hat Benko die Krone oder zumindest den Fuß sehr weit drin.

Strache wusste also, dass jemand, der eher Kanzler Kurz zugeneigt war, das für Strache wohl wichtigste österreichische Medium unter seine Kontrolle bringen wollte.

Charmanterweise würde das eine Erklärung liefern, warum Strache sich mit einer ihm unbekannten Person traf, die über Geld verfügte und in Österreich investieren wollte.

Was es nicht erklärt ist, warum ein Polit-Profi wie er bei so einem Treffen mit einer ihm bis dato unbekannten Person in einem fremden Gebäude, nicht nur einen ersten Kontakt machte, sondern einen Deal in recht konkreten Umrissen vorschlug. 

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Patrizia von Berlin
Patrizia von Berlinhttps://philosophia-perennis.com/
Für die Freiheit nicht lügen zu müssen. Eine Lebensweisheit, die ich vor vielen Jahrzehnten von Reiner Kunze (Die wunderbaren Jahre) erhielt. Ich lernte, was das Wichtigste für ihn war, als er in den freien Westen ausgesiedelt wurde. Nicht Reisen, nicht die Genüsse der Welt. "Dass ich nicht mehr lügen muss", war seine Antwort.

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