Sonntag, 13. Oktober 2024

Als sie zu Ratten wurden…

Als der Berliner SPD-Politiker Raed Saleh dazu aufrief, die Mitglieder der AfD zurück in ihre Rattenlöcher zu jagen, lag der brutale Angriff auf den AfD-Politiker Frank Magnitz noch nicht einmal zwei Wochen zurück. Alleine die Tatsache, dass  sich ein Fraktionsvorsitzender der SPD nur wenige Tage nach einer solchen Tat auf diese Weise äußert, und unsere politische und mediale Elite schweigend darüber hinweggeht, zeigt, welches Ausmaß die Verrohung unserer Elite bereits erreicht hat. Ein Gastbeitrag von Stefan Eissler

Einerseits: Poggenburgs Aschermittwochsrede – Wir erinnern uns: Poggenburg hatte sich in seiner Aschermittwochsrede 2018 auf eine Weise geäußert, die durchaus kritikwürdig ist.[1] Auf Poggenburgs Rede folgte dann auch prompt das moralisch empörte mediale Hyperventilieren. Hier ein paar Reaktionen:

[…] Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte auf den Vorfall. Er sagte: „Was ich sehe ist, dass es Politiker gibt, die Maßlosigkeit in der Sprache, Rücksichtslosigkeit und Hass in ihrer Haltung zu einer eigenen Strategie machen. Und ich hoffe nur, dass sich die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht vor diesen Karren spannen lassen.“

[…] Reiner Haseloff (CDU) nannte die Äußerungen indiskutabel. „Sie schüren vorsätzlich Hass in Deutschland. Damit disqualifiziert sich die AfD für den demokratischen Diskurs.“

[…] Der Linksfraktionschef im sächsischen Landtag, Rico Gebhardt, zog Vergleiche zum Nationalsozialismus. „Mit diesem Exzess an Hetze nähert sich die AfD auf sächsischem Boden der Sportpalastrede von NS-Reichspropagandaminister Joseph Goebbels an.“

Andererseits: Raed Saleh bei einer Klausurtagung der SPD -Poggenburgs verbale Entgleisung, sowie diverse Reaktionen darauf, erwähne ich hier nur deshalb, weil kürzlich der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh auch so einen Spruch rausgehauen hat:

„Die AfD […] gehört dahin, wo sie herkommt: in ihre Rattenlöcher!“

Dazu muss man wissen, dass der Berliner SPD-Fraktionschef diese Aussage nicht etwa an einem Aschermittwoch im alkoholgeschwängerten Bierzelt machte, sondern bei einer Klausurtagung der SPD. Diesen Unterschied halte ich bei der Bewertung von Poggenburgs und Salehs verbalen Entgleisungen für nicht ganz unwichtig.

Und auch wenn es völlig indiskutabel ist, dass ein Politiker in einer Rede türkischstämmige Mitbürger als „Kameltreiber“ bezeichnet, so ist es aus Gründen, auf die ich weiter unten noch näher eingehen werde, dennoch ungleich schwerwiegender, wenn ein Politiker den politischen Gegner und ihre Anhänger als „Ratten“ bezeichnet.

Der öffentliche Umgang mit diesen beiden Aussagen – ein Alarmsignal!

Noch weit besorgniserregender als das, was der ranghohe SPD-Politiker Raed Saleh sagte, ist allerdings die öffentliche Reaktion auf diese verbale Entgleisung: Während damals ALLE großen Zeitungen in empörtem Ton über Poggenburgs verbalen Fehltritt berichteten, sieht sich nun KEINE große Zeitung bemüßigt, sich kritische mit Salehs Aussage auseinander zu setzen. KEINER der Politiker, die nach Poggenburgs Rede ihre übergroße Besorgnis und Empörung in jedes Mikro tröteten, äußert sich nun zu Salehs Entgleisung.

Bitte überzeugt euch einfach mal selbst: Sucht mal auf Google nach „Poggenburg Kameltreiber“ und anschließend nach „Saleh Rattenlöcher“.

Der himmelweite Unterschied im öffentlichen Umgang mit den verbalen Entgleisungen eines AfD-Politikers am Aschermittwoch und eines SPD-Politikers während einer Klausurtagung seiner Partei sagt sehr viel über den Zustand unseres Landes sowie seiner politischen und medialen Elite aus.

Ausgerechnet die Hohepriester des „Nie wieder!“ tun es wieder…

Sollte es tatsächlich möglich sein, dass ein Steinmeier, ein Maas (der ja gerne über sich erzählt, dass er wegen Auschwitz in die Politik gegangen sei…) und all die anderen selbsternannten Anti-Faschisten in der SPD vergessen haben, wann die „Ratten-Metapher“ in Deutschland zuletzt auf der politischen Bühne verwendet wurde? Haben sie vergessen, wer zuletzt ganze Bevölkerungsgruppen mit zu vernichtendem Ungeziefer gleichgestellt hat?

Vielleicht sollten sich Steinmeier, Maas und Genossen den Film „der ewige Jude“ anschauen, in dem der Zuschauer 1940 unter anderem folgendes erfuhr:

„Wo Ratten auch auftauchen, tragen sie Vernichtung ins Land, zerstören sie menschliche Güter und Nahrungsmittel. […] Sie sind hinterlistig, feige und grausam und treten meist in großen Scharen auf. Sie stellen unter den Tieren das Element der heimtückischen, unterirdischen Zerstörung dar – nicht anders als die Juden unter den Menschen.“ 

Da  unsere selbsternannten „Anti-Faschisten“ und „Verteidiger der Demokratie“ vermutlich auch nach diesem Film noch nicht begriffen haben werden, welchen Geist sie da aus der Flasche lassen, empfehle ich darüber hinaus die Lektüre des Buches „Von Ratten, Schmeißfliegen und Heuschrecken. Judenfeindliche Tiersymbolisierungen und die postfaschistischen Grenzen des Sagbaren“ von Monika Urban.

…denn Raed Saleh ist leider kein Einzelfall!

Bei  Raed Salehs gezielter Dehumanisierung einer ganzen Partei und ihrer Wähler handelt es sich ja keineswegs um einen „Einzelfall“ sondern nur um den traurigen Höhepunkt einer Entwicklung, die gerade in linken Kreisen schon seit Jahren zu beobachten ist:

Was mit der „Heuschreckenplage“[2] des damaligen SPD-Vorsitzende Franz Müntefering begann, fand bei Martin Schulz[3] (der zu dieser Zeit ebenfalls SPD-Vorsitzender war) und dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki[4] seine Fortsetzung, die ebenfalls Millionen Menschen in Deutschland indirekt zu Ratten machten. Nachdem sich auch die CDU neuerdings links der Mitte positioniert, hat die sprachliche Dehumanisierung nun auch dort Einzug gehalten – und auch in der CDU geht die Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer mit schlechtem Beispiel voran.[5]

Sprachliche Dehumanisierung sagt insbesondere dann viel über eine Gesellschaft und über ihre politische Kultur aus, wenn diese „sprachliche Dehumanisierung“ ausgerechnet von Teilen der politischen Elite betrieben wird – und andere Teile unserer gesellschaftlichen Elite diese verbalen Entgleisungen stillschweigend hinnehmen oder ihnen gar zustimmen:

Biologische Sprachbilder gehören zum Handwerkszeug des ultimativ Bösen, das wir überwunden zu haben glaubten

Bei der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass eine Kulturnation im Herzen Europas der Barbarei verfiel, sehen Historiker wie Alex Bein einen Teil der Antwort darin, „dass die biologischen Sprachbilder und Vorstellungen die letzten moralischen Hemmungen, den inneren Widerstand gegen Unrecht und Verbrechen bei Millionen geschwächt haben.“[6]

Um ihrer unvorstellbaren Barbarei den Weg zu bereiten, griffen die Nationalsozialisten also auf Methoden zurück, die sich auch heute bei unserer linken politischen Elite wieder zunehmender Beliebtheit erfreuen.

Wer sich also je fragte, wie um Gottes Willen geschehen konnte, was in den dunkelsten Stunden Deutscher Geschichte geschah, der kann heute live und in Farbe miterleben, wie solcher Barbarei der Weg bereitet wird – indem eine linke politische Elite durch  biologische Sprachbilder die moralischen Hemmungen und der innere Widerstand gegen Unrecht allmählich erodieren lässt. Und wie alle anderen dies schweigend hinnehmen, so sie nicht sogar damit sympathisieren.

Hysterischer Alarmismus?

Wer das, was ich hier schreibe, für hysterischen Alarmismus hält, der sei an folgendes erinnert: Als Raed Saleh dazu aufrief, die Mitglieder der AfD zurück in ihre Rattenlöcher zu jagen, lag der brutale Angriff auf den AfD-Politiker Frank Magnitz noch nicht einmal zwei Wochen zurück.[7] Und der Bombenanschlag auf das AfD-Büro im sächsischen Döbeln lag noch keine drei Wochen zurück.[8]

Alleine die Tatsache, dass  sich ein Fraktionsvorsitzender der SPD nur wenige Tage nach einer solchen Tat auf diese Weise äußert, und unsere politische und mediale Elite schweigend darüber hinweggeht, zeigt, welches Ausmaß die Verrohung unserer Elite bereits erreicht hat.[9]

Und diese Verrohung fällt in Teilen der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Vor allem bei jenen, die sich moralisch und politisch auf der richtigen Seite wähnen. Das zeigen die Reaktionen in den Sozialen Netzwerken auf die Meldung, dass die Berliner Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Saleh eingestellt habe. Dushan Wegner präsentiert in einem Artikel eine kleine Auswahl an Kommentaren:

»Darf man jetzt also #Ratten zu denen sagen? #AfDratten #fckafd #afdverbot Schön! Es ist was es ist! Ratten!«, sagt einer, man will neu gegen die »Ratten in Deutschland« kämpfen, »Ratten sind in der AfD der Normalzustand« heißt es und »Braune widerliche Ratten!«, und so fort, stets mit bestechender Logik: »Wenn Politiker der #AfD sich von Begriffen wie Ratten getroffen fühlen, dann scheint da wohl etwas dran zu sein.«

Könnte Ignazio Silone womöglich Recht behalten?

Wenn selbsternannte „Anti-Faschisten“ den rhetorischen Giftschrank der Faschisten öffnen und sich immer ungenierter darin bedienen… wenn damit also ausgerechnet die Hohepriester des „Nie wieder!“ es wieder tun, dann fühlt man sich unweigerlich an die Prophezeiung des italienischen Sozialisten Ignazio Silone erinnert, mit der ich diesen Artikel beschließen möchte:

Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus.[10]

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Kontakt zum Autor können Sie über Facebook aufnehmen: Facebookprofil Stefan Eissler 

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Quellen:

[1] https://philosophia-perennis.com/2018/02/15/news-poggenburg/

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Heuschreckendebatte

[3]    https://www.welt.de/politik/deutschland/article161628427/Rattenfaenger-versuchen-aus-Fluechtlingen-Kapital-zu-schlagen.html

[4]    https://www.deutschlandfunk.de/koelner-erzbischof-woelki-nicht-den-rattenfaengern-auf-den.868.de.html?dram:article_id=436732

[5]    https://www.freiewelt.net/nachricht/cdu-generalsekretaerin-betrachtet-waehler-als-ratten-10074514/

[6]    https://www.zeit.de/1980/43/als-sie-zu-ratten-wurden/komplettansicht

[7]    https://www.welt.de/politik/deutschland/article186713350/Frank-Magnitz-AfD-macht-rot-gruene-Hetze-fuer-Angriff-verantwortlich.html

[8]    https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2019/anschlag-auf-afd-buero-partei-beklagt-narrenfreiheit-fuer-linke-chaoten/

[9]    Diese Verrohung kommt übrigens auch darin zum Ausdruck, wie in vielen Medien mit dem Angriff auf den AfD-Politiker Magnitz umgegangen wurde. So verstieg man sich beispielsweise in den Westfälischen Nachrichten allen Ernstes zu diesen Sätzen:

„Politisch aber wird gerade die AfD von der Tat profitieren, wie von den zuletzt erschreckend häufigen Anschlägen auf Häuser, Büros oder Autos ihrer Politiker. Geschickt nutzen die Populisten diese Fälle, um ihren Opfermythos zu belegen.“ (Quelle: https://www.wn.de/Kommentar/3610723-Kommentar-AfD-Politiker-zusammengeschlagen-Ein-Angriff-auf-uns-alle)

Man schafft es also tatsächlich, einerseits von den „zuletzt erschreckend häufigen Anschlägen auf Häuser, Büros oder Autos“ zu schreiben, um aber gleich im nächsten Satz klarzustellen, dass AfD-Politiker noch lange keine Opfer sind, nur weil ihnen solche Dinge widerfahren, sondern die AfD solche Angriffe auf ihre Mitglieder „geschickt“ dazu nutze, um etwas zu belegen, was aber in Wahrheit nur ein Mythos ist. Ergo sind AfD-Politiker nicht nur keine Opfer, sonder sie sind bei richtiger Betrachtung ganz im Gegenteil sogar die unredlichen Profiteure der Angriffe auf sie selbst.

In Deutschland gab es solchen ungeheuerlichen Unsinn zuletzt bei der Nazi-Presse, die Kommunisten und Juden auch das Recht absprachen, sich angesichts zunehmender Angriffe als Opfer aufzuspielen…

[10]  https://de.wikipedia.org/wiki/Ignazio_Silone#Antifaschismus-Zitat

 

 

PP-Redaktion
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