Donnerstag, 21. November 2024

Weihnachtsgedudel aus Bellevue

Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten war eine Mogelpackung auf dem Gabentisch. Ein Gastbeitrag von Josef Hueber

„Unsere Demokratie baut darauf, dass wir unsere Meinung sagen.“ (Bundespräsident Steinmeier)

Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten war eine Mogelpackung auf dem Gabentisch. Sein nach außen hin demonstriertes Eintreten für den politischen Streit als Grundlage einer funktionierenden Demokratie hätte in eine Kritik der parlamentarischen Debattenkultur, wie sie sich seit der letzten Bundestagswahl abzeichnet, münden müssen. Von der zunehmenden, jeden wirklichen Demokraten empörenden sprachlichen Diffamierung konservativen Denkens in Richtung Nationalsozialismus so wie der Gängelung freier Meinungsäußerung in den sozialen Medien ganz zu schweigen.

Weihnachten- die christliche Botschaft gegen den Mainstream

Die Weihnachtsbotschaft des Evangeliums richtet sich gegen den Mainstream der Zeit, wie ihn die Pharisäer verkörperten. Die Pharisäer versuchten, Jesus zu diffamieren, zu diskriminieren, seine Botschaft als „Hetze“ gegen den wahren Glauben zu denunzieren. Sie repräsentierten den  Mainstream, der Konformität verlangte und bei Verweigerung der Anpassung Sanktionen erteilte. Das Ergebnis ist bekannt. Das „Schlaf‘ in himmlischer Ruh‘ “, weltweit gesungen, oft unter Tränen, hat mit historischer Realität nichts zu tun. Es ist süßes Weihnachtsgedudel.

Die Weihnachtsbotschaft des Bundespräsidenten steht ganz im Zeichen des Mainstream-Denkens. Auch sie wendet sich ab von der Realität im Deutschland des Jahres 2018.

 Der alljährliche Besuch  mit vornehmer Beschwichtigung

Wie jedes Jahr bekommen Müllers, Meiers und Hubers hohen Besuch an Weihnachten. Der  höchste Vertreter des Staates betritt die Wohnzimmer über den Bildschirm, während die Besuchten vor dem Fernseher in andächtiger  Erwartung den weltlichen Urbi-et-Orbi-Segen des höchsten Vertreters des Staates in Form einer vorgelesenen Redenschreiber-Rede, erteilt bekommen.

Es ging diesmal um die Störenfriede demokratischer Gesprächskultur: die sozialen Medien und die geschmähten Andersdenker unter uns, ob öffentlich oder privat, die Wutbürger, die eine giftige Atmosphäre in der Kommunikation erzeugen.

Das Pharisäerhafte an dieser fingierten, weil inszenierten Realität, wird bei genauerem Hinsehen deutlich.

Wurde etwas Wichtiges überhört?

Neben (dem üblichen Gerede von) der durch Weihnachten verursachten Friede – Freude – Stimmung gelte es, so die Ansprache,  Innehalten zu üben und über Vergangenheit und  Zukunft unseres Landes nachzudenken, „über das, was wichtig war in diesem Jahr, was wichtig wird im kommenden.“ Dass die immensen Probleme, die auf uns zukommen, von verbalen Schneeflocken verdeckt wurden, war zu erwarten. Sie wurden nur freischwebend-abstrakt angedeutet, aber nicht erkennbar beim Namen genannt. Jeder, der nicht nur Systemmedien konsumiert, weiß davon. Und das, obwohl wir doch „endlich Zeit zum Reden“ an Weihnachten haben!

Streiten ist eine gute Sache, aber…

Ja, – und hier die nachdenkliche Pause in der Ansprache– es wird „manchmal auch gestritten“, so sehr, dass „wir uns über Politik in die Haare kriegen.“ Das sei nicht schlimm, denn: „Wie gut, dass wir diskutieren, wie gut, dass wir miteinander reden.“ Des Präsidenten innigster Wunsch: „ Mehr davon!“

Dennoch macht der Bundespräsident eine bedrückende Erfahrung im Alltag, sein Ohr ganz nah am Mund des ihm bestens vertrauten Mannes von der Straße:„ Wir Deutschen sprechen immer seltener miteinander, und noch seltener hören wir einander zu. Wo immer man hinschaut – erst recht in den sozialen Medien- da wird gegiftet, da ist Lärm und tägliche Empörung. Wir müssen wieder lernen zu streiten ohne Schaum vorm Mund, und lernen, unsere Unterschiede auszuhalten.“ Seine Hausaufgabe an uns: „Sprechen Sie mit Menschen, die nicht Ihrer Meinung sind. Sprechen Sie ganz bewusst mal mit jemandem, über den Sie vielleicht schon eine Meinung haben, mit dem Sie aber sonst kein Wort gewechselt hätten.“

Wie kommt es zu diesem Auftrag? „ Immer mehr Menschen ziehen sich zurück (…) in die eigene Blase, wo alle immer einer Meinung sind, auch einer Meinung darüber, wer nicht dazugehört. Unsere Demokratie baut darauf, dass wir unsere Meinung sagen …“

Der Weg aus der Blase Gleichgesinnter

Als andächtiger Lauscher der Ansprache hat man freilich den Eindruck, dass der Bundespräsident in der Blase seiner Villa lebe und von dort aus Eindrücke aus dem Leben draußen sammle.

Wann, so fragt man sich, hat er das letzte Mal dem politischen Streit im Bundestag zugehört? Das „Gift“ , das er im politischen Meinungsaustausch offensichtlich nur in den sozialen Medien und vielleicht häufig an von ihm besuchten Stammtischen  wahrnimmt, könnte er dort nämlich in Reinform wahrnehmen, wenn etwa Mitglieder der größten Oppositionspartei, der AfD,  kaum eine Rede halten können, ohne dass ihre Redner  mit „ Gift“ von allen anderen Parteien angespuckt werden, meist von lautstarkem Geschrei begleitet. Hat der Bundespräsident keine Zeit, sich solche vorgeblich aufs Zuhören gepolte Debatten anzuhören? Dies wäre ein sinnvoller Faktencheck zur Analyse des  Ursprungs von Gift und Wut als Hindernis für eine in der Demokratie wünschenswerte Streitkultur.

Man erspare uns das Moralisieren

Zuhören, der anderen Meinung? Hier dürfen nicht wenige Abgeordnete des Bundestages  noch einiges an Fortbildung zu leisten haben. Besonders die in den Altparteien sitzenden Volksvertreter, die ausreichend DDR- und linksgrüne Schulung hinter sich haben.

Herr Bundespräsident, ziehen Sie mal denen die Ohren lang, anstatt die Andersdenkenden, z.B. in den sozialen Medien, als bloße Hassproduzenten und als Bewohner von Giftstuben zu diskreditieren! Anschauungsmaterial für eine verkommene Streitkultur finden Sie im Bundestag  ausreichend.

Das Ausklammern fundamentaler Probleme unserer und unserer Kinder Zukunft sowie das Ignorieren einer Ausweitung von Kontrolle unangepasster Meinungsäußerung – unter gleichzeitiger Forderung nach mehr Streitkultur – nahm dem am Ende der Weihnachtsansprache geäußerten optimistischen Blick in die Zukunft jede Glaubwürdigkeit.

PP-Redaktion
PP-Redaktion
Eigentlich ist PP nach wie vor ein Blog. Dennoch hat sich aufgrund der Größe des Blogs inzwischen eine Gruppe an Mitarbeitern rund um den Blogmacher Dr. David Berger gebildet, die man als eine Art Redaktion von PP bezeichnen kann.

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